Die Deutschen leiden vor allem an Rückenschmerzen, in anderen Ländern sind es eher Leberkrankheiten oder Erschöpfungszustände. Gibt es wirklich nationalspezifische Krankheiten?
Die Statistik sagt: Jeder dritte Deutsche hat Probleme mit seinem Rücken. Haben deutsche Menschen also eine schlechte Haltung? "Viele Krankheiten haben zwar genetische Ursachen", sagt Markus Nöthen, Leiter des Instituts für Humangenetik der Universität Bonn. "Aber eigentlich gibt es nationale Krankheiten nicht."
Jedoch gibt es Volkskrankheiten, die in bestimmten Ländern häufiger sind als in anderen Ländern, sagt Nöthen. So ist in Europa die Herzinfarkt-Rate deutlich höher als in Asien oder Afrika. Laut Nöthen ist das ganz klar eine Frage der Umgebung und vor allem der Ernährung.
Es gibt aber auch Krankheiten, die im Erbgut eines Volkes vorkommen. So hat sich zum Beispiel die finnische Bevölkerung aus einer ziemlich kleinen Zahl von Personen entwickelt. Diese Personen besaßen bestimmte genetische Eigenschaften und gaben diese dann an ihre Nachkommen weiter.
Manchmal haben Krankheiten aber auch einfach eine 'nationale Tradition'. Der Medizinhistoriker Norbert Kohnen meint: "Wenn in Deutschland ein Kind über Bauchschmerzen klagt, dann sagt die Mutter 'du hast dir den Magen verdorben.' Die französische Mutter vermutet dagegen eher eine Lebererkrankung, und die türkische Mutter sagt 'dein Körper ist geschwächt.' " So entwickeln Kinder je nach Land eine andere Einstellung zu bestimmten Krankheiten. In dieser Hinsicht gibt es sie also doch, die Volkskrankheiten.
Glossar
Volkskrankheit, die – eine Krankheit, die viele Menschen eines Landes haben
Erschöpfungszustand, der – wenn man sich sehr müde und schwach fühlt
nationalspezifisch – typisch für ein Land
Statistik, die – eine Liste von Zahlen, die zeigt, wie häufig bestimmte Dinge vorkommen
Haltung, die – hier: die Art, wie man sitzt oder steht
genetisch – so, dass es mit dem Erbgut zu tun hat
Institut, das – ein Ort, an dem Wissenschaftler forschen und lehren
Humangenetik, die – ein wissenschaftliches Gebiet; die Lehre vom Erbgut des Menschen
Herzinfarkt, der – eine schwere und plötzliche Krankheit, bei der das Herz nicht mehr richtig schlägt
Rate, die – hier: die Anzahl; wie oft etwas vorkommt
das ist eine Frage der Ernährung (Genitiv) – das hat mit der Ernährung zu tun
Erbgut, das – die Gene; die Eigenschaften, die ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze geerbt hat
Nachkomme, der (Neutrum) – das Kind und Kindeskind eines Menschen
Medizinhistoriker/in, der/die – ein/e Wissenschaftler/in, der/die sich mit der Geschichte der Medizin beschäftigt
sich den Magen verderben – Bauchschmerzen durch schlechtes oder falsches Essen bekommen
geschwächt sein – schwach sein
Einstellung, die – die Meinung, die Ansicht
in dieser Hinsicht – was eine bestimmte Sache angeht/betrifft