Was läßt Du die Flügel hängen? Nach einer so schönen Reise schreibst Du einen so kurzen Brief, und schreibst nichts von meinem Sohn, als daß Du ihn gesehen hast; das hab' ich auch schon gewußt, und er hat mir's gestern geschrieben. Was hab' ich von Deinem geankerten Schiff? Da weiß ich soviel wie nichts. Schreib' doch, was passiert ist. Denk' doch, daß ich ihn acht Jahre nicht gesehen hab' und ihn vielleicht nie wieder seh'; wenn Du mir nichts von ihm erzählen willst, wer soll mir dann erzählen? – Hab' ich nicht Deine alberne Geschichten hundertmal angehört, die ich auswendig weiß, und nun, wo Du etwas Neues erfahren hast, etwas Einziges, wo Du weißt, daß Du mir die größte Freud' machen könntest, da schreibst Du nichts. Fehlt Dir denn was? – Es ist ja nicht übers Meer bis nach Weimar. Du hast ja jetzt selbst erfahren, daß man dort sein kann, bis die Sonne zweimal aufgeht. – Bist Du traurig? – Liebe, liebe Tochter, mein Sohn soll Dein Freund sein, Dein Bruder, der Dich gewiß liebt, und Du sollst mich Mutter heißen in Zukunft für alle Täg', die mein spätes Alter noch zählt, es ist ja doch der einzige Name, der mein Glück umfaßt.
Deine treue Freundin
Elisabeth Goethe.
Vor die Tasse bedank' ich mich.