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Die italienische Austauschstudentin Maria trifft vor dem Hörsaal auf Michael, der mit ihr die gleiche Vorlesung besucht. Sie kommen ins Gespräch und erörtern die Hörsaalnamen, welche alle etwas mit der Geschichte der Uni Augsburg zu tun haben. Als Michaels Freund, der Geschichtsstudent Till, hinzukommt, begeben sich die drei auf eine historische Reise in die Vergangenheit der Uni Augsburg.
Zusammenfassung:
Die italienische Austauschstudentin Maria trifft vor dem Hörsaal auf Michael, der mit ihr die gleiche Vorlesung besucht. Sie kommen ins Gespräch und erörtern die Hörsaalnamen, welche alle etwas mit
der Geschichte der Uni Augsburg zu tun haben. Als Michaels Freund, der Geschichtsstudent Till, hinzukommt, begeben sich die drei auf eine historische Reise in die Vergangenheit der Uni Augsburg.
Maria: Entschuldigung, weiß du wo die Vorlesung „Einführung in die Geschichtswissenschaften“ stattfindet? Hier gibt es vier Hörsäle, und ich will nicht zu spät kommen...
Michael: Ja, der Hörsaal heißt Bert Brecht und ich muss auch dorthin. Wir haben doch noch fünf Minuten Zeit!
Maria: Ah, danke! Die Namensgeber der anderen Hörsäle kenne ich nicht, aber über Bert Brecht habe ich schon was in Italien gelesen...
Michael: Naja, hier in Augsburg gibt es das Brecht-Haus, und jedes Jahr wird ihm zu Ehren auch ein interessantes Festival mit vielen Künstlern und guter Musik veranstaltet!
Maria: Oh, das habe ich nicht gewusst... Muss bestimmt schön sein!
Michael: Sicher! Augsburg hat so viel zu bieten! Manchmal wissen das die Deutschen selbst nicht... Wusstest du zum Beispiel, dass die Geschichte unserer Uni vor 40 Jahren anfängt?
Maria: Echt? Das ist ja interessant... Sollen wir aber vielleicht in die Vorlesung jetzt? Du kannst mir gern auch später darüber was erzählen!
Michael: Komm, lass uns hier in die letzte Reihe setzen. Ich muss dir unbedingt noch etwas
über die Uni erzählen. Weißt du, wie das ganze los ging? Das war vor mehr als 40 Jahren. Eine wichtige Figur ist hier Louis Perridon. Der hat in den 60er Jahren dem Bayerischen Landtag ein Konzept für eine wirtschaftlich und sozialwissenschaftlich ausgerichtete Hochschule in Augsburg vorgestellt.
Maria: Und was passierte?
Michael: Es kamen mehrere Aspekte zusammen, die die Gründung der Universität Augsburg begünstigten – das waren einerseits eine neue Hochschulpolitik infolge der Studentenproteste und eine beschlossene stärkere regionale Verankerung der Bildung. Andererseits wollte man durch eine Neugründung die überlaufenen Universitäten in München entlasten. So kam es, dass am 1. Januar 1970 die Universität Augsburg gegründet wurde. Kernbereiche der Lehre waren Wirtschaft, Jura, Sozialwissenschaften, Theologie und Pädagogik. Und jetzt rate mal, wer der erste Präsident der Uni war?
Maria: Keine Ahnung. Wer denn?
Michael: Eben dieser Louis Perridon. Ein niederländischer Jurist und
Wirtschaftswissenschaftler, der in Frankreich und Deutschland studierte, promovierte und habilitierte. Die ersten Jahre der Uni trugen seine Handschrift.
Maria: Und wie sah diese aus?
Michael: Er setzte auf ein innovatives didaktisches Konzept: Unterricht in Kleingruppen, eine intensive Betreuung der Studierenden und die Integration von Ökonomie und Sozialwissenschaften in Forschung und Lehre.
Maria: Das klingt echt spannend. Wie ging’s weiter?
Michael: In den 80er Jahren dann kam eine Naturwissenschaftliche Fakultät mit Mathe und Physik hinzu.
Maria: Es gibt auch die Tram-Haltestelle „Institut für Physik“, oder?
Michael: Ja, genau. 2009 wurde dann auch noch eine Fakultät für Angewandte Informatik gegründet. Ein aktuelles Projekt der Uni ist übrigens der Neubau eines Gebäudes für
den musikalischen Fachbereich.
Maria: Oh, man kann auch Musik studieren? Weißt du, ich wollte...
Michael: Hey Till! Na, wie geht´s? Setz dich doch!
Till: Es geht... und dir? Ah, ich bin so müde. Diese Vorlesung ist zu früh, sie sollten so was verbieten!
Michael: Ich erzähle gerade dem Mädchen neben mir von unserer Stadt und unserer Uni...
Hmm, wie heißt du eigentlich?
Maria: Ich heiße Maria und komme aus Italien. Und ihr?
Michael: Ich bin Michael und er ist Till. Also, Maria, wollen wir noch gemeinsam in die Mensa
was essen? Maria: Gerne, aber lasst uns lieber in die Cafete gehen! Ich vertrage das Essen der Mensa nicht...
Till: Komm, so schlimm ist es auch nicht! Maria: Hmm, was gibt es denn heute zu essen. Pasta?... Mama mia – ich muss sagen: Ich
liebe zwar das deutsche Bier, aber eines werden die Deutschen nie lernen: Wie man die Spaghetti richtig macht: al dente – nicht zu hart und nicht zu weich.
Till: Haha, da hast du recht, in der Hinsicht können wir natürlich nicht mit euch mithalten!
Aber hast du schon mal die Weißwürstel hier probiert – mmmmmh – die sind sooo unbeschreiblich – und dazu noch a Weißbier und a gscheide Brezn. Das ist Kultur für
mich!
Maria: Wow, das ist eine gute Idee. Die werde ich gleich mal probieren. Aber sag mal: Die
anderen Hörsäle sind doch auch nach bestimmten Persönlichkeiten benannt. Kennt ihr die? Zum Beispiel Hörsaal eins, der heißt Albertus Magnus-Hörsaal. Wer war das?
Michael: Da musst du Till fragen. Der ist schließlich hier der Geschichte-Student.
Till: Klar weiß ich das. Darüber habe ich neulich mit meinem Prof gesprochen. Er meinte folgendes:
Prof. Weber: Albertus Magnus war einer der größten Gelehrten des Mittelalters, also ein sogenannter Scholastiker, der nicht nur Wissen reproduziert hat, sondern auch kritische und fortführende Perspektiven innerhalb dieses scholastischen Wissens entwickelt hat. Er stammt aus dem Raum hier um Augsburg.
Maria: Wow, das ist ja interessant. Und was ist mit dem Hörsaal 2? Der heißt doch Hans Holbein-Hörsaal, oder?
Till: Genau, und damit sollte auf die ästhetisch-musische Dimension der Uni hingewiesen werden. Hans Holbein war nämlich ein berühmter Augsburger Künstler aus einer Augsburger Künsterfamilie von europäischer Bedeutung.
Michael: Ja, davon habe ich auch schon gehört. Maria und ich hatten uns zuvor schon über Bert Brecht unterhalten, weil wir ja im Brecht-Hörsaal unsere Vorlesung hatten. Hat denn dein Prof auch etwas über ihn gesagt?
Till: Ja, hat er. Ich denke, er schätzt Brecht sehr.
Prof. Weber: Bert Brecht ist ein Literat, Dramatiker und Schriftsteller, ein Fabrikantensohn, der aber von einer linken Perspektive aus zeitkritische Stücke geschrieben hat, insbesondere auch für das Theater eine ganz neue Form des Arbeitertheaters entwickelt hat und später nach Ostberlin ging, was ihm einige kontroverse Einschätzungen eingebracht hat. Mittlerweile sind Stadt und Universität mit diesem großen Sohn durchaus wieder versöhnt.
Maria: Und worauf bezieht sich dann die Bezeichnung des vierten Hörsaals, des Claus Graf von Stauffenberg-Hörsaals?
Prof. Weber: Das bezieht sich auf den bekannten Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 und die Bezeichnung soll zeigen, dass an dieser Universität nicht nur technisches, äußeres Verwertungswissen, sondern auch Orientierungswissen, Wertwissen, moralisches Wissen vermittelt wird.
Maria: Ah ja, ich hatte den Namen auch schon irgendwo mal gehört!
Michael Apropos schon mal gehört: Maria, hast du in der Vorlesung heute mitbekommen, welches Motto sich die Universität einmal gegeben hat, mir fällt es einfach nicht mehr ein... Till war zu diesem Zeitpunkt ja auch noch nicht da.
Till: Stimmt, aber dafür habe ich auch hier wieder geheime Background-Infos:
Prof. Weber: Als sich in den 80er Jahren abzeichnete, dass sich dieser kulturelle Schwerpunkt, der die Anfangsphase geprägt hat, durch Erweiterungen in Richtung Naturwissenschaft/
Technologie verlagern wird, ist die Universität darauf gekommen, sich ein entsprechendes Motto zu geben. Dieses Motto lautet:„scientia et conscientia“ – das heißt „Wissenschaft und Gewissen“ – , um zu zeigen, dass nicht nur technisches äußeres Wissen, sondern eben auch Orientierungswissen, Wertewissen an dieser Universität vermittelt wird.
Michael: Also ich finde das Motto toll. Und ich halte auch diese Kombination für sehr sinnvoll.
Wie äußert sich diese denn?
Till: Also seit den neunziger Jahren und insbesondere seit der Jahrtausendwende wurde der naturwissenschaftlich-technische Schwerpunkt der Uni ausgebaut, es wurde eine neue Informatik-Fakultät gegründet und das Physik-Department gehört heute zu den
modernsten Europas. Gleichzeitig wurde aber auch der kulturwissenschaftlichkulturelle Schwerpunkt erhalten und ausgebaut. Meines Erachtens erscheint eine derartige Ausrichtung ganz entscheidend für die Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung
eines modernen Europas.
Maria: Du sagst es. Hmm, aber wisst ihr, was mich von Beginn meines Erasmus-Jahres an interessiert hat? Das Verhältnis vom kleinen Augsburg zum großen München. Was wohl Professor Weber dazu meint?
Prof. Weber: Eine spezielle Herausforderung dieser Universität Augsburg hat von Anfang an dargestellt und stellt bis heute dar: die Nähe zu München. Wie profiliert man sich im Schatten einer derartigen Großstadt? Das ist, denke ich, von den Vertretern der Universität Augsburg tatsächlich sehr produktiv aufgefasst worden. Wir haben jetzt eine Kombination von überschaubarer Größe, relativ guten Betreuungsverhältnissen und eben diese Reformansätze in der Didaktik, die sich mit diesem modernen inhaltlichen Programm verbinden. Und inzwischen ist sogar eingetreten, was wir uns immer erhofft haben, nämlich dass Studierende von München, die hierherkommen, um die Bibliotheksbestände zu benutzen, weil sie dort in München nicht an die Bücher kommen, dass ein wachsender Teil dieser Studierenden, die am Wochendende hier die Bibliothek benutzen, entscheidet, auf Dauer hier zu bleiben und ihr Studium hier
aufzunehmen und abzuschließen.
Michael: Also ich bin mit unserer Bibliothek auch sehr zufrieden. Aber wisst ihr was? Die Weißwürstel sind ausgezuzelt, ich muss weiter zum nächsten Seminar. Lasst uns doch
nochmal was gemeinsam machen!
Maria: Gute Idee, dann können wir das nächste Mal über die Geschichte meiner Heimatuni in Verona weiterphilosophieren.
Michael, Till: Genau!