Frau Rat! Ich will nicht lügen: wenn Sie die Mutter nicht wär', die Sie ist, so würd' ich auch nicht bei Ihr schreiben lernen. Er hat gesagt, ich soll ihn vertreten bei Ihr und soll Ihr alles Liebe tun, was er nicht kann, und soll sein gegen Sie, als ob mir all die Liebe von Ihr angetan wär', die er nimmer vergißt. – Wie ich bei ihm war, da war ich so dumm und fragte, ob er Sie liebhabe, da nahm er mich in seinen Arm und drückte mich ans Herz und sagte: »Berühr' eine Saite und sie klingt, und wenn sie auch in langer Zeit keinen Ton gegeben hätte.« Da waren wir still und sprachen nichts mehr hiervon, aber jetzt hab' ich sieben Briefe von ihm, und in allen mahnt er mich an Sie; in einem sagt er: »Du bist immer bei der Mutter, das freut mich; es ist, als ob der Zugwind von daher geblasen habe, und jetzt fühl' ich mich gesichert und warm, wenn ich Deiner und der Mutter gedenke;« ich hab' ihm dagegen erzählt, daß ich Ihr mit der Schere das Wachstuch auf dem Tisch zerschnitten hab', und daß Sie mir auf die Hand geschlagen hat und hat gesagt: »Grad' wie mein Sohn – auch alle Unarten hast du von ihm!« –
Von Bonn kann ich nichts erzählen, da war's wieder einmal so, daß man alles empfindet, aber nichts dabei denkt, wenn ich mich recht besinne, so waren wir im botanischen Garten, grad' wie die Sonn' unterging; alle Pflanzen waren schon schlaftrunken, die Siebenberg' waren vom Abendrot angehaucht, es war kühl, ich wickelte mich in den Mantel und setzt' mich auf die Mauer, mein Gesicht war vom letzten Sonnenstrahl vergoldet, besinnen mocht' ich mich nicht, das hätt' mich traurig gemacht in der gewaltigen verstummten Natur. Da schlief ich ein, und da ich erwachte (ein großer Käfer hat mich geweckt), da war's Nacht und recht kalt. Am andern Tag sind wir wieder hier eingetroffen.
Adieu, Fr. Rat, es ist schon so spät in der Nacht, und ich kann gar nicht schlafen.