Jeder Staat hat die Verantwortung, sein Volk zu schützen. Tut ein Staat das nicht, muss die internationale Gemeinschaft diese Verantwortung übernehmen. Wann dies der Fall ist, ist oft umstritten.
Im März 2011 verhängte die internationale Staatengemeinschaft eine Flugverbotszone über Libyen, um das Land vom Diktator Muammar Gaddafi zu befreien. Ein politisches Konzept erlaubt solche Interventionen von außen: die Schutzverantwortung. Sie besagt, dass jeder Staat die Verantwortung hat, sein Volk zu schützen. Will oder kann ein Staat das nicht sicherstellen, hat die internationale Gemeinschaft die Verantwortung.
Die Schutzverantwortung ist auf vier Bereiche beschränkt: Auf den Schutz der Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Allerdings ist es laut der UN-Charta verboten, in einen Staat von außen einzugreifen. Nur in Ausnahmefällen ist dies erlaubt.
Wann jedoch eine solche Ausnahme berechtigt ist, ist umstritten. Denn die Schutzverantwortung ist ein moralisches Prinzip und keine völkerrechtliche Norm. Ob sie ausgeübt werden muss, entscheidet der UN-Sicherheitsrat. Dieser bestimmt auch, auf welche Weise sie ausgeübt wird.
Reinhard Merkel, Professor für Staatsrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, sagt: „Die Schutzverantwortung darf nur dann militärisch ausgeübt werden, wenn jedes mildere Mittel keine Chance auf Erfolg verspricht.“ Doch Merkel macht auch darauf aufmerksam, dass die Entscheidung des Sicherheitsrats nicht unbedingt legal und legitim sein muss. Im Fall von Libyen führte die Intervention zu einem Regimewechsel. Das ging jedoch, laut Professor Merkel, über die Befugnisse der Staatengemeinschaft hinaus.
Glossar
umstritten sein, etwas ist umstritten – es gibt verschiedene Meinungen über etwas
etwas verhängen – hier: eine bestimmte Maßnahme beschießen
Flugverbotszone, -n (f.) – ein Gebiet, über dem Flugzeuge nicht fliegen dürfen
Konzept, -e (n.) – der Plan; die Idee
Intervention, -en (f.) – das → Eingreifen in Angelegenheiten eines anderen Staates
etwas sicherstellen – für etwas sorgen
etwas auf etwas beschränken – etwas auf wenige Dinge festlegen
Völkermord, -e (m.) – die Verfolgung und Ermordung von Volksgruppen
Kriegsverbrechen, - (n.) – unmenschliche Handlungen in einem Krieg
ethnische Säuberung, -en (f.) – das Vertreiben oder Töten einer bestimmten Volksgruppe
Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Handlungen, die die Menschrechte verletzten
Ausnahmefall, -fälle (m.) – eine Situation, in der man eine Ausnahme macht
berechtigt – hier: vernünftig; angemessen
Prinzip, -ien (n.) – die Überzeugung; die Idee
völkerrechtlich – so, dass etwas dem international geltendem Recht entspricht
Norm, -en (f.) – die Pflicht; die Vorschrift
etwas ausüben – hier: etwas in die Tat umsetzen
Sicherheitsrat (nur Singular, m.) – internationale Organisation, die Konflikte zwischen Staaten löst
militärisch – hier: mit Soldaten; mit Gewalt
legal – vom Gesetz her erlaubt
legitim – gesetzlich anerkannt; → legal
Regime, - (n.) – meist: eine Regierung, die nicht demokratisch ist; die Diktatur
Befugnis, -se (f.) – das Recht; die Erlaubnis