Nach den nächsten Wahlen werden die USA möglicherweise eine Präsidentin haben. In den Medien wird darüber diskutiert, ob für eine Frau im Wahlkampf die gleichen Regeln gelten wie für Männer. Die Antwort lautet: Nein.
Männliche Präsidentschaftskandidaten können bei der Wahl der Kleidung nicht viel falsch machen, schließlich tragen sie meist Anzüge und fallen höchstens mit ihrer Krawatte auf. Im Notfall helfen Berater oder Ehefrauen. Wenn sich die Herren leger zeigen wollen, ziehen sie Jeans und kurzärmeliges Hemd an. Anders die Frauen: Wenn sie sich bequem anziehen, gelten sie als schlampig. Ziehen sie sich zu feminin an, gelten sie auch als schlampig – in einem anderen Sinn. Also heißt es für Frauen, die Präsidentin werden wollen: die Weiblichkeit vergessen und anziehen wie ein Mann.
Wenn eine Politikerin Gefühle zeigt, kompromissbereit und verständnisvoll handelt, gilt sie als zu weich und daher unfähig für den Job. Handelt sie dagegen wie ein Mann, gilt sie als kompetent, aber berechnend, zickig und kalt. Gleichzeitig sympathisch und kompetent zu sein, ist für männliche Politiker kein Problem. Für Politikerinnen ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Hillary Clinton gilt als durchaus kompetent, aber berechnend und gefühllos.
Anders als im traditionellen Wahlkampf stellen sich plötzlich ganz neue Fragen, wenn eine Frau mit dabei ist: Wie hart darf sie angegangen werden, ohne dass es unfair aussieht? Wie viel muss eine Frau einstecken können? Oder darf es keinen Unterschied machen, ob der Gegner ein Mann oder eine Frau ist? Die Situation bleibt also schwierig - und die Diskussion zeigt vor allem eins: Die Bewerbung einer Frau um das höchste Amt der USA, ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts alles andere als normal.
GLOSSAR
Präsidentschaftskandidat, der – jemand, der zum Präsident eines Landes gewählt werden will
leger – locker; natürlich; lässig
kurzärmelig – mit kurzen Ärmeln (Hemd oder T-Shirt)
schlampig – 1. unordentlich; 2. sexuell freizügig (bei Frauen)
feminin – weiblich; figurbetont
kompromissbereit – bereit, in einem Streit die Forderungen des Gegners teilweise zu akzeptieren
kompetent – fähig; professionell
berechnend – rücksichtslos; nur die eigenen Interessen verfolgend
zickig – launisch und unfreundlich (bei Frauen)
kalt – hier: gefühllos
sympathisch – nett
ein Ding der Unmöglichkeit – (Redewendung) nicht möglich
Wahlkampf, der – der Zeitraum vor einer Wahl, in der die Kandidaten und Parteien für sich werben und gegeneinander kämpfen
jemanden angehen – jemanden mit Worten angreifen
unfair – ungerecht
etwas einstecken – hier: etwas erdulden