Eine Hundehütte für den Bundeskanzler
Der Kanzlerbungalow in Bonn war von 1964 bis 1999 Wohnsitz der deutschen Regierungschefs. Doch er traf nicht den Geschmack aller Bundeskanzler. Heute kann sich jeder selbst ein Bild von dem restaurierten Bau machen.
Von Anfang an gab es Menschen, denen die moderne Architektur des Kanzlerbungalows missfiel. Den Ex-Minister Norbert Blüm erinnerte er an eine Hundehütte, aber Ludwig Erhard, Helmut Schmidt und Helmut Kohl fühlten sich hier wohl. Der erste Bewohner, Ludwig Erhard, zog 1964 ein. Seine Botschaft "Bescheidenheit, Maß halten, sparen" zeigte sich auch in der Architektur des Bungalows: Er war schlicht und spartanisch eingerichtet.
Andere Regierungschefs waren dagegen weniger begeistert. Kurt-Georg Kiesinger, Erhards Nachfolger, fand den Bau zu klein und zu wenig repräsentativ. Willy Brandt wollte dort gar nicht einziehen, erzählt Hans-Walter Hütter, Präsident der Stiftung "Haus der Geschichte". Er blieb in der Villa, in der er schon als Außenminister gewohnt hatte.
Helmut Kohl dagegen bewohnte den nüchternen Bungalow viele Jahre lang und machte es sich mit altmodischen Sesseln und schweren Lampen gemütlich – ganz nach seinem Geschmack. Obwohl Kohl seinen Wohnsitz als "eher absurdes Bauwerk" bezeichnete, wollte er noch nicht einmal ausziehen, als er 1998 schon abgewählt war.
Gerhard Schröder musste sich die Frage "Einzug oder Auszug?" nicht mehr stellen, denn schon 1999 zog die Regierung in die neue Hauptstadt Berlin um. Der Kanzlerbungalow am Rhein bleibt ein Symbol der Bonner Republik. Nach zweijährigen Restaurierungsarbeiten kann nun jeder sehen, wie die Bundeskanzler lebten. Das Haus soll in Zukunft für Konzerte, Lesungen und Ausstellungen genutzt werden.
Glossar
Hundehütte, die – ein kleines Haus im Garten, in dem Hunde schlafen
Bungalow, der – ein Haus mit nur einer Etage
Wohnsitz, der – die Wohnung
etwas trifft den Geschmack von jemandem – etwas gefällt jemandem
sich ein Bild von etwas machen – sich eine Meinung zu etwas bilden
etwas restaurieren – ein Haus gründlich reparieren
etwas missfällt jemandem – etwas gefällt jemandem nicht
Bescheidenheit, die – die Tatsache, dass jemand mit sehr wenig zufrieden ist
Maß halten – nicht übertreiben
schlicht – einfach
spartanisch eingerichtet – mit wenigen Möbeln
begeistert – so, dass man etwas toll findet
Nachfolger, der – jemand, der ein Amt von jemand anderem übernimmt
repräsentativ – so, dass man etwas gut vorzeigen kann
Villa, die – ein sehr großes Haus
nüchtern – hier: → schlicht, einfach
altmodisch – nicht sehr modern
etwas ist nach dem Geschmack von jemandem – etwas gefällt jemandem
absurd – eigenartig; komisch