Noch bevor China genug Wohlstand erreichen konnte, hat sich das Land zu einer alternden Gesellschaft entwickelt. 2030 wird China rund 450 Millionen Senioren zählen. Dann werden 2,4 junge Erwerbstätige einen Rentner unterstützen müssen, während heute noch neun Arbeitskräfte für einen Pensionär aufkommen. Als Teil der Bemühungen, das Rentenproblem anzugreifen, hat die Regierung in einigen Städten ein neues Konzept ausprobiert. Sozialexperte Ma Guangyuan erklärt, um was es bei der sogenannten Immobilien-Rente geht:
„Die Immobilien-Rente kann man sich wie ein umgekehrtes Hypothekendarlehen vorstellen. Eine Versicherungsgesellschaft oder Bank ermittelt den Wert einer Immobilie. Diese wird ihr vom Eigentümer überschrieben, der daraufhin einen bestimmten monatlichen Geldbetrag erhält. Der Eigentümer kann weiterhin in der Immobilie leben, aber der Besitz geht in die Hände der Versicherung oder Bank über. In vielen Ländern wie in Japan oder den Vereinigten Staaten dient diese Methode bereits als Ergänzungsmöglichkeit zur Altersabsicherung"
Allerdings kann Privatbesitz in China nur für einen Zeitraum von 70 Jahren verpachtet werden. Derzeit schreiben die chinesischen Gesetze zum Eigentumsrecht zwar vor, dass der Besitz erbbaurechtlicher Immobilien automatisch verlängert werden kann. Sie besagen jedoch nicht eindeutig, wie viel die Verlängerung der Erbpachtnutzung kosten würde. Cai Yaozhong vom Anwaltsverband in Beijing erklärt, dass die Höhe der Kosten entscheidend für die Zukunft der Immobilien-Rente entscheidend sei:
„Ob sich dieses Rentensystem durchsetzten kann, hängt davon ab, ob man für die Verlängerung Gebühren zahlen muss, und wenn ja, in welcher Höhe, oder, ob keine zusätzlichen Gebühren anfallen. Wären die Gebühren relativ niedrig, dann wäre der Wert der Immobilie bis sie 70 Jahre alt ist hoch genug, um eine große Hilfe für die Altersvorsorge des Eigentümers darzustellen."
Das sind nicht die einzigen Hindernisse: Da das Konzept eine Ergänzungsleistung darstellt, ist nicht jeder Immobilienbesitzer berechtigt, eine solche Zusatzrente zu beantragen. Das Antragsverfahren in der Stadt Shenzhen beispielsweise erfordert, dass der Antragsteller mindestens zwei Immobilien besitzt. Denn die örtlich ansässigen Banken möchten das Risiko eines möglichen Wertverfalls eindämmen. Das Problem besteht jedoch darin, dass diejenigen, die bereits mehr als eine Immobilie besitzen, auf die Zusatzleistung der Immobilien-Rente meist nicht angewiesen sind. Deshalb wird dieses Konzept wohl nur für wenige Menschen in Frage kommen. Sozialexperte Ma Guangyuan zieht als Beispiel eine neue Studie aus Dalian heran:
„Viele Menschen in der Stadt glauben, dass das neue Konzept der Tradition widerspräche, sich im Alter auf die eigenen Nachkommen zu stützen. Zweitens machen sich die älteren Menschen Gedanken um ihre Kinder, die über stark steigende Wohnungspreise klagen, und deshalb hoffen, die Immobilie der Eltern zu erben. Drittens befürchten die Senioren, dass die Finanzinstitute auf ihren eigenen Vorteil aus seien, und ihre Immobilie deshalb abwerten könnten.
Außerdem beschäftigt die älteren Menschen, ob sie sich angesichts der Schwankungen auf dem Immobilienmarkt tatsächlich auf ihre Immobilie verlassen können."
Wie aber kann das Rentenproblem gelöst werden? Jeder Chinese sieht sich momentan mit der Realität konfrontiert, dass dem Staatshaushalt nicht genug Geld für das Volk zur Verfügung steht.
Bisher hat das Loch in Chinas nationalem Rentenfond 1,3 Billionen Yuan erreicht. Die Regierung betont, dass die Chinesen im Alter vor allem auf familiäre Hilfeleistung bauen müssten. Doch die chinesische Ein-Kind-Politik resultierte in einer beschränkten Anzahl junger Arbeitskräfte pro Familie. Auch die privaten Rentenversicherungen haben das Vertrauen vieler Chinesen gegenwärtig noch nicht gewonnen. Im Kopf vieler kreist deshalb die Frage, wie sie ihr Leben im Alter würdevoll gestalten könnten? Die Antwort darauf ist ungewiss. Das Sicherheitsgefühl kann nur durch große Anstrengungen sowohl auf Seiten der Regierung als auch der Gesellschaft erbracht werden.