Am 21. Oktober 1944 nimmt die Rote Armee das ostpreußische Gestüt Trakehnen ein, die weltweit berühmte Pferdezucht. Nur wenige Tiere überleben eine strapaziöse "Flucht in den Westen".
Tiere können treue und teure Weggefährten des Menschen sein. Wer meint, das überlegen belächeln zu dürfen, der nehme sich einmal die Erzählung "Herr und Hund" des doch sonst so ernsthaften Thomas Mann vor oder sehe sich die Fotos des ehrwürdig vergreisten Hermann Hesse an, wie er mit seinem Kater Porphy glücklich und versunken auf dem Fußboden herumkriecht. Manch einer hat sich von seinem vierbeinigen Hausgenossen auch nach dessen Ableben nicht trennen können und ihn sich ausgestopft neben sein Sofa gestellt - so unverbrüchlich war die Liebe. Sogar Bildhauer sind schon damit beauftragt worden, ganz außergewöhnliche Exemplare ihrer Gattung für die Nachwelt zu bewahren.
Zuchthengste auf der Schulbank
So vollendete der Berliner Bildhauer Reinhold Kübart 1932 das überlebensgroße Standbild des berühmtesten Deckhengstes der ostpreußischen Pferdezucht Trakehnen. Er hieß "Tempelhüter", und sein bronzenes Abbild stand fortan als Wahrzeichen auf dem Gestüt Trakehnen.
Ostpreussen war jedoch nicht immer schon mit edlen Pferden gesegnet gewesen, sondern es hatte hier - wie andernorts auch - in erster Linie Ackergäule und Schindmähren gegeben. Oder auch kräftige Streitrösser, die einen Ritter in voller Rüstung samt Schwert, Lanze und Morgenstern ins Feld zu tragen hatten.
Erst Preußens König Friedrich Wilhelm I. entscheidet sich 1732, die Pferdezucht besser zu organisieren. Er gründet das staatliche Stutamt "Trakehnen".
Im 19. Jahrhundert wird die Trakehnerrasse dann konsequent veredelt: Nur noch wenige Hengste und Stuten dürfen sich im Dienste der Zucht vergnügen, und zu ihrem Erbgut kommt das frisches Blut von Arabern und englischen Vollblütern. Einer der Nachkommen eines für 20.000 Goldmark in England erworbenen Zuchthengstes war dann eben jener "Tempelhüter".
Seit 1926 müssen die Zuchthengste sogar sozusagen die Schulbank drücken. Eine Hengstprüfungsanstalt examiniert sie nämlich in puncto Leistungsfähigkeit, Temperament und Charakter; und bevor sie die besten Stuten des Gutes beglücken dürfen, müssen die Pferdejünglinge nach einem Jahr Training auch noch eine Abschlussprüfung ablegen.
So wuchs in Ostpreußen eine in der Welt einmalige Pferderasse heran, und die legendären Trakehner wurden vor dem zweiten Weltkrieg als die erfolgreichsten Sport- und Jagdpferde gehandelt. Kein Wunder, dass es bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin Medaillen in Gold und Silber regnete.
Rindvieh-Kolchose
Aber auch die besten Zeiten haben ihr Ende. Im Oktober 1944 rückt die Rote Armee heran und nimmt am 21. auch den Ort Trakehnen ein. Die kostbaren Bestände rechtzeitig zu evakuieren, hatten die halsstarrig an den Endsieg glaubenden Nazis verboten. Also trieb man erst in letzter Minute innerhalb von drei Stunden wenigstens einen Teil der wertvollsten Tiere zusammen und schloss sich bei minus 20 Grad den Flüchtlingstrecks gen Westen an. Von den gut 25.000 registrierten Trakehnern Ostpreußens überlebten aber nur 900 die strapaziöse Reise in den Westen. Mühsam gelang es, die jahrhundertealte Tradition wieder aufzunehmen, so dass es heute wieder einen sicheren Bestand an Trakehnern gibt.