Polen und die Ukraine sind Gastgeber der EM 2012. Doch in der Ukraine werden Menschenrechte massiv verletzt. Das ist nichts Neues: 1978 war die argentinische Diktatur Gastgeber der Fußball-WM.
Als Juntachef Jorge Rafael Videla am 1. Juni 1978 in Buenos Aires die Weltmeisterschaft eröffnete, sprach er von einem Tag des Friedens und der Freiheit. Tausende Zuschauer hielten Fähnchen, auf denen stand: „Wir sind rechtschaffen und menschlich.“ Doch diese teure Show verschleierte eine grausame Diktatur: Unter der Herrschaft von Videla starben über 30.000 Menschen.
Schon 1977 hatte Amnesty International über die Verbrechen in Argentinien berichtet. Unter dem Motto „Fußball ja – Folter nein“ forderten die Menschenrechtler den damaligen Titelverteidiger Deutschland auf, sich für politische Gefangene einzusetzen. Doch die Mehrheit der deutschen Elf und des Deutschen Fußballbundes fühlte sich nicht verantwortlich. Ihre Begründung: Sport ist Sport, Politik ist Politik.
Der deutsche Spieler Berti Vogts sprach 1978 von Argentinien als "Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen", sagte er. Der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger sorgte schließlich für einen Skandal: Er traf sich in Argentinien mit einem deutschen Nationalsozialisten, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Südamerika Militärdiktaturen beriet.
Humberto Ball, Überlebender eines der Foltergefängnisse in Argentinien, sagt: „Die Fußball-Weltmeisterschaft 1978 wurde von den argentinischen Militärs instrumentalisiert, wie schon die Olympischen Spiele 1936 von den Nazis.“ Und für das argentinische Team wurde ein Traum wahr: Weltmeisterim eigenen Land. Heute ist klar, dass der 6:0-Sieg Argentiniens gegen Peru in der zweiten Finalrunde gekauft war.
Auch der argentinische Autor Eduardo Sacheri meint: „Mehr Kritik durch die ausländischen Fußballverbände hätte den Druck auf das Regime erhöht und etwas bewirken können.“Bei der aktuellen Diskussion um den EM-Gastgeber Ukraine stellt sich nun wieder die Frage nach der gesellschaftlichen Rolle der Sportverbände.
Glossar
Folter, die – das Verursachen von starken Schmerzen bei Gefangenen
EM, die – hier Abkürzung für: die Fußball-Europameisterschaft; der alle zwei Jahre stattfindende Fußball-Wettkampf zwischen europäischen Ländern
Gastgeber/-in, der/die – jemand, der eine Feier organisiert; hier: das Land, das einen internationalen Sport-Wettkampf organisiert
massiv – sehr stark; sehr viel; enorm
Diktatur, die – eine Form der Herrschaft, bei der nur eine Person oder Gruppe die unbegrenzte Macht hat (Adjektiv: diktatorisch)
WM, die –hier Abkürzung für:die Fußball-Weltmeisterschaft; der alle vier Jahre stattfindende Fußball-Wettkampf zwischen vielen Ländern der Welt
Junta, die (aus dem Spanischen) – die Herrschaft des Militärs
rechtschaffen – ehrlich; anständig; gerecht
etwas verschleiern – etwas verstecken; etwas anders darstellen, als es ist
Menschenrechtler/in, der/die – jemand, der sich für die Menschenrechte →einsetzt
Titelverteidiger, der – hier: die Siegermannschaft der letzten Weltmeisterschaft
sich für etwas oder jemanden einsetzen – für eine Sache oder eine Person kämpfen
deutsche Elf, die – die deutsche Nationalmannschaft
Deutscher Fußballbund, der – der →Verband deutscher Fußballvereine, Abkürzung: DFB
Nationalsozialist/in, der/die – das Mitglied der nationalsozialistischen Partei während der Diktatur Hitlers in Deutschland von 1933 bis 1945, Abkürzung:Nazi
etwas instrumentalisieren – etwas so benutzen, dass es den eigenen Zwecken dient
Verband, der – hier: die Organisation; der Verein
etwas bewirken – etwas erreichen; etwas schaffen; eine Wirkung habe