Wie verdrehte sie manchem Dichter den Kopf – um dann katholisch zu werden und nur noch einem Herrn zu dienen. Der Welt hat Luise Hensel Beschauliches hinterlassen: "Müde bin ich, geh zur Ruh“… Autorin: Henrike Leonhard
Früher hat ein Liebender ja gern seine Liebesworte in Lindenrinden geschnitten - was heute freilich als Baumfrevel gilt. Geeigneter zur Nachahmung ist eine Schriftart der Biedermeierzeit: da haben die Bräute den Namenszug ihres Künftigen mit Blumensamen ins Gartenbeet gesät...
Luise Hensel, die innige Dichterin der Romantik, hat als Kind ihre ersten eigenen Verse mit vielen Nadelstichen in einen noch unreifen Kürbis geritzt. Als der im elterlichen Pfarrgarten mondrund und leuchtend heranreifte, wurde die eintätowierte Botschaft
lesbar: "Zwar bin ich noch sehr junk und Wild / Doch lieb´ich die Natur: / Von ihrem seegen gans erfüllt, / Jeh ich auf grüner Flur. "
Und was sich reimt, ist gut
Luise Hensel war - wie zu hören - ein Kind der Mark Brandenburg. Am 30. März 1798 geboren, in Linum bei Fehrbellin, wo ihr Vater Landprediger war. Sein Tod riss die Zwölfjährige aus dem unbeschwerten "Jehen auf grüner Flur" und der spielerischen Fruchtstickerei. Die verarmte Familie zog nach Berlin. Luises Nadelfertigkeit und ihre bildnerische Begabung mussten nun nützlich sein: Ihre Stickereien, Scherenschnitte, Porträtsilhouetten trugen zum Familienunterhalt bei, bis der Bruder, Wilhelm Hensel, als Maler berühmt wurde. Der, verheiratet mit der komponierenden Fanny Mendelssohn, einer Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy, verkehrte nun in den ersten Berliner Häusern, auch in den schöngeistigen Salons der Stadt. Und bald betete "tout Berlin" seine anmutige, gemütvolle, kluge Schwester Luise an.
Luise in der Linde
Kaum ein Schöngeist, der ihr nicht zu Füßen lag, nicht diesen Namen in Lindenbäume schnitt: LUISE! Der Dichter Wilhelm Müller warb unter Vielen um sie, vergebens.
Machte sie zum Urbild seiner von Franz Schubert vertonten Liederzyklen von der "schönen Müllerin", die den armen Müllerburschen nicht erhört.
Die bezaubernde Luise mit ihren Vergissmeinnichtaugen! Statt in Blumen- oder Kresseschrift zeitgemäß einen Geliebten anzuhimmeln, ist ihr einziges Streben: der Gotteshimmel! Sie schrieb: "Du liebst mich, weil durch braunes Haar / sich schlingt der grüne Lebenskranz / Weil frisch und voll der Wangen Paar / Und leicht der Fug sich hebt im Tanz. / O, armer Jüngling! wisse, bald / ist all das hin, was du geliebt, / geknickt die blühende Gestalt, / Die jetzt den Zauber auf dich übt. / Denn eine Blume bin ich nur, / Und kurz ist alles Erdenblühn; / Drum suche ew´ger Schöne Spur ... "
Luise wurde katholisch, gelobte Ehelosigkeit, um nur dem einen Herren zu dienen. Voller Leidenschaft hat Clemens Brentano sie angebetet - und sie? Betete für sein Seelenheil. In diesen frühen Jahren entstanden ihre schönsten Gedichte. Auch das bekannteste: "Müde bin ich, geh´zur Ruh´, / Schließe beide Äuglein zu: / Vater laß die Augen dein / Über meinem Bette sein! " Luise Hensel hat dann - bis sie 1876 in Paderborn starb - ein Wanderleben zupackender Nächstenliebe geführt. Lebte da, wo sie gebraucht wurde, half Kranken, Waisen, Wöchnerinnen, ...
So gefragt war sie in der Welt, dass sie keine Zeit fand ins Kloster zu gehen. Als sie alt wurde und gebrechlich, hat sie Messgewänder bestickt, Pfarrgärten gepflegt, Blumen gesät für ihren Herrn...