Er war ein Visionär aus der zweiten Reihe: Emanuel Herrmann, österreichischer Professor für Volkswirtschaft, geboren am 24. Juni 1839. Er erfand die Postkarte, die von Wien aus ihren Siegeszug um die Welt antrat.
"Sie haben Post!": Lebenszeichen, Liebesschwüre und lustige Grüße aus Lanzarote - und das alles auf rund zehn mal 14 Zentimetern. Anlässe für kurze Mitteilungen gibt es schließlich genug. Und weil so eine Postkarte prinzipiell jeder lesen kann, schreiben besonders gewitzte Schlaumeier gleich noch "Schöne Grüße an den Briefträger!" mit dazu. Denn der liest ja sowieso mit, oder?
Die mangelnde Vertraulichkeit war übrigens der Grund, warum die Postkarte es am Anfang ziemlich schwer hatte: Die Preußische Postverwaltung fand die Idee, offene Karten ohne Umschlag zu verschicken, zunächst nämlich ziemlich anstößig: Ein privates Schriftstück ohne schützendes Kuvert galt als schamlos. In Österreich hingegen sah man es in punkto Indiskretion offenbar nicht ganz so eng. Auf Anraten von Nationalökonom Emanuel Herrmann wurde die neue Sendungsart 1869 eingeführt: eine Premiere.
Zunächst bildlose Postkarte
Als knallharter Wirtschaftswissenschaftler hatte der Professor statt sittlicher Bedenken einfach den Gesichtspunkt "Marktlücke" in den Vordergrund gestellt. Für die sogenannte "Correspondenz-Karte" galt dann auch: reduziertes Porto bei einer Obergrenze von 20 Worten. Und weil die Karte mit dem eingedruckten Postwertzeichen dem Preis der Briefmarke entspricht, die Karte an sich also gratis ist, ist das Schnäppchen perfekt. Eine Seite für die Adresse, die andere Seite für die private Mitteilung - die zunächst bildlose Postkarte tritt von Wien aus ihren Siegeszug um die Welt an. Und die transnationale Freude an der ebenso preiswerten wie unkomplizierten Kurzmitteilung ohne umständliche Anrede und ellenlange Grußformel macht aus Emanuel Herrmann einen bekannten Mann: Seinen Grabstein wird der ehrenvolle Zusatz zieren: "Erfinder der Postkarte". Geboren wurde der Visionär in Sachen Postgeheimnis am 24. Juni 1839.
Bunt illustriert, mutiert die Postkarte mit der Jahrhundertwende zur Ansichtskarte. Die farbige Laufbahn hat freilich zur Folge, dass der Platz zum Schreiben immer kleiner wird. Vorne die Adresse, hinten das Bild - der Gruß von unterwegs muss also wirklich knapp ausfallen.
Abgestempelt
Nach einem rekordverdächtigen Höhenflug geht es mit dem vielseitigen Schriftstück nach der Jahrtausendwende dann postwendend bergab: Die gute alte Postkarte ist abgestempelt. Lange vorbei sind die quasi monopolistischen Zeiten, in denen sie das Universalkorrespondenzmittel der Handwerksburschen auf Wanderschaft und der Soldaten im Felde war. Selbst sonnensatte Urlauber greifen inzwischen immer seltener zum Kugelschreiber und immer häufiger zum Handy: Der Standardbericht über Wasser, Wetter und Windverhältnisse kommt als Kurznachricht per SMS - samt aussagekräftigem Schnappschuss. Wer heutzutage noch Papier beschreibt, gilt schnell als abgeschrieben.
Und doch existiert ganz versteckt eine Nische, die verzeichnet auch heute noch diskreten Zulauf. Um eine Geschäftsreise vorzugaukeln, bieten aussagekräftige Dienste professionelle Unterstützung für ebenso professionelle Fremdgeher: Ein vertraulicher Service verschickt vorbereitete Postkarten aus aller Welt an misstrauisch zurückgebliebene Partner. Was wohl der Briefträger davon hält? Das ist Ansichtssache.