Ausgestopfte Elefanten und Skelette von Tieren waren Zeugen, als eine neue Republik geboren wurde: In einem Naturkunde-Museum in Bonn wurde 1949 das "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland" beschlossen.
Deutschland hat eine Verfassung, die nicht "Verfassung" heißen sollte. Als am 23. Mai 1949 der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer das Grundgesetz verkündete, hofften die Politiker noch auf eine schnelle Vereinigung von West- und Ostdeutschland. Das Grundgesetz sollte nur ein Provisorium sein, bis eine gesamtdeutsche Verfassung beschlossen würde. Doch dazu kam es nie.
1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, teilten die Siegermächte Deutschland in vier Zonen: eine amerikanische, britische und französische im Westen und eine sowjetische im Osten. Die West-Alliierten gaben den deutschen Politikern den Auftrag, eine demokratische Verfassung auszuarbeiten. Als Tagungsort wurde Bonn ausgewählt. Die Halle im Museum Alexander Koenig, in der sonst ausgestopfte Tiere ausgestellt wurden, diente dem so genannten Parlamentarischen Rat als Versammlungssaal.
Die meisten der 70 Abgeordneten, die am 1. September 1948 zusammenkamen, waren sich einig: Das Grundgesetz sollte die Menschenrechte schützen und jedem ein Leben ohne Furcht und Angst ermöglichen. Bei anderen Themen allerdings gab es Diskussionen. So waren einige Männer dagegen, die Gleichheit von Frauen und Männern ins Grundgesetz aufzunehmen. Am Ende jedoch konnten sich die vier Frauen im Rat durchsetzen.
Aus Sicht von heutigen Verfassungsrechtlern hat das Grundgesetz alles, was eine Verfassung braucht. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde diskutiert, ob das Grundgesetz auch dem Namen nach zu einer Verfassung werden sollte. Aber die meisten Deutschen hatten sich inzwischen an die Bezeichnung gewöhnt. Christoph Möllers, Professor für Öffentliches Recht und Staatsrecht an der Universität Göttingen, meint: "Das Grundgesetz ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich für andere Länder." Es beeinflusste zum Beispiel die Verfassungen Spaniens, Griechenlands und sogar Südafrikas.
Glossar
etwas ausstopfen – hier: ein totes Tier mit etwas füllen, damit es seine Form behält
Skelett, das – alle Knochen eines Menschen oder Tieres
etwas verkünden – etwas öffentlich bekannt machen
Provisorium, das – etwas, das nur so lange existieren soll, bis es etwas Besseres gibt
es kommt zu etwas – etwas passiert; etwas wird Realität
sowjetisch – auf das kommunistische Russland und die zugehörigen Länder bezogen (Substantiv: Sowjetunion, die)
West-Alliierten, die (Plural) – hier: diejenigen westlichen Staaten, die im 2. Weltkrieg gemeinsam gegen Nazi-Deutschland kämpften, vor allem USA, Großbritannien, Frankreich
etwas ausarbeiten – etwas komplett fertig machen
Tagung, die – eine Versammlung von Experten, die mehrere Tage dauert
Rat, der – hier: eine Gruppe von Personen, die bestimmte Probleme diskutiert und Entscheidungen trifft
einig – so, dass alle einer Meinung sind
sich durchsetzen – seine Ziele nach einem Streit oder Kampf erreichen
aus Sicht von jemanden – nach Meinung von jemandem
-rechtler – ein Experte auf einem bestimmten Gebiet der Rechtswissenschaft
Wiedervereinigung, die – hier: die Bildung eines Staates aus DDR und BRD 1990
dem Namen nach – auf den Namen bezogen; was den Namen betrifft
in vielerlei Hinsicht – viele verschiedene Punkte oder Themen betreffend
vorbildlich – so, dass etwas so gut ist, dass andere es auch machen wollen oder sollen