Die Geschichtenüberlieferer und Märchenerzähler berichten folgendes. In früheren Zeiten lebten in einem Hause drei Schwestern. Eines Tages geht unvermutet auf der Straße ein Spindelhändler mit seinem Korbe auf dem Rücken vor dem Hause der drei Schwestern vorbei und ruft: „Spindeln zum spinnen.“ Die Mädchen rufen: „Was verlangst du, Vater? Pack doch aus. Hast du gute Spindeln?“ Der Alte legt die Spindeln, die er in seinem Korbe hatte, auf die Erde. Die Mädchen sehen sich die Spindeln an, keine gefiel ihnen. Sie fragen: „Vater, hast du noch andere?“ Er sagte: „Fräulein, zu Hause habe ich welche. Komm mit mir und suche dir die schönsten aus.“ Sie sagten: „Sehr schön.“ Das älteste [93]Mädchen steht auf und macht sich mit dem Alten auf den Weg. Nach einiger Zeit kommen sie auf die Höhe eines Berges. Nachdem sie noch etwas weiter gegangen sind, kommen sie in eine Höhle. Sie treten ein und das Mädchen blickt sich nach den beiden Seiten um und sieht, daß die zwei Wände mit Menschenleichnamen bedeckt sind, die in der Mitte aufgeschnitten und an die Wand gehängt sind.
Als das Mädchen diese sah, verlor es die Besinnung. Nach einiger Zeit geht sie mit dem Alten weiter. Sie treten in ein Zimmer. Als es Abend wird, sagt der Alte: „Mädchen, koche etwas von dem dort aufgehängten Fleisch, wir wollen essen.“ Das arme Mädchen steht auf, nimmt einen von den aufgehängten Leichnamen, kocht ihn, legt ihn dem Alten vor. Der fängt an zu essen und sagt zu dem Mädchen: „Warum ißt du nicht?“ Das Mädchen antwortet: „Ich liebe kein Fleisch.“
„Ja, was willst du denn essen? Willst du meinen Finger essen?“
Das Mädchen denkt, daß er sich nicht den Finger abschneiden wird, und sagte: „Ja, ich werde ihn essen.“
Sofort schnitt sich der Alte seinen Finger ab, wirft ihn dem Mädchen hin und sagte: „Da, iß!“
Das Mädchen, das sehr erstaunt war, fürchtete sich und warf bei Gelegenheit den Finger unter den Tisch.
Der Alte sagte: „Hast du den Finger gegessen?“
Das Mädchen sagt: „Ja.“
Der Alte: „Soll ich dich töten, wenn du ihn nicht gegessen hast?“
Das Mädchen denkt bei sich, wie sollte er es wissen, und sagt: „Ja, töte mich.“
Der Alte schreit: „Finger, wo bist du?“
Der Finger antwortet: „Ich bin unter dem Tisch.“
Da steht der Alte auf, schneidet das Mädchen vom Ohr bis nach unten in zwei Teile und hängt es an die Wand. Am nächsten Morgen geht der Alte zum Hause der zwei [94]Schwestern. Die fragen: „Vater Spindelverkäufer, wo ist unsere Schwester?“
Der Alte antwortet: „Unterwegs hat sie ein Prinz gesehen und mit sich genommen. Die lebt jetzt bequem. Kommt mit, ich werde euch führen und euch einem reichen Mann geben.“
Die hielten das für Wahrheit, und die Mittlere stand auf und machte sich mit dem Alten auf den Weg, kam an die Höhle, trat ein und sieht auf beiden Seiten viele Menschen aufgehängt und ihre Schwester auch mitten durchgeschnitten dort hängen.
Als sie das sieht, seufzt sie und verliert die Besinnung. Ihr Herz blutet. Sie gehen weiter und betreten das Zimmer. Er läßt das Mädchen wie das erste Mal Fleisch kochen. Das Mädchen sagt auch: „Ich esse nicht.“
Er sagt: „Ich werde dir meinen Finger geben, ißt du den?“
Das Mädchen sagt: „Ich werde ihn essen.“
Der Alte schneidet seinen Finger ab und wirft ihn dem Mädchen zu.
Das Mädchen nimmt leise den Finger und wirft ihn in den Garten.
Er sagt: „Mädchen, hast du den Finger gegessen?“
Das Mädchen sagt: „Ich habe ihn gegessen.“
Der Alte fragt: „Finger, wo bist du?“ Der Finger schreit: „Ich bin im Garten auf dem Kehrichthaufen.“
Wie das erste Mal steht er auf, zerschneidet das Mädchen und hängt es an die Wand.
Am nächsten Tage steht er auf, geht wieder in das Haus. Das jüngste Mädchen schreit: „Wo sind meine Schwestern? Wohin hast du sie gebracht?“
Der Alte sagt: „Die eine habe ich einem Prinzen gegeben, die andere einem reichen Manne. Deine Schwestern sind gut untergebracht. Ich werde dich auch mitnehmen und einem schönen Jünglinge geben.“
Das Mädchen hatte im Hause eine gelbe Katze, die nahm sie unter dem Arm mit und ging mit dem Alten. Sie kommen [95]an die Höhle und treten ein. Das Mädchen sieht nach beiden Seiten, — was siehst du? — ihre beiden Schwestern sind mitten durch gespalten und hängen an der Wand. Das Mädchen sagt: „Ach, meine Schwestern sind tot“ und aus ihren Augen fließt Blut anstatt Tränen. Sie sagt: „Du gottloser Kerl, ich werde dich bestrafen“ und geht weiter.
Wir wollen die Geschichte nicht in die Länge ziehen. Der Alte kommt in sein Zimmer und, wie das vorige Mal, sagt er zum Mädchen: „Ich hungere, koche deine Schwester, wir wollen essen.“ Das Mädchen steht auf, nimmt einen Leichnam, kocht die eine Hälfte im Herde, die andere nicht und setzt sie vor. Der Alte nötigt das Mädchen, das Mädchen sagt: „Ich esse kein Menschenfleisch.“
„Ja, was ißt du denn? Ißt du meinen Finger?“
Das Mädchen sagt: „Ich werde ihn essen.“
Sofort schneidet er seinen Finger ab und wirft ihn dem Mädchen vor. Das Mädchen gibt ihn leise der unter dem Tisch liegenden Katze. Die Katze verschluckt ihn. Wie das vorige Mal fragt er: „Mädchen, hast du den Finger gegessen? Wenn du ihn nicht gegessen hast, werde ich dich töten.“
Das Mädchen sagt: „Du kannst mich töten.“
Der Alte fragt: „Finger, wo bist du?“ Der Finger sagt: „Ich bin in einem warmen Magen.“
Der Alte sagt: „Bravo, mein Mädchen, jetzt bist du mein Mädchen.“
Schließlich gewöhnt das Mädchen dem Alten das Menschenfleisch ab, holt von draußen ein Lamm und sie essen es zusammen.
Eines Tages sagt der Alte: „Mädchen, damit du dich nicht langweilst, nimm diese vierzig Schlüssel, öffne die vierzig Zimmer und wandere ordentlich drin herum. Aber das einundvierzigste darfst du nicht öffnen.“ Nach diesen Ermahnungen geht er aus. Das Mädchen steht auf, öffnet die vierzig Zimmer und sieht, daß darin Diamanten, Juwelen, Rubinen und allerlei Dinge sind. Sie sieht sich diese [96]an. Dann war sie aber neugierig auf das Zimmer, von dem er gesagt hatte: „Öffne es nicht“, und sagte: „Ich will auch das öffnen.“ Sie kommt an das Zimmer, öffnet es, tritt ein und sieht an der Decke einen Jüngling an den Haaren aufgehängt, schön wie der Mond am vierzehnten. Man konnte es nicht aushalten ihn anzusehen. Solch eine Schönheit hatte nicht ihresgleichen. Als das Mädchen ihn sieht, wird sie bewußtlos und fragt: „Bist du ein Geist oder etwas derartiges?“ Der Jüngling sagte: „Ich bin ein Mensch.“
„Wer hat dich hier aufgehängt?“
Der Jüngling: „Der Zauberer hier wollte mich töten, er besiegte mich und hängte mich, um es kurz zu sagen, hier an meinen Haaren auf.“ Das Mädchen erzählte auch genau ihre Abenteuer und sagte: „Mein Held, gibt es ein Mittel, ihn zu töten?“
Der Jüngling sagte: „Meine Prinzessin. Wenn jetzt der Zauberer kommt, geh und sage: ‚Komm, ich will dir den Kopf nachsehen‘, schneide ihm dann leise einige Kopfhaare ab. Dann fällt er in Schlaf. Das dauert vierzig Tage. Am einundvierzigsten steht er wieder auf. Das mußt du tun, dann lassen wir ihn hier und entfliehen zusammen. Dann sollst du mein und ich dein sein.“ So beschließen sie. Das Mädchen schließt leise ab und kehrt in das Zimmer des Zauberers zurück. Nach einiger Zeit kommt der Zauberer und sagt zum Mädchen: „Hast du die Zimmer angesehen?“ Das Mädchen sagt: „Ja, ich habe sie mir angesehen und mich daran erfreut.“ Dann sagte sie: „Komm, ich will dir den Kopf nachsehen.“ Der Zauberer legte seinen Kopf in den Schoß des Mädchens und sie schnitt ihm leise seine Haare ab und nahm sie mit. Der Zauberer schläft ein. Sofort legt das Mädchen seinen Kopf von seinem Schoße auf die Erde und geht zu dem Zimmer, wo der Jüngling ist, löst ihm die Haare, läßt ihn herunter und sagt: „Jetzt bist du mein und ich dein. Wir dürfen nun nicht verweilen. Wollen fliehen.“ Sie nehmen noch von [97]dort alles, was leicht an Last und schwer an Wert ist, machen sich auf den Weg und nach einundvierzig Tagen kommen sie in die Stadt und gingen in das Haus des Mädchens. Dort pflegten sie der Liebe.
Diese wollen wir nun lassen und uns zum Zauberer wenden. Als für ihn der einundvierzigste Tag war, wachte er auf und sieht sich nach allen vier Seiten um. Als er das Mädchen nicht sieht, geht er nach oben in das Zimmer, wo der Jüngling aufgehängt war. Weder der Jüngling noch das Mädchen ist vorhanden. Er sagt: „Ach, du gottloser Bummler, hast das Mädchen mit dir genommen und bist entflohen!“
Er macht sich voller Wut auf den Weg. Nachdem er einen Weg von vierzig Tagen an einem Tage gemacht hat, kommt er in die Stadt, verkleidet sich als Armer und geht vor die Tür des Mädchens und sagt: „Ach Mädchen, nimm mich um Gottes willen auf.“ Das Mädchen hielt ihn für einen Armen und nahm ihn auf. Der Jüngling war außerhalb eingeladen. Nach einer Stunde kommt er und merkt die Geschichte, als er diesen Armen sieht. Der Jüngling stellt sich, als ob er nichts merkte, und geht in sein Zimmer. Als es Abend wird, essen sie und geben dem Armen auch etwas. Kurz, wir wollen die Geschichte nicht in die Länge ziehen. In der Nacht schläft das Mädchen ein. Dem Jüngling kommt kein Schlaf in die Augen. Um vier oder fünf hat der Zauberer auf die in dem Viertel wohnenden Leute Totenerde gestreut und zog rings einen Kreis. Er ging zu dem Jüngling und stellte ihm zu Häupten eine große Flasche mit Totenerde. Der Jüngling fiel auch in Schlaf, so wie ein Toter. Dann ergriff der Zauberer das Mädchen und schlug sie so mit einem Stocke, daß ihr Schreien zum Himmel drang. Da sie keinen Platz zum Entfliehen fand, so drehte sie sich, wie das Himmelsgewölbe um den Jüngling. Der Zauberer lief ihr ohne Verweilen nach. Dem Mädchen blieb keine Kraft mehr. In diesem Spektakel spaltete sich die Wand und eine Stimme rief: „Mädchen, [98]was säumst du? Zu Häupten des Jünglings steht eine Flasche, zerbrich sie, und der Jüngling steht auf.“ Als das Mädchen dies hörte, zerbrach sie die Flasche mit dem Fuße. Sofort wacht der Jüngling auf und sieht, daß das Mädchen von dem Schlagen ganz blau ist und zum Himmel schreit. Er sagte: „Bei Gott“, faßt den verfluchten Zauberer, hebt ihn hoch und wirft ihn auf die Erde. Dann stößt er ihm einen Pfahl durch den Nabel und verbrennt ihn ordentlich.