Jedes Jahr wird besonders im Rheinland der Karneval gefeiert. Dabei geht es nicht immer nur um Party, Kostüme und Alkohol: Der Karneval wird auch oft genutzt, um Kritik an der Politik zu üben.
Ob Angela Merkel, der Papst oder die Europäische Union: An Karneval wird alles durch den Kakao gezogen, was Rang und Namen hat. Jedes Jahr am Rosenmontag ziehen die Motivwagen durch die Straßen und werden von Tausenden von Menschen bejubelt. Auf den Wagen kann man oft handgemachte Figuren sehen, die Politiker in komischen Situationen zeigen.
Schon vor 200 Jahren machten sich Karnevalisten über die Mächtigen lustig. Das hat sich auch heute nicht geändert. So zeigte eine Figur im Jahr 2003, wie Angela Merkel mit einer US-amerikanischen Fahne in der Hand aus dem Hintern von Uncle Sam herausschaut. Sigrid Krebs vom Festkomitee Kölner Karneval betont aber: „Wir wollen nur humorvoll Kritik üben, aber auf keinen Fall persönlich verletzen.“
Auf der so genannten „Stunksitzung“ in Köln geht es allerdings besonders respektlos zu. Sie wird seit 1983 von Kabarettisten organisiert, die kein Blatt vor den Mund nehmen möchten. Das Wort „Stunk“ kommt vom Begriff „Gestank“ und soll den besonders streitlustigen Charakter der Veranstaltung zeigen. „Wir prügeln auf alle ein“, sagt Winnie Rau, einer der Verantwortlichen.
Besonders bei den Themen Religion und Kirche hört für manche der Spaß jedoch auf: Nach Kritik an der katholischen Kirche wurden die Karnevalisten vor einigen Jahren angezeigt. Winnie Rau erzählt: „Es gab früh morgens Hausdurchsuchungen der Polizei und ein Verfahren gegen den Regisseur“, so Rau. Das Gericht entschied, dass die Karnevalisten das Recht haben, ihre „künstlerische Freiheit“ auszuleben. Dem Publikum jedenfalls gefallen die „Stunksitzungen“ sehr: Alle Vorstellungen sind lange vorher ausverkauft.
Glossar
Rheinland (n., nur Singular) – die Region am Rhein im Westen Deutschlands
an jemandem/etwas Kritik üben – jemanden/etwas kritisieren
jemanden/etwas durch den Kakao ziehen – Witze über jemanden machen
Rang und Namen haben – in der Öffentlichkeit sehr bekannt sein
Rosenmontag, -e (n.) – der Höhepunkt des rheinischen Karnevals am Montag
jemanden/etwas bejubeln – jemandem laut seine Unterstützung zeigen; begeistert sein
sich über jemanden/etwas lustig machen – Witze über jemanden machen
Hintern, - (n.) – umgangssprachlich: der Körperteil, auf dem man sitzt; der Po
Uncle Sam – eine Figur, die die USA symbolisieren soll
Zug, Züge (n.) – hier: der Karnevalszug bestehend aus vielen Motivwagen
es geht … zu – es ist …; man ist …
kein Blatt vor den Mund nehmen – seine Meinung ganz offen sagen
Gestank (m., nur Singular) – sehr schlechter Geruch
streitlustig – so, dass man keine Angst vor Streit hat; provozierend
auf jemanden einprügeln – hier: jemanden stark kritisieren, ohne Rücksicht zu nehmen
jemanden anzeigen – hier: die Polizei über eine Straftat informieren
Hausdurchsuchung, -en (f.) – eine Aktion, bei der die Polizei die Wohnungen von Verdächtigen durchsucht, um Beweise für kriminelle Handlungen zu finden
Verfahren, - (n.) – hier: ein Prozess vor einem Gericht
etwas ausleben – etwas so machen, wie man es möchte
etwas ist ausverkauft – hier: es gibt keine Karten mehr für eine Veranstaltung