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Die jungen USA hatten mehr fruchtbare Anbaufläche als Arbeitskräfte, um die Ernte einzubringen. Am 21. Juni 1834 ließ sich Cyrus McCormick eine epochale Erfindung patentieren: den "Virginia Reaper", eine Erntemaschine.
Amerika. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist Anfang des 19. Jahrhunderts für Farmer das Land der unbegrenzten Anbauflächen. Weizen im Überfluss - ein Traum von Wohlstand. Es gibt nur ein Problem. Wer soll das alles ernten? Sommer für Sommer schleppen sich Kolonnen von Männern mit Sensen über die Felder, gefolgt von Frauen und Kindern, die die Ähren sammeln und bündeln. Ein langsamer, mühevoller Prozess, der Personal kostet und damit viel Geld - sofern man keine Sklaven hat.
Revolution in der Schublade
In der Schreibtischschublade von Robert McCormick, einem Farmer in Virginia an der Ostküste, liegt seit 1815 der Entwurf einer Maschine, die das Ernten leichter machen soll. Die Idee ist simpel: Ein von Pferden gezogener Schneideapparat mäht das Korn und wirft es auf eine Plattform, von der es aufgesammelt und gebunden wird. Ein Gerät spart fünf Arbeitskräfte. Doch die Pläne nehmen keinerlei Gestalt an.
Erst 1831 fallen sie seinem 22-jährigen Sohn Cyrus in die Hände. Der beweist Ingenieurstalent. Innerhalb von sechs Wochen entwickelt er die Pläne weiter und baut einen Prototypen. Weitere drei Jahre später ist seine Erntemaschine, der "Virginia Reaper", soweit ausgereift, dass er sie zum Patent anmeldet. Am 21. Juni 1834 hat er es in der Tasche.
Doch nicht als einziger. Ein anderer Erfinder hat ebenfalls eine Erntehilfe patentieren lassen. Beide haben bis dahin nichts voneinander gewusst. Obed Husseys Gerät ist dem von McCormick sogar überlegen. Doch davon lässt sich McCormick nicht beeindrucken. In ihm erwacht der Geschäftsmann.
Zahllose Getreidefelder umgewälzt
Er verbessert die Konstruktion und untersagt seinem Konkurrenten, für dessen Maschine zu werben. Das ist der erste Schlag in dem Krieg, der als "The Great Reaper War" in die Geschichte eingehen wird, der "große Mäherkrieg". Zwischen den beiden Kontrahenten entbrennt ein Wettrüsten. Zwar stecken beide immer wieder Rückschläge ein, doch langsam aber sicher gewinnt McCormick die Oberhand - nicht nur gegen seinen Hauptrivalen, sondern auch gegen weitere Hersteller. Die Verkaufszahlen steigen rapide, er baut eine Fabrik mit modernster Ausrüstung, bietet seinen Kunden attraktive Finanzierungsmöglichkeiten und prompte Lieferung von Ersatzteilen. 1858 schließlich gibt Obed Hussey das Rennen auf und verkauft seinen Betrieb.
Der Virginia Reaper fräst sich unterdessen seinen Weg gen Westen. Ein episches Gemälde mit Heldenfiguren prangt auf Plakaten mit der Aufschrift: "Westwärts nimmt der Gang des Imperiums seinen Lauf - mit McCormick-Mähern im Gepäck".
Der Virginia Reaper hat in wenigen Jahren nicht nur zahllose Getreidefelder umgewälzt. Er hat die Landwirtschaft revolutioniert, aus dem handarbeitenden Bauern einen Techniker gemacht. Und Arbeitskräfte gespart. Zu jeder anderen Zeit wäre das nicht unbedingt eine gute Nachricht gewesen. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts mag es für Hunderttausende, zu unbezahlter Fron gezwungene Arbeitskräfte der erste Schritt zur Befreiung gewesen sein. Denn plötzlich bot sich für die Grundbesitzer die Möglichkeit, auch ohne ein Heer von Sklaven auszukommen. Wer weiß, vielleicht hat der Reaper so auch seinen Teil zur Sklavenbefreiung beigetragen, die 1865 im Gesetz verankert wurde.
