Balthasar Langohr wollte unbedingt Visagist werden. Tagein und tagaus saß er im Hasenbadezimmer und puderte seine langen, weit abstehenden Hasenohren.
Manchmal kostete es ihn viel Mühe, doch "wer schön sein will, muss leiden", brummelte er vergnügt vor sich hin und band viele bunte Seidenschleifen an seine Ohren. Auch mit Lipgloss und Wangenrouge verzauberte er immer wieder sein hübsches Hasengesicht.
Aber an einem sonnenwarmen Frühlingstag setzte Balthasars Vater Eddy dem fantasiereichen Hasenspiel ein jähes Ende.
"Schluss Balthasar! Du bist fast erwachsen, groß genug um dich in unserer traditionellen Familienfirma nützlich zu machen."
"Was meinst du Papa?", fragte Balthasar und bürstete seine grauen Härchen am Hals, bis sie seidig glänzten.
"Ganz einfach, du wirst ein Osterhase, wie alle Hasenmänner unserer Ahnentafel. Bereite dich gut vor, ab morgen sollst du unser Malerlehrling sein."
"Nein, das geht nicht ...", schrie Balthasar und hoppelte so schnell ihn seine Hasenfüßchen tragen konnten, raus aus dem elterlichen Hasenhaus. Doch es nutzte ihm nichts. Vater Eddy mit seinen ausgewachsenen Hasenbeinen war schneller, sprang wie ein Wiesel hinterher und holte ihn im Nu ein. Er packte ihn am Schlafittchen und zog ihn direkt ins familiäre Eiermal-Studio hinein.
"Das ist unser neuer Lehrling, mein Sohn Balthasar", sagte er und erntete tosenden Beifall von den emsig malenden Ostereierkünstlern.
Balthasar wollte eben wieder flüchten, als Vater Langohr ihn unsanft auf einen hohen Eierschalenstuhl presste und ihm drei Pinsel und einen Malkasten in die Pfoten drückte. "Los geht's, probiere es erst mal selbst! Zeig was du schon kannst."
Balthasar schaute sich traurig im Malatelier um. Nein, das gefiel ihm gar nicht. Die flinken Farbenkünstler sahen ihren jungen Lehrling aufmunternd an, trotzdem hatte Balthasar keine Lust. Viel lieber drehte er sich in seinem Eierschalenstuhl im Kreise, und drehte und drehte, bis seine Ohren in die Höhe schnellten und ihm schwindlig wurde. Er taumelte und fiel auf den rauen Fußboden. Dort saß er nun und war sehr unglücklich. Nein, Ostereiermalen war nichts für ihn. Das fand er total langweilig. Außerdem konnte es Vater, die beiden Opas, seine Onkels, Cousins und alle Freunde der Familie sowieso viel besser als er ... Doch urplötzlich - da strahlte Balthasar Langohr über sein eben noch verstimmtes Hasengesicht. Ja! Genau!
Mit den schönen Farben konnte er was Besseres anfangen, als weiße Hühnereier zu beschmieren. Er steckte einen Pinsel in den Farbtopf und begann vorsichtig rote und grüne Pünktchen auf seine Hasenohren zu tupfen. Oho, sah das toll aus. Und dann probierte er es mit gelben und violetten Streifen. Er bemalte seinen biegsamen Hasenkörper und steckte zu guter Letzt seinen Stummelschwanz in ein rosarotes Farbnäpfchen.
Dann betrachtete er sein Kunstwerk von allen Seiten im Atelierspiegel und fand, dass ihm seine Arbeit ausgezeichnet gelungen war.
Als er später durch Osterode spazierte, staunten die Menschen sehr. Sie bildeten eine Polonaise hinter dem Hasen Balthasar und vergnügten sich mit ihm.
Schon am nächsten Tag war Osterode farbenfroher als jemals zuvor. Die Mädels liefen mit kunterbunten Schleifen und die Jungen mit farbigen Strähnen in den Haaren zur Schule.
Gleich darauf gab es einen Ansturm auf alle Friseurläden und Kosmetiksalons der Stadt. Die Damen ließen sich ihre Haare farbenfroh tönen, mondäne Make ups kreieren und die Finger- und Zehennägel apart gestalten.
Und Vater Eddy Langohr? Er war wütend, als er im Maleratelier keinen Lehrling vorfand, stattdessen noch tonnenweise farblose Hühnereier.
"Balthasaaaaar ...", rief er und hoppelte durch die Stadt auf der Suche nach seinem Sohn.
Als er schließlich in dem Schönheitssalon "Beauty for All" ankam, drängelte sich eine riesige Menschenschlange davor. Im Kosmetiksalon stand sein Sohn und hatte eine gelbe Spitzenschürze um den grauen Hasenbauch gewickelt. Dahinter lugte ein wackliges rosarotes Stummelschwänzchen vor.
Eddy Langohr schüttelte verwundert den Kopf, dass seine Hasenohren mächtig umher wippten. "Da gibt es wohl nix mehr zu rütteln", sagte er leise schmunzelnd. Mein Sohn Balthasar wird erwachsen, stellte Vater Langohr dann sogar mit ein wenig Stolz fest.
Ein Osterhase mehr, der das Eiermalhandwerk nicht gelernt hat, und deshalb steckt in einigen Osternestern manchmal ein farbloses Hühnerei mit drin.
Aber dafür hat Osterode nun einen originellen Visagisten, der sein auserwähltes Handwerk perfekt beherrscht.