Tief ironisch versuchte Ludwig Tieck mit seinem "gestiefelten Kater" "vernünftige Illusionen" zu liefern. Für das Uraufführungspublikum war Tiecks Ironie zu wild. Autorin: Brigitte Kohn
Der Mensch an sich hält viel von sich, besonders von seinen Geistesgaben, und dünkt sich den Tieren weit überlegen. Märchen allerdings schlagen da einen anderen Ton an. Im Märchen ist oft der Dummling der Gewinner. Derjenige, auf den alle herabblicken und der selbst auch nichts von sich hält, aber gutherzig ist und tierlieb, bekommt zum Schluss eine Prinzessin und ein Königreich. Und es sind oft Tiere, die ihn unterstützen. So eine Helferfigur ist auch der gestiefelte Kater, den man bereits in einer französischen Märchensammlung des 17. Jahrhunderts finden kann.
Der Kater und der Zeitgeist
Jahre vor den Gebrüdern Grimm hat der Dichter Ludwig Tieck dort von ihm gelesen und ihn zum Titelhelden einer 1797 erschienenen Märchenkomödie gemacht. Wie alle Dichter der Romantik liebte Tieck das Märchenhafte, das Phantastische, die Ironie – nur leider, das bürgerliche, vom Rationalismus der Aufklärung geprägte Theaterpublikum jener Tage setzte andere Schwerpunkte. Man zahlte Eintritt und erwartete Stücke, die dem eigenen idealisierten Selbstbild schmeichelten: eingängig und eindeutig, rührend und erhebend, mit ein paar Frivolitäten und ganz viel moralischer Läuterung. Aber keine Kinderpossen, bitte!
Tieck kannte diesen Erwartungshorizont und baute ihn in das Stück mit ein. Er brachte ein fiktives Publikum auf die Bühne, das die Märchenhandlung verfolgt, ständig verständnislose Kommentare abfeuert und die Märchendarsteller völlig durcheinanderbringt. Das Stück ist ein Stück im Stück, nimmt den Zeitgeist aufs Korn und ist auch wegen der komplizierten Rahmenhandlung nicht gerade einfach aufzuführen. Und es wurde auch nicht aufgeführt. Jahrzehntelang nicht.
Ein Reinfall
Erst am 20. April 1844, fast ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung, versuchte man es doch einmal. Und was bekam das Publikum der Berliner Uraufführung zu sehen? Einen Kater, der beim Gesang der Nachtigallen erhabene Gefühle entwickelt und gleichzeitig vom Jagdtrieb gebeutelt wird.
Einen Kater, der einen nicht weniger verfressenen König mit Kaninchenbraten um den Finger wickelt. Und einen Müllersohn, der eine Prinzessin bekommt, die ständig schlechte Gedichte über den Mondschein schreibt.
Tiecks Komödie bietet keine naiven, sondern ironisch gebrochene Märchenfiguren. Wenn man eine Lehre aus ihnen ziehen will, dann die: Statt an seinem hehren Selbstbild zu basteln, das mit der Realität nichts zu tun hat, sollte der Mensch lieber mal lernen, über sich zu lachen. Gründe dafür gibt’s mehr als genug.