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Briefwechsel mit Goethes Mutter:Der Moritz Bethmann hat mir gesagt

时间:2025-02-05来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Briefwechsel mit Goethes Mutter
Der Moritz Bethmann hat mir gesagt, daß die Staël mich besuchen will; sie war in Weimar, da wollt' ich, Du wärst hier, da werd' ich mein Französisch recht zusammennehmen müssen.
 
 
An Goethes Mutter.
 
Diesmal hat Sie mir's nicht recht gemacht, Frau Rat; warum schickt Sie mir Goethes Brief nicht? – Ich hab' seit dem 13. August nichts von ihm, und jetzt haben wir schon Ausgang September. Die Staël mag ihm die Zeit verkürzt haben, da hat er nicht an mich gedacht. Eine berühmte Frau ist was Kurioses, keine andre kann sich mit ihr messen, sie ist wie Branntwein, mit dem kann sich das Korn auch nicht vergleichen, aus dem er gemacht ist. So Branntwein bitzelt auf der Zung' und steigt in den Kopf, das tut eine berühmte Frau auch; aber der reine Weizen ist mir doch lieber, den säet der Säemann in die gelockerte Erd', die liebe Sonne und der fruchtbare Gewitterregen locken ihn wieder heraus, und dann übergrünt er die Felder und trägt goldne Ähren, da gibt's zuletzt noch ein lustig Erntefest; ich will doch lieber ein einfaches Weizenkorn sein als eine berühmte Frau und will auch lieber, daß Er mich als tägliches Brot breche, als daß ich ihm wie ein Schnaps durch den Kopf fahre. – Jetzt will ich Ihr nur sagen, daß ich gestern mit der Staël zu Nacht gegessen hab' in Mainz; keine Frau wollt' neben ihr sitzen bei Tisch, da hab' ich mich neben sie gesetzt; es war unbequem genug, die Herren standen um den Tisch und hatten sich alle hinter uns gepflanzt, und einer drückte auf den andern, um mit ihr zu sprechen und ihr ins Gesicht zu sehen; sie bogen sich weit über mich; ich sagte: »Vos Adorateurs me suffoquent«, sie lachte. – Sie sagte, Goethe habe mit ihr von mir gesprochen; ich blieb gern sitzen, denn ich hätte gern gewußt, was er gesagt hat, und doch war mir's unrecht, denn ich wollt' lieber, er spräch' mit niemand von mir; und ich glaub's auch nicht, – sie mag nur so gesagt haben; – es kamen zuletzt so viele, die alle über mich hinaus mit ihr sprechen wollten, daß ich's gar nicht länger konnte aushalten; ich sagt' ihr: »Vos lauriers me pèsent trop fort sur les épaules.« Und ich stand auf und drängt' mich zwischen den Liebhabern durch; da kam der Sismondi, ihr Begleiter, und küßt' mir die Hand, und sagte, ich hätte viel Geist, und sagt's den andern, und sie repetierten es wohl zwanzigmal, als wenn ich ein Prinz wär', von denen findet man auch immer alles so gescheit, wenn es auch das Gewöhnlichste wär'. – Nachher hört' ich ihr zu, wie sie von Goethe sprach; sie sagte, sie habe erwartet, einen zweiten Werther zu finden, allein sie habe sich geirrt, sowohl sein Benehmen wie auch seine Figur passe nicht dazu, und sie bedauerte sehr, daß er ihn ganz verfehle; Fr. Rat, ich wurd' zornig über diese Reden (»das war überflüssig«, wird Sie sagen), ich wendt' mich an Schlegel und sagt' ihm auf deutsch: die Frau Staël hat sich doppelt geirrt, einmal in der Erwartung, und dann in der Meinung; wir Deutschen erwarten, daß Goethe zwanzig Helden aus dem Ärmel schütteln kann, die den Franzosen so imponieren; wir meinen, daß er selbst aber noch ein ganz andrer Held ist. – Der Schlegel hat unrecht, daß er ihr keinen bessern Verstand hierüber beigebracht hat. Sie warf ein Lorbeerblatt, womit sie gespielt hatte, auf die Erde; ich trat drauf und schubste es mit dem Fuß auf die Seite und ging fort. – Das war die Geschichte mit der berühmten Frau; hab' Sie keine Not mit ihrem Französisch, sprech' Sie die Fingersprach' mit ihr und mache Sie den Kommentar dazu mit ihren großen Augen, das wird imponieren; die Staël hat ja einen ganzen Ameisenhaufen Gedanken im Kopf, was soll man ihr noch zu sagen haben? Bald komm' ich nach Frankfurt, da können wir's besser besprechen.
 
Hier ist's sehr voll von Rheingästen; wenn ich morgens durch den dicken Nebel einen Nachen hervorstechen seh', da lauf ich ans Ufer und wink' mit dem Schnupftuch, immer sind's Freunde oder Bekannte; vor ein paar Tagen waren wir in Nothgottes, da war eine große Wallfahrt, der ganze Rhein war voll Nachen, und wenn sie anlandeten, ward eine Prozession draus und wanderten singend, eine jede ihr eigen Lied, nebeneinander hin; das war ein Schariwari, mir war angst, es möcht' unserm Herrgott zuviel werden; so kam's auch: er setzte ein Gewitter dagegen und donnerte laut genug, sie haben ihn übertäubt, aber der gewaltige Regenguß hat die lieben Wallfahrer auseinander gejagt, die da im Gras lagen, wohl Tausende, und zechten; – ich hab' grad keinen empfindsamen Respekt vor der Natur, aber ich kann's doch nicht leiden, wenn sie so beschmutzt wird mit Papier und Wurstzipfel und zerbrochnen Tellern und Flaschen, wie hier auf dem großen grünen Plan, wo das Kreuz zwischen Linden aufgerichtet steht, wo der Wandrer, den die Nacht überrascht, gern Nachtruhe hält und sich geschützt glaubt durch den geweihten Ort. – Ich kann Ihr sagen, mir war ganz unheimlich; ich bin heut' noch kaputt. Ich seh' lieber die Lämmer auf dem Kirchhof weiden als die Menschen in der Kirch'; und die Lilien auf dem Feld, die, ohne zu spinnen, doch vom Tau genährt sind, – als die langen Prozessionen drüber stolpern und sie im schönsten Flor zertreten. Ich sag' Ihr gute Nacht, heut' hab' ich bei Tag geschrieben. 
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