"Ach" und "Aber" und "Alsbald" und "Alldieweil" – allein allerhand mit "A" hat da das Deutsche aufzuweisen an Wörtern. Dann mal erst im Sammeln bis zum "Z" kommen. Die Brüder Grimm versuchen es. Autorin: Brigitte Kohn
Grimms Märchen? Kennt jeder. Kein anderes deutsches Buch, außer der Lutherbibel, hat ganze Generationen so tief geprägt und ist weltweit so verbreitet. Doch Jacob und Wilhelm Grimm haben noch weit mehr geleistet. Mit ihren bahnbrechenden Arbeiten zu deutscher Grammatik und Sprachgeschichte, zur Mythen- und Sagenforschung sind sie als Begründer der Germanistik in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen.
Brüder halt
Ihre brüderliche Lebens- und Arbeitsgemeinschaft währte lebenslang. Keiner mochte ohne den anderen sein, obwohl oder weil sie durchaus unterschiedlich waren. Jacob, geboren 1785, vertiefte sich am liebsten in Fragen der Grammatik und hasste jede Oberflächlichkeit. Wilhelm, ein Jahr jünger, war kränklich und verträumt und zog die Arbeit an Märchen und Mythen vor."Jacob lässt an drei Büchern gleichzeitig drucken! Das wäre mir des Guten zu viel!", stellte er fest. Er ließ es gern etwas langsamer angehen. Schließlich hatte er ja auch Familie, drei lebhafte Kinder und eine tüchtige Frau namens Dorothea.
Halt Brüder… zwei…
Dorothea wusste von Anfang an, dass sie mit zwei Männern leben würde. Sie hielt beiden Brüdern den Rücken frei, liebte beide auf je eigene Art, und auch die Kinder hingen an ihrem onkel Jacob fast so sehr wie an ihrem Vater Wilhelm. Doch als die Brüder Grimm sich im Jahre 1838 noch einmal an ein großes Gemeinschaftsprojekt wagten, das mehrbändige Deutsche Wörterbuch nämlich, da drohte die harmonische Häuslichkeit doch allzu sehr vom Arbeitsrausch verschattet zu werden. "Heraus müssen die Männer, sonst verschimmeln sie ganz! Das Ackern geht vom Morgen bis in die Nacht, es ist mir oft ganz angst dabei", seufzte Dorothea.
Die Brüder Grimm hatten sich vorgenommen, deutsche Wörter zu sammeln, von A bis Z, ihre Herkunft und Geschichte zu erkunden und durch Dichterzitate zu belegen. A wie Ach oder Arsch, wer hat das wo und wie verwendet? Befreundete Wissenschaftler, Dichter und Gymnasiallehrer schickten Zettel mit Hinweisen ein.
"Ach der Wonne, vor Gott gelebt zu haben!", so stehts bei Klopstock. "Ares wird der Kriegesgott genannt, Ars heißt die Kunst und Arsch ist auch bekannt", so dichtet Goethe. Von Wörtern und Zetteln regelrecht eingeschneit, wollten die Brüder Grimm vor allem eines zeigen: Sprache ist etwas höchst Lebendiges. Die Liebe zu ihr scheut keine Mühen und sprengt alle Zeitpläne.