November. Das Jahr neigte sich dem Ende zu. Seit längerer Zeit allein lebend, lernte ich über ein Zeitungsinserat Marlene kennen, eine 46-jährige Frau aus einer Gemeinde unweit meiner Heimatstadt.
Ein erstes geführtes Telefonat und die jeweilige Vorstellung der eigenen Person führten dazu, ein Treffen Anfang Dezember in der Stadt durchzuführen. Ich wollte sie persönlich kennenlernen und, ich denke, wir waren beide auf uns gespannt. Etwas aufgeregt und dem Gedanken, was mich erwarten würde, begab ich mich zum Date. Wer mir da begegnete, war eine kleine zierliche, in einen grauen Mantel gehüllte unscheinbare Frau, mit natürlich gelocktem rotem Haar. Oh je, mit meiner Größe von 1,90 Metern, kam ich mir ihr gegenüber wie ein Riese vor. Sollte dies aber gleich das "Aus" sein? Nein, alleine die Äußerlichkeiten sollten nicht über gegenseitige Sympathie oder Nichtsympathie entscheiden.
Also machten wir uns einen netten Gesprächsabend bei gutem Essen und Wein. Jeder erzählte wichtige Abschnitte aus seinem Leben, und der Andere konnte Verständnis für bestimmte Gegebenheiten aufbringen. So erfuhr ich, dass Marlene seit ihrer Ausbildung mit Haut und Haar Friseuse ist, dass sie zwei erwachsene, in Partnerschaft lebende und im Ausland wohnende Töchter hat, und dass ihr geschiedener Mann unter anderen ein verantwortlicher Feuerwehrmann im Ort sei. Außerdem gehört ihm das Mehrfamilienhaus, in dem Marlene zurzeit noch wohnte.
Stück für Stück wuchs die Neugier auf "Mehr". Am Ende des Abends war uns klar: wir werden uns wiedersehen. Nach weiteren Treffen in der Stadt und ein paar gemeinsamen Unternehmungen in schöner Umgebung bei winterlichem Wetter war es so weit: Marlene lud mich am 1. Weihnachtsfeiertag zu einem Abendessen bei sich zu Hause ein. Etwas nervös, mit kleinen Geschenken zur Weihnachtszeit und einer Flasche Wein unterm Arm, fuhr ich an diesem Abend ganz gespannt zu ihr. "Wie wird ihre Wohnung eingerichtet sein, ist sie eine ordentliche Hausfrau, was wird es zu Essen geben und wie wird es angerichtet sein...?", waren meine innerlichen Gedanken. All diese Fragen wurden mit Bravour beantwortet. Marlene hatte eine sehr schön gestaltete große Wohnung, sauber und ordentlich. Eigentlich hatte ich nichts anderes erwartet. Die Wohnstube war weihnachtlich geschmückt, ein Tannenbaum strahlte, und überall brannten Kerzen. Ich fühlte mich sehr wohl und gleich wie zu Hause.
Marlene führte mich ins Esszimmer. Oh, was hatte sie da für eine wundervolle Tafel angerichtet! Teller und Gläser standen akkurat an ihren Plätzen, der Tisch war mit einem eigens dem Anlass gefertigten Weihnachtsgesteck geschmückt. Es gab Vorsuppe, dann selbstgemachte, gefüllte Wurstbräter mit tollen Beilagen, einer süßen Nachspeise und natürlich - Wein. Es war wie im Traum. Wir genossen die Speisen und prosteten uns zu, wie frisch Verliebte das halt so tun. Bei Musik von Roger Whitaker tanzten wir durch die Räume, umarmten und küssten dabei, bis ins Schlafzimmer. Wir liebten uns...
Plötzlich ein sirenenartiger, ohrenbetäubender und schriller, immer unterbrechender Ton aus dem Wohnzimmer. Was ist das? Wir saßen wie vom Schlag gerührt im Bett. Es tutete und tutete. Marlene: "Das muss der Rauchmelder sein". Ich entgegnete, wer schon so ein blödes Ding in seiner Wohnung anbringt. "Na mein Mann eben, der ist doch Feuerwehrhauptmann", wobei wir etwas gelassen über diesen Ausspruch lachten. Da aber das Ding überhaupt keine Ruhe mehr gab, sprang ich, wie ich war, aus dem Bett um dieser "Heule" den Garaus zu machen, riss die Tür auf, als mir beißender Qualm entgegen kam. Da sah ich mit Entsetzen, dass die Schrankwand in der Wohnstube in Flammen stand.
Eine Kerze neben der Anbauwand war heruntergebrannt und hatte herumliegendes Flitterzeug entzündet. Das Feuer griff auf den Schrank über, welcher an dieser Seite gleich lichterloh brannte.
"Schnell!! Wasser!!" Marlene rannte in die Küche und holte einen Eimer mit Wasser, in der Zeit ich versuchte das brennende Wachs von der Schrankwand zu ziehen. Dann das Wasser aus dem Eimer über den Schrank und noch einen zweiten Eimer hinterher. Gelöscht!
Gott sei Dank! Fünf Minuten später und die ganze Wohnstube hätte gebrannt, dann das ganze Haus ... Nicht auszudenken! Die Wohnung stank entsetzlich. Alle Fenster auf! Wir mussten uns hinsetzen, wir zitterten am ganzen Leib. Jetzt erst einmal einen Schnaps zur Beruhigung. Die Gedanken kreisten. Die Hausbewohner hätten evakuiert, die Feuerwehr alarmiert werden müssen... . Wahnsinn! Dann hätte ihr Ex-Mann sein eigenes Haus löschen müssen... .
Wir lagen uns in den Armen und trösteten uns gegenseitig von diesem unsagbaren Schreck.
Zwei Monate später war von der ganzen Sache nichts mehr zu sehen. Marlene hatte sofort Verbindung zu dem Möbelhaus aufgenommen, von wo sie damals die Schrankwand kaufte. Über die Herstellungsfirma konnten die verbrannten Teile gegen neue ausgetauscht werden.
Ja, so begann eigentlich unsere Beziehung an diesem Abend damals mit einem wahren Glück im Unglück. Und das zu Weihnachten, dem Fest der Liebe! Wenn das kein Omen war? Seit einigen Jahren wohnen Marlene und ich nun zusammen in der Stadt und sind ein Paar.
Übrigens wird immer genau geschaut, ob alle Kerzen gelöscht sind. Somit sparen wir das Geld für den Rauchmelder.