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Rheinmärchen-19

时间:2018-04-24来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Rheinmärchen
Vom Tanz der Frau Mondenschein, und wie sie ihren sieben Töchterlein ihre und des Mondenschäfers Geschichte und den Fluch der Frau Aglaster erzählt.
 
Als ich erwachte, lag ich am Eingang eines Waldes in dem Schatten einer sich weitausstreckenden Eiche, und um mich her standen zwölf ehrbare Ritter; dieselben, die mich hieher zu euch geleiteten, ihre Rosse standen an den Bäumen umher gebunden; sie grüßten mich als Fürsten von Starenberg und fragten: »Wohin geht unser Weg?« Ich sagte: »Wir ziehen zum Rhein« und somit bestiegen wir unsere Rosse und zogen fröhlich durch die gesegneten Täler hinab.
 
Als am Abend die Sonne hinabsank über einem spiegelglatten Landsee, machten wir halt an einem bequemen Ort; ich befahl meinen Gefährten, das Lager zu rüsten und das Abendbrot zu bereiten; ich selbst aber wollte gehen, mich in den schimmernden Wellen des Sees badend zu erquicken und meiner teuren Ameley zu gedenken. Trauernd schlich ich am Ufer durch die düstern Erlen dahin, entkleidete mich auf dem Rasenufer einer kühlen Bucht und tauchte mein sehnsüchtiges Herz in den labenden Spiegel des Sees. Schon war die Sonne hinabgesunken; das Lied der Vögel verstummte; ein leiser Wind trieb die Wellen kräuselnd gegen meine Brust; der Abendstern stand lächelnd über dem jenseitigen Berg; eine wehmütige Lust durchdrang mein Herz bei dem Klange einer Hirtenflöte, die in der Gegend über die Wiesen hinspielte.
 
»O süße Ameley!« rief ich aus, und indem ich meine Arme in den Wellen ausbreitete, als wollte ich sie an mein Herz schließen, und diese Bewegung oft wiederholte, begann ich zu schwimmen und richtete meinen Weg nach einer anmutigen Insel, die von Erlen umgeben in der Mitte des Sees lag. – Hier setzte ich mich in den Arm einer hohen Weide, die sich gekrümmt über das Ufer des Sees vorlehnte und ihr zartes Laub in die Wellen senkte, wie eine Jungfrau, die sich weinend ihre Locken wäscht; und ganz eingeschleiert von den dichten Blättern des Baumes schaute ich trauernd bald über die Fläche des Sees, auf der schon der bleiche Mond und die Gestirne sich spiegelten, bald über die entschlummernden Blumenglocken der Insel, die einen von Büschen geschmückten weiten Rasenplatz bildete; so ward ich Zeuge eines reizenden Schauspiels.
 
Die Frau Mondenschein, die ich mit ihren sieben Mägdlein in der Gruft gesehen, wandelte über die Wipfel der Bäume daher; die Zweige, die sie berührte, schimmerten mit silbernem Glanz, und die Nachtigallen begannen in den Büschen zu singen und schienen mir immer Ameleya! Ameleya! zu rufen.
 
Als aber die wunderbare Frau mit ihren Gespielen auf den Grashalmen und Blumenkelchen hinwandelte, erwachten die Heimchen und begannen ein süßes vertrautes Geschrille; die Quellen murmelten traulich und das Echo zitterte das träumende Luftgeräusch wieder; die Mägdlein aber umgaben einen schönen grünen Rasen, und in ihrer Mitte schwebte Frau Mondenschein und sang also –
 
Frau Mondenschein:
 
Nochmals laßt mit zarten Füßen
Uns im Tau die Kreise ziehn,
Nochmals uns die Blumen grüßen
Und dann von der Erde fliehn;
 
Von der Erde, die betrogen
Unser helles leichtes Herz,
Uns vom Lichte abgezogen
Zu der Tiefe finsterm Schmerz.
 
Reihet, reihet, meine Schwestern!
Und ich sing mein irdisch Weh;
Ach! vierhundert Jahr wie gestern
Ich mir heut verschwunden seh.
 
Nun tanzten die sieben Mägdlein um sie her, und eine jede tat, was ihres Amtes war. Spinnenseil trug einen silbernen Rocken, von dem sie feine Fäden zog und damit den Tanzplatz umgab. Dazu sang sie:
 
Spinnenseil:
 
Daß kein Kobold ungeladen
In der Elfen Tanz eingeh,
Zieh ich einen Silberfaden
Jetzt von Blum zu Blum im Klee.
 
Spinnerin bin ich, Fädlein spinn ich;
Weberin web ich, rings umschweb ich
Unsern Tanz so fein und sinnig
Rings mit sichrem Netz umgeb ich.
 
Schneckenpfeil aber war mit Bogen und Pfeilen wie eine rüstige Jägerin bald hier, bald dort und wies eine Menge von Fledermäusen, Nachtschmetterlingen, Eidechsen und andern unbequemen Gästen, die der Glanz der Frau Mondenschein herbeilockte, mit ihren Pfeilen zurück, wozu sie sang –
 
Schneckenpfeil:
 
Eines kräftgen Käfers Zange
Ist mein Bogen; Spinnenseil
Drehte Fäden mir zum Strange,
Und ich schieß den Schneckenpfeil;
 
Pfeile spend ich, von uns wend ich
Eidechs, Kauz und Fledermaus;
Alle blend ich, alle send ich
Witzig spitzig bald nach Haus.
 
Die dritte Jungfrau aber, welche Mottenflügel hieß, schweifte von Blume zu Blume und sammelte den Tau und bestreute mit seinen Perlen den Rasen um Frau Mondenschein her, wie man die Tanzböden gegen den Staub zu besprengen pflegt; ihr Gesang aber lautete also –
 
Mottenflügel:
 
Ich bestehl im Tal am Hügel
Alle Blümelein im Traum,
Schüttle Perlen von dem Flügel
Hier in unsres Spieles Raum.
 
Perlen setz ich, leis benetz ich
Unsre Au mit kühlem Tau,
Daß ihr Füßlein nicht verletz sich
Mondenschein, die zarte Frau.
 
Palmkätzchen, die vierte Jungfrau, trug allerlei weiche Blütenflocken, zarten Flachs und Flaum herbei und breitete Teppiche zum Sitze der Frau Mondenschein aus; auch verstopfte sie die Glocken der Blumen aus einer übertriebenen Sorge, sie möchten vom Tanze bewegt läuten und die nächtliche Feier verraten; bei welchem Geschäfte sie folgendermaßen sang –
 
Palmkätzchen:
 
Flachs von fauler Dirnen Rocken,
Flaum von zarter Knaben Kinn
Stehl ich, streue weiche Flocken
Unter eure Füße hin.
 
Weit her schlepp ich euch den Teppich,
Daß ihr nicht zerreißt die Socken
An dem Eppich – Wolle stepp ich
Ins Geläut der Blumenglocken.
 
Die fünfte Jungfrau, Blumenfädchen, sammelte allerlei Wohlgerüche, die sie auf einem Rauchfaß, das sie in Gestalt einer Rose in der Hand schwenkte, auf dem Tanzraum mit folgendem Gesange verbreitete –
 
Blumenfädchen:
 
Ich umschweb die Blumenkelche,
Raube ihnen süßen Duft,
Schwenke, daß das Fest hoch schwelge,
Dann mein Rauchfaß durch die Luft.
 
Ich bin luftig, Rose ruft mich,
Mir winkt Lilie, seufzt Viole,
Rings süß duftig mach die Luft ich
Euch ums Haupt und um die Sohle.
 
Ihr folgte in emsigem Geschäfte die sechste Jungfrau, Johannislicht; sie zündete rings im Gras und in den Büschen kleine schimmernde Lichter an, machte kleine Laternen aus den Kelchen der Glockenblume und ließ eine Menge leuchtender Funken die verschiedenen Kreise des Tanzes, wie ein Feuerwerk auf dem Teppich der Nacht, hinschweben, wobei sie also sang –
 
Johannislicht:
 
Ich begleite mit Gefunkel
Eure Füße auf dem Plan,
Zünde rings im Nachtesdunkel
Tausend bunte Lampen an.
Es umgrenze und umglänze
Duftberauscht und mondlichttrunken
In dem Lenze unsre Tänze
Glühend der Johannisfunken.
 
Die siebente Jungfrau, der fliegende Sommer, auch Altweibersommer genannt, brachte einen schönen Schleier heran und reichte ihn der Frau Mondenschein, die ihn traurig anlegte, wozu sie sang –
 
Altweibersommer:
 
Frühling war ein lustger Freier,
Sommer ernst ein Ehemann,
Herbst webt schon den Witwenschleier,
Und der Winter legt ihn an.
 
Jungfraun lauern hinter Mauern
Unterm Schleier auf den Freier;
Witwen trauern und bedauern
In dem Schleier Totenfeier!
 
Als Frau Mondenschein den Schleier angelegt hatte, tanzten die Jungfrauen um sie her, und die Heimchen grillten im Takte, wozu Frau Nachtigall bald lustig schmetterte, bald in süßen Klagen zu zerfließen schien; endlich aber verstummte die Musik, und die Tänzerinnen wurden ruhig, der Mond trat hinter die Wolken, die leichten Frauen warfen allein einen milden Schein auf Blumen und Gras, aber keinen Schatten; da sprach Frau Mondenschein also:
 
»Meine lieben Mägdlein, jetzt ist die Stunde, wo ich euch endlich erzählen kann, was mich schon vierhundert Jahre lang so traurig macht; mein Leid ist vorüber, morgen ist alles vergessen, morgen bin ich wieder jung, neu und glücklich.
 
Vor vierhundert Jahren hatte ich noch keine Gesellinnen, ich war einsam und allein und wandelte sehnsüchtig und träumend hier auf dieser Insel umher, die mir besonders lieb war; aber sie war damals noch keine Insel, der Raum zwischen hier und dem jenseitigen Ufer war ein wildes Felsental, und hier war eine anmutige Bergwiese. Viele Jahre besuchte ich diesen einsamen Fleck und badete mich nachts in dem Brunnen, der dort am Fels hinter den Erlen quillt. – Als ich einst traurig über meine Einsamkeit in dem Bade saß, bekam ich plötzlich eine Gesellschafterin. Frau Echo, die lange in dem Felsen geschwiegen hatte, erwachte plötzlich und sang mir die Melodie einer Hirtenflöte ins Ohr, die vom jenseitigen Ufer ertönte; lange lauschte ich entzückt ihren Tönen und weinte, als sie leiser, immer leiser wieder verstummte. Ich, die nicht wußte, wo der süße Klang herkam, irrte und suchte rings umher; sieh! da eilte am Rande dieser Wiese mir ein silberweißes Lamm entgegen; ihr könnt euch denken, wie ich entzückt war, einen so lieblichen Gespielen in meiner Einsamkeit erhalten zu haben. – Ich pflegte und liebkoste mein Lamm, als wenn es mein Brüderchen wäre; führte es zur Weide, wo das Gras am zartesten, die Kräuter am gewürzigsten waren, und hatte meine Freude viele Tage mit ihm. Seit das Lamm bei mir war, sang mir Frau Echo täglich das Flötenlied vor, und ich bemerkte, daß mein kleiner Gespiele dann immer sehr unruhig ward und sehnsüchtig blökte. Auch stellte sich nun Frau Nachtigall ein und sang mit Frau Echo um die Wette, und so entschlummerte ich einstens hier auf dem Hügel, das Lamm in meinem Arm, in seligen Gedanken.
 
Ich mochte kaum einige Minuten geschlafen haben, als das Lamm plötzlich sich aus meinen Armen riß und vor mir herstürzte; auch ich sprang auf, denn neben mir stand ein junger Schäfer, schön und freundlich; das Lamm war ihm entgegen gesprungen, und eine fröhliche Herde tummelte sich auf der Wiese umher. Er grüßte mich freundlich und sagte mir, das Lamm, das sich neulich von seiner Herde verloren, habe ihn hieher gelockt, und er danke mir, daß ich es so gütig gepflegt. Wir wurden bald bekannt; er verließ mich am Morgen mit dem Versprechen, am Abend wiederzukehren. Mit Sehnsucht erwartete ich den Abend, Damon kehrte zurück, wir erzählten uns Märchen, sangen uns Lieder, flochten Kränze und waren selig, oft hatte er mich besucht; bald aber kam die Stunde, daß er mich nie mehr verlassen sollte. Als wir einst hier am Hügel nebeneinander eingeschlummert waren – es war schon gegen Morgen, und die Sonne trat schon hinter den Bergen hervor – erweckte uns ein heftiges Geräusch; wir sahen die Herde erschreckt vor uns herstürzen und folgten ihr ängstlich nach dem Rande dieser Wiese; denn über uns war ein großer Bach entsprungen, der sich wild zu dem Felstal hinabstürzte; er schien uns boshaft zu verfolgen; ich hätte zwar leicht entschweben können, aber mein Damon war mir zu lieb, und ich wollte ihn nicht verlassen; blindlings folgten wir der Herde, die sich in eine weite Felsenhöhle flüchtete.
 
Kaum waren wir hineingetreten, als von dem Sturm der Schafe aufgestört eine Wolke von Staren über uns her zu der Höhle hinausflog; wir faßten uns fest in die Arme, um nicht umgeworfen zu werden. So von den blökenden Lämmern umdrängt hatten wir uns kaum eine Weile erholt, als plötzlich über die Höhle und ihren Ausgang nieder das Wasser in das Tal stürzte und den Ausgang verschloß. 'Damon', sagte ich, 'wie ist dir? Wir sind gefangen.' Er aber antwortete: 'Mir ist wohl in dieser festen Burg mit kristallner Türe; an deiner Seite bin ich wie ein König; diese Lämmer sind ein liebes lenksames Volk, und ich will uns ein Trostlied spielen.' Da setzte er seine Hirtenflöte an die Lippen und spielte ein wundersüßes Lied, das Frau Echo aus geheimen Gängen der Höhle wiederholte und das rauschende Wassertor und das Blöken der Lämmer begleiteten: da sagten wir uns, wir wollten immer beisammen bleiben. Das niederstürzende Wasser mehrte sich, und wir mußten uns in der Höhle einrichten, so gut als wir konnten. Damon fand einige anliegende Gewölbe und trieb die Schafe hinein; viele Kräuter wuchsen am Eingang, und Laub hing von überhängenden Büschen herein; der Wassersturz drängte die Zweige herab, und Damon als ein treuer Hirt streifte das Laub ab und sammelte die Kräuter und machte Bündelchen daraus, um die Schafe in Hungersnot zu fristen; sie leckten dazu das Salz, das an den Wänden ausgeschlagen war. Er selbst nährte sich von den Stareneiern, die in vielen Nestern an der Felsenwand waren. So lebten wir einige Tage, und das Sonderbare unsrer Lage gefiel uns noch immer wohl.
 
Am dritten Morgen hatte Damon soeben in der düsteren Höhle aus einem besonders schönen Neste ein Ei genommen, als wir bemerkten, daß der Wassersturz vor dem Eingang dünner geworden war und einen Durchgang bildete; schnell eilten wir hinaus und sahen in eine ganz veränderte Gegend: das Felsental ringsum hatte sich in einen See verwandelt, ein Regenbogen stand über uns ausgespannt, und Tauben schwebten über den Spiegel.
 
'Sieh da!' sagte Damon, 'der Himmel selbst will, daß wir beisammen bleiben –, diese Höhle ist eine Insel geworden, ohne Schwimmen kann ich mit der Herde nicht mehr hinüber. Der Ort schickt sich gut zu meiner Nahrung, auf diesem Eiland esse ich mein Ei', und somit knickte er das Ei, das er in der Hand hatte, an einer scharfen Stelle des Felsens, brach es in zwei Hälften und schlürfte es aus.
 
Kaum aber hatte er dieses getan, als eine schwarze Wolke den Himmel bedeckte und mit einem wimmernden Geräusch nahte, und sieh! es war der große Starenschwarm, der über uns her mit stürmender Hast in die Höhle kehrte. Die geflügelte Windsbraut riß uns mit in die Höhle, und Damon warf sich vor ihrem Ungestüm platt an den Boden in einen Winkel; ich ahndete wunderbare Dinge und berührte Damon mit meinem Fuß, auf daß er entschlummern und nicht hören möge, was er nicht ändern konnte, und er sank in einen tiefen Schlaf.
 
Mit wildem Geschrei flatterten die Vögel durch die Höhle hin und her und wehklagten über ihre zerstörten Nester, und ergrimmt hackten sie sich in die Wolle der Schafherde fest, die geängstigt unter Geblök aus der Höhle herausstürzte und sich über den Hügel zerstreute; und da die größere Anzahl der Stare sie verfolgend die Höhle verlassen hatte, kam ein größerer Vogel, der ein Krönchen auf seinem Haupt hatte, heftig gegen mich angeflogen; erst umschwebte er mich mit großem Wehgeschrei und holte dann die zwei halben Eierschalen, die vor dem Eingang auf dem Felsen lagen, legte sie auf einen Steinvorsprung vor sich nieder und brach in folgende Worte aus:
 
Weh! weh! Frau Mondenschein!
Was tat ich Ihr zu Leide,
Daß solche Not und Pein
Ich Ärmste durch Sie leide!
Mein Ei! mein Wunderei!
Zerbrochen und verzehret!
Der Staren Bau zerstöret!
O höre mein Geschrei,
O Cisio Janus, steh mir bei!
 
Schwärmerin! Härmerin!
Bleicherin! Schleicherin!
Schweigerin! Schmachterin!
Trachterin! Heuchlerin!
Schmeichlerin! Träumerin!
Säumerin! Hehlerin!
Stehlerin! Grüblerin!
Lieblerin! Rührerin!
Verführerin! Sehnerin!
Gähnerin! Tränerin!
Scheinerin! Meinerin!
Schläferin! Schäferin!
Weh! weh! mein Wunderei!
O Cisio Janus, steh mir bei!
 
Und so setzte sie in ihrer Starensprache immer mit Wehklagen und Schmähworten abwechselnd ihr Hilfsgeschrei nach Cisio Janus fort. Mich jammerte das arme betrübte Mutterherz, ich unterbrach sie nicht in dem ersten Ausbruch ihres Wehs; aber ich ergoß meine tröstendsten Strahlen durch die Höhle. Die Sonne war untergegangen, die Sterne traten am Himmel hervor und besahen sich verwundert in dem neu entstandenen Wasserspiegel; es war, als drängten sie sich dicht zusammen, und als schaue einer dem andern über die Schultern. Und sie blitzerten so frisch, frei und freundlich, als gefielen sie sich wohl. Da schaute ich den schlafenden Damon mit meinen tiefsten Augen an, und er verstand meinen Willen. Träumend ergriff er seine Hirtenflöte und spielte eine ungemein rührende Melodie. Nach einer kleinen Weile milderte sich schon das Klaggeschrei der Starenkönigin, und bald war es nur ein einzelnes Schluchzen und Seufzen; so oft sie aber wieder die zerbrochene Eierschale betrachtete, schrie sie von neuem: 'Mein Ei! mein Wunderei! O Cisio Janus, steh mir bei!' und begann eine neue Reihe von Schmähworten gegen mich, die sich aber immer milderten, und ich hörte zuletzt gar das Wort Trösterin von ihrem Schnabel erklingen; worauf sie ganz verstummte, und aufmerksam mit gewendetem Kopf wie andere Stare zuhörte, als wolle sie ein Lied lernen; viele andere Stare kamen leise hereingeschlüpft und setzten sich hie und da wie studierende wißbegierige Männchen umher und drehten den Kopf bald links, bald rechts, fingen auch an hie und da ein Endchen der Liederweise nachzupfeifen.
 
Wie wird mir? Wer wollte wohl weinen,
Wenn winkend aus wiegendem See
Süß sinnend die Sternelein scheinen,
Werd heiter, weich, weiter, du wildwundes Herz.
 
Komm, Kühle, komm, küsse den Kummer
Süß säuselnd von sinnender Stirn;
Schlaf, schleiche, umschleire mit Schlummer
Die Schmerzen, die schwül mir die Seele umschwirrn.
 
Flöß flehend, du Flötengeflüster,
Mir Himmel und Heimat ans Herz,
Leucht lieblich und lispele düster
Und fächle, daß lächle im Schlummer der Schmerz.
 
Sieh! sind schon die Sonnen gesunken,
Glück glimmet in Abendlichts Glut,
Und Finsternis feiert mit Funken,
Licht locket ins Leben das liebende Blut.
 
Wir wanken in wohnsamer Wiege,
Wind weht wohl ein Federlein los,
Wie's wehe, wie's fliege, wie's liege,
Fein fiel es und spielt es dem Vater im Schoß.
 
Bis hieher hatte die Starenkönigin, sich beruhigend, mein Trostlied angehört, als sie aber die letzte Strophe nachschwätzen wollte, brach ihr Leid wieder aus, und sie sagte, nur weniger heftig als im Anfang:
 
'Weh! mein Ei! mein Wunderei!
So grausam zu zerbrechen,
Vom Federlein dann sprechen,
Das fortgeflogen sei.
So könnt ein jeder sprechen;
Und eines Schäfers Magen
Nennt Sie des Vaters Schoß!
Frau Mondschein, ich muß sagen,
Der Unterschied ist groß,
Die Ähnlichkeit kurios!
 
'Ich danke Ihr für das schöne Trostlied, es hat mir bis auf den seltsamen Schluß ganz wohlgetan; aber ich weiß wohl, der Mondschein erlaubt nicht, etwas genau zu unterscheiden. So wisse Sie denn, ich bin die Starenkönigin Aglaster, und Ihr tölpelhafter Schäfer hat mit diesem Ei die Hoffnung der Welt, den künftigen Regenten des Starenvolkes, vernichtet. Es war dieses Ei aber ein Schicksalsei, gar wunderbar gezeichnet, und wenn erst Herr Cisio Janus kommt, der wird Ihr schon auslegen, was der Schäfer getan hat.'
 
Ich erwiderte hierauf: 'War es ein Schicksalsei, so hat Damon ein Schicksal mit sich verbunden. O ihr edles schwarzgefedertes Starenvolk, willst du deiner Königin Sohn dienen, wo er auch sei?'
 
Auf diese Frage erhob sich ein allgemeines Geschrei der Stare: 'Das wollen wir, das wollen wir!' – 'Wohlan', fuhr ich fort, 'so gehorchet ihm in dem edlen Schäfer Damon, mit welchem sich dieses Schicksal verbunden hat, was wahrlich ein Schicksal zu nennen ist, ein unabänderliches, unverschuldetes und recht gutes; denn ihr werdet in ihm einen weisen und milden Regenten haben, und in mir, seiner Braut, eine wohltätige Mutter. War es eurer guten Königin Aglaster nicht vergönnt, aus diesem Schicksalsei einen Starenprinzen zu brüten, so hat mir der Himmel doch verliehen, euch alle in Menschen zu verwandeln, was ihr in euren Voreltern gewesen, und ich will euch gründen ein Land Staren, und ihr sollet Weizen und Korn bauen und Weinbeer essen in alle Ewigkeit.'
 
'Weinbeer! Weinbeer! Vivat Prinz Damon!' schrie das Starenvolk nun allgemein. Frau Aglaster aber war ganz anderer Meinung, sie schüttelte mit dem Kopf und sagte: 'Ich habe mich hinreichend überzeugt, daß man eher bei Menschen Starenverstand als bei den Staren Menschenverstand findet, und so wäre es besser, Damon würde ein Star und verbände sich mit mir, die eine arme Wittib ist, euch zu regieren.'
 
Über diesen Vorschlag lachte und schrie das ganze Volk; sie sagten, das hieße vom Pferde auf den Esel kommen, und schrieen fortwährend: 'Vivat Weinbeer, Weizen und Menschenverstand!'
 
Da war die ganze gute Stimmung der Frau Aglaster vorüber, und sie rief wieder heftig: 'Mein Ei! Mein Wunderei! Komm, Cisio Janus, steh mir bei!' Ich aber sagte: 'Ei was, es fällt kein Sperling vom Dach ohne Gottes Willen' – und wollte mich entfernen; da erwiderte sie: 'Vorhin spracht Ihr von einem Federchen, jetzt ist es schon ein Sperling; aber es ist hier von einem Schicksalsei und einem Nest die Rede, das kein Dach ist.
 
Höret, höret!
Es ist leicht, ein Ei zu kauen;
Aber was im Ei gelebt,
Läßt sich nicht so leicht verdauen;
Denn es wird sein Ziel erschauen,
Was da lebet, was da schwebt.
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei!
 
Höret, höret!
Äußrer Faden abgerissen
Spinnt sich weiter innerlich,
Und der leicht verschluckte Bissen
Wird nach Wissen und Gewissen
Einst auch wieder äußerlich.
Weh! mein Ei! mein Wunderei
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.
 
Höret, höret!
Dieses Leben, das im Eichen
Ihr verzehrtet, war bestimmt
Nach der Schale Wunderzeichen,
Viel Verkehrtes auszugleichen,
Was nun andre Wege nimmt:
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.
 
Ein Geschick habt ihr verschlungen,
Schien es gleich nur Starenei;
Was sein Flügel hätt geschwungen,
Was sein Schnabel hätt gesungen,
Das ist darum nicht vorbei:
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.
 
Was dem Star war zu verzeihen,
Neugier, Glanzsucht, Plauderei,
Wird manch Menschenherz entzweien,
Daß es muß zum Himmel schreien,
Weh um die Verräterei!
Weh! mein Ei! mein Wunderei!
Janus, Janus, Cisio!
Ach und Oh!
Steh den Witwen und Waisen bei.'
 
Während Frau Aglaster mit aller traurigen Majestät, deren ein kinderlos verwitwetes gekröntes Starenhaupt fähig ist, diese prophetische Weheklage ausseufzte, hörte ich mehrmals ein entferntes Stöhnen wie eines Mannes, der auf mühsamem Wege begriffen ist, und bei diesem Stöhnen ward ihr Ruf immer heftiger. Scholl wollte ich fragen: Wer ist nur der Cisio Janus, der so lange ausbleibt?! – Da sagte sie, als wisse sie meine Frage schon: 'Sparen Sie die Frage, hier ist er schon.'
 
In diesem Augenblick kam ein Mann herein, der mich arme Frau Mondenschein, welche damals eine gar schüchterne Braut war, in eine ungemeine Verlegenheit setzte; es wurde mir, als kenne er mich durch und durch in allen meinen vier Vierteln, alle meine Konjunktion, Komplexion, Temperament und Leidenschaft. Es wurde mir ganz kurios zumute; denn es war mir, als schaue mir der Herr Cisio Janus bis in das feinste Strählchen meines Innern hinein. Ihr wißt wohl, wie einem zu Mute wird, wenn man eben sehr superfein und engelrein wie Edelstein und Elfenbein und Heiligenschein in der Nähe werter Freunde sich zieret, und es tritt der Hofmeister herein, der einen abgestraft; der Hausarzt, der einem den Buckel, die schiefe Hüfte, die hohe Schulter vertrieb und Inneres und Äußeres eingerichtet hat; der Zahnarzt, Nägel- und Hühneraugen- und Starstecher, der einen repariert hat; oder die Kleiderhändlerin, die einem den Prachtanzug gebracht hat, oder die Näherin käme und sagte: 'Das Hemd ist gar nicht mehr zu flicken', und breite es vor jedermann aus, und dergleichen menschliche Haushaltungsfälle, die einem das Blut in die Wangen treiben.«
 
»O ja, wir wissen schon, wir wissen schon, es ist zum Sterben!« riefen die Fräulein. »Aber wie geschah das durch den fatalen Herrn Cisio Janus so? Wie sah er denn aus? Wer ist er? Wie wußte er das? Lebt er noch? Könnte er jetzt wiederkommen? Ach, wenn er doch säße, wo der Pfeffer wächst!« So fragten alle die Hoffräulein durcheinander und drängten sich ängstlich an Frau Mondenschein heran, als sei der Herr Cisio Janus, der alles wisse, schon in der Nähe.
 
Frau Mondenschein lächelte über die Besorgtheit ihrer Dienerinnen, und mit ihrem Lächeln kam eine innige süße Ruhe über sie alle, und sie waren wieder zufrieden; das artige Mäulchen, das sie im Lächeln machte, erinnerte mich an die freundliche Prinzessin Ameleya, wie sie sich so lieblich umschaute, da ich armer Radlauf ihr die nasse Schleppe trug nach ihrer Errettung aus der Rheinflut, damit sie ihr nicht so an die Beine schlagen sollte.
 
»Beruhigt euch ganz,« fuhr Frau Mondenschein fort, »Herr Cisio Janus lebt nicht mehr; ihr werdet hören, wie es ihm ergangen.« Ich zog mich, als ich Fußtritte hörte, etwas hinter den Schäfer Damon zurück, und siehe! da trat ganz außer Atem ein Mann herein, nicht jung und nicht alt; er sah aus wie einer, der alle Tage anders ist und doch immer einerlei, wie einer, der ewig fortfährt und am Ende wieder von vorn anfängt. Sein Mantel hatte drei Bahnen, sein Rock hatte drei Bahnen, sein Hemd hatte drei Bahnen, seine Hosen hatten drei Bahnen; jede dieser zwölf Bahnen war von anderer Farbe und in vier gleiche Felder geteilt; jedes dieser Felder wieder in sieben Feldchen, und jedes dieser sieben Feldchen in vierundzwanzig halb helle und halb dunkle Würfel; alle diese kleinen Felder auf den Kleidern des Herrn Cisio Janus waren mit den Todesanzeigen vieler berühmten Leute besteckt, deren Geister ihn jährlich einmal am bestimmten Tage besuchten. Wenn dieses besonders ausgezeichnete Leute waren, so waren die Anzeigen von roter Farbe. Alles dieses beobachtete er mit der größten Pünktlichkeit und war von oben bis unten und überall mit unzähligen Merkzeichen besetzt. Er hatte an jeder der zwölf Bahnen ein anderes Ordenszeichen hängen und folgte reihum dem Einfluß dieser großen Herren; sie waren wie die zwölf Himmelszeichen. Was mir aber ganz ärgerlich war, ist, daß er mein Porträt unzähligemal bald ganz voll und rot, bald halb Profil, bald ganz Profil, bald rabenschwarz wie Knöpfe auf seine Kleider genähet hatte, und daß diese Knöpfe keineswegs allein auf der Brust, sondern überall herumsaßen; er sah aus, als ob er wunder was für vertraute Bekanntschaft mit mir hätte. Er hatte einen Wuchs wie ein Kerbholz, Beine wie ein Meßzirkel, Arme wie ein Zollstock; sein Gesicht war wie eine Sonnenuhr und die Nase wie der Zeiger; seine Perücke war in zwölf Locken um die Stirne frisiert, welche zwölf Stundenzahlen vorstellten, sein eines Auge sah immer nach dem Schatten, den seine Nase warf, und das andere sah bald die Leute an, mit denen er sprach, bald irrte es auf den vielen Zeichen seines Gewandes umher, meistens aber schaute es nach den Sternen durch eine Brille, die er gewöhnlich trug, oder ein Sehrohr, das er am Hut befestigt hatte. Dieser Hut aber war ganz abenteuerlich; er drehte sich und rauschte wie ein Bratenwender und der Lauf der Gestirne bewegte sich daran, aber nicht allerdings ganz richtig, und da er behauptete, daß dieses ganze Werk nur eine Fortsetzung seines Gehirns sei, welches er mit seinen Gedanken bewege, pflegte er sehr bös zu werden, wenn man sagte, es scheine doch aufgezogen zu sein wie eine andere Uhr, denn sein Haarbeutel gehe ja wie ein Perpendikel und wozu denn die langen Schnüre niederhingen mit den Gewichten? Er sagte aber, dieses seien die Bleigewichte, an denen das Gleichgewicht von Europa regiert werde, und der Haarbeutel sei das von ihm erfundene perpetum mobile, was ihm aber nie geglaubt worden ist. Auf seiner einen Schulter saß ein Hahn, und in der rechten Hand führte er einen langen hohlen Stab, worauf eine kreischende Wetterfahne befestigt war, die ihm aber auch als Sehrohr diente. Auf seiner Schnupftabaksdose war ein Kompaß, und in ihr selbst war Schneeberger Schnupftabak, jedoch weit mehr kleine weiße Erinnerungspapierchen, um dies und jenes nicht zu vergessen. Er schnupfte sie immer mit dem Tabak, und wenn er nieste, stoben sie wie Schneeflocken um ihn her. Zu seiner seltsamen Kleidung gehörte noch, daß er hinten über dem Haarbeutel eine Schlinge befestigt hatte, woran er sich, wenn er ruhte, an die Wand hängen ließ, und außerdem war der seltsame Mann mit weißem Papier durchschossen, worauf allerlei Zinsen und Schulden, Geburts- und Sterbefälle aufgekritzelt waren. Man sollte meinen, das alles müßte sehr geraschelt haben; aber nein, er tat alles Schritt vor Schritt und zu seiner Zeit, darum kam er auch gleich auf den Ruf der Frau Aglaster; denn er hatte die Reise schon aus den Sternen gesehen und sich zur gehörigen Zeit auf den Weg gemacht.
 
Jetzt könnt ihr euch den seltsamen, bunten, krausen, schnurrenden, perpendikelnden Mann denken, der doch ganz stille, leise und pathetisch war; aber sein Diener, der ihm mit einer Papierlaterne leuchtete, war nicht weniger wunderlich; er hieß Schneppermann, und was sein Herr an Kleidern zuviel hatte, das hatte er zuwenig. Sein Kleid lag ihm so dicht auf dem Leib, daß der Hundertste hätte glauben sollen, er hätte gar keines an; er hatte wunderbare Manieren und ließ sich nie von der Seite sehen. Wie man nach ihm schaute, trat er einem mit dem ganzen Leib entgegen, spreizte die Füße und streckte die Arme kreuzweis auseinander. Eine ganz besonders künstliche Einrichtung aber an ihm war, daß an sehr vielen Stellen seines Leibes Schnüre befestige waren, an deren Enden auch eines der Ordenszeichen hing, die sein Herr anhangen hatte, und wenn sein Herr ihn rief, stiegen diese Zeichen mit den Schnüren in die Höhe, und es war, als ob ein Pfau ein Rad schlägt. Er war übrigens, obwohl man alle seine Adern hüpfen sah, ein gelassener Mensch und ohne viele Worte; denn er sagte nichts, als: Gut lassen, oder: Bös lassen, was soviel hieß als: Ja, Ihro Wohlweisheit, oder: Nein: Ihro Wohlweisheit. – Seine Papierlaterne war auf einem Stabe befestigt, an welchem eine Tasche voll Schröpfköpfe, Lanzetten, Aderlaßschneppern und vielen weißen und roten Binden hing.
 
Das sind die Leute, die in die Höhle traten. Eben wollte Frau Aglaster ihm ihre ganze Leidensgeschichte vorerzählen, aber er nahm sogleich das Wort und sagte:
 
'Es ist mir nur allzu bekannt, daß alle Aspekte und Konjunkturen und Konstellationen ihrer Nativität auf den Gipfel einer gefährlichen Entscheidung gekommen waren in diesen Tagen, und ich habe bereits alles vorausnotiert. Ich war immer der treueste Diener ihres hohen potentatischen Hauses und Resident und Geschäftsträger derselben bei den hohen himmlischen Häusern und dem Tierkreis des Herrn Sternenreichs, was die mich bedeckenden vielen hohen Orden rühmlich beweisen. Ich habe die geheime, treulose, intrigante Politik des mit der Hohen Pforte nicht umsonst so nahe verwandten Mondhofs gegen die hohen und lauteren Ansprüche Allerhöchst Dero Stammes gründlich mit meinen Augen und sonstigen Hilfsmitteln ausgemittelt und mir zum voraus dargestellt und dessen gefährliche Insinuationen immer früh genug entlarvet, um derselben nachteilige Wirkungen zu evitieren. Bei Hochderoselben Geburt waren bekanntlich die Aspekte für Dero hohes Haus ganz ungemein bedrohlich; es ergab sich aus den Gestirnen Dero Temperaments-Komplexion als von den tragischsten Ereignissen begleitet; ja es ergab sich, daß durch Hochderoselben vermutlichen Nachkommen ein gänzlicher Umsturz des königlichen Hauses erfolgen könne. Es ward daher in einem hohen Familienrat beschlossen, Hochderoselben Eigenschaften: Neugier, Hang nach blinkenden Gegenständen, Plauderei und vor allem hoch fliegende Gesinnung, für Dero Stamm unschädlich zu machen, und so wurden Hochdieselben durch meine ungemeinen Bemühungen und Konnexionen bei dem feindlichen Mondhofe durch denselben selbst in einen Starenvogel mit Beibehaltung königlicher Würde verwandelt und einem melancholisch gewordenen hochgebornen Forstjunker Picus de Mirandola Hochdero königlichen Hauses anvertraut, auf daß er Hochdieselben hier in den Schwarzwald, als eine Dero nunmehriger Persönlichkeit entsprechende und von Dero Heimat genugsam entfernte Gegend, bringen sollte. Dieser ausgezeichnete, nur etwas überspannte Mann ist Hochdero Person nur allzu bekannt; Dero Trauer als Witwe ehret sein Angedenken.'
 
Hier unterbrach Frau Aglaster die lange Staatsrede des Cisio Janus mit einem rührenden Schluchzen, wobei sie die Flügel betrübt niederhangen ließ und auch alle anwesenden Stare piepten und jammerten, welche einfache Naturstimmen wunderbar mit dem geschraubten Staatsstil des Cisio Janus zusammenstimmten.
 
Cisio Janus fuhr fort: 'Des hochseligen Herrn Gemahls Picus de Mirandola ernste Gesinnung, seine großen Naturstudien, seine früherlangte Doktorwürde und gekrönte Preisschrift von der Einheit der vier Elemente, seine gelehrten Würden als wirkliches Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft der Erde, korrespondierendes Mitglied der atmosphärischen Gesellschaft der Luft, begleitet mit dem Orden der Windrose, assekuriertes Mitglied der Akademie des Feuers, Inhaber des Phönixordens, schwimmendes Mitglied der Akademie des Wassers mit dem Orden der Arche Noah und dem Ehrenzeichen des gekrönten Mühlrades, alles dieses, verbunden mit einer entschiedenen Neigung, unverehelicht zu bleiben, entsprachen ganz der Wahl seiner Person zu Allerhöchst Dero Exilsvollstreckung. Aber man hatte desselben gefährlich poetische überspannte Richtung und Hang zum Mystizismus und seine gefährliche Hinneigung zur Politik des Mondes nicht erwogen. Es zeigte sich hier das alte Sprichwort im vollen Maße als wahr:
 
Des Gestirnes Schicksalszwirn
Kannst du höchstens nur verwirrn;
Endlich kommt er an die Sonnen,
Ist er noch so fein gesponnen.
 
Man hatte Hochdieselben hier in diese Höhle bringen lassen, weil hier damals keine Stare waren, und so einer etwaigen Neigung Hochderoselben, zur Ehe zu schreiten, begegnet war. Der Hochselige Herr Picus de Mirandola gewann aber zu Hochderoselben liebenswürdigen Eigenschaften eine große Zuneigung; er wollte Dieselben nie mehr verlassen; er überließ sich hier in der Höhle seinen ferneren Studien, und das trügerische Kabinett des Mondes trieb ihn mit seiner scheinheiligen Influenz endlich so weit, daß er durch geheimnisvollen Selbstmord sich in einen Staren verwandelte und mit Hochderoselben das Ehebündnis schloß. Das hier anwesende edle Volk der Stare verdankt dieser Verbindung seine Anwesenheit allhier, aber auch die allgemeine Klage über vorliegendes zerbrochenes Schicksalsei; er selbst ward von einem ausgesendeten königlichen Kammerjäger, um diese Konjunkturen zu vermeiden, welche ich vorausgesehen, aber leider zu spät, erschossen; das Schicksalsei war schon gelegt, und es blieb dem Kammerjäger nichts übrig, als die Quelle über den Eingang zu leiten, um das Ausbrüten des gefährlichen Schicksalseies zu stören. Dieses gelang, aber zum Schaden, denn durch die List der Frau Mondenschein geschah der Handel mit dem Schäfer, der das Ei verschluckte und das Schicksal mit demselben, welchem nun ferner abwendend zu begegnen unserer geringen Einsicht obliegt. Es wird daher vor allem nötig sein, die zurückgelassene Schale zu inspizieren und ad acta zu legen, nach gehöriger Vergleichung mit meinem einschlagenden Notizen aus dem Gestirn.' Indem griff er mit der einen Hand nach der Eierschale und mit der andern nach einem spitzigen Messerchen, und da er etwas auf seinem wunderlichen beschriebenen Rock nachsehen wollte und diese Hand dazu brauchte, nahm er das Messer in den Mund; er besah das Ei und die Zeichen seines Rockes vergleichend ganz tiefsinnig. Indes nahte die Zeit, daß ich, Frau Mondenschein, mich verändern sollte, ein Moment, wo meine Gewalt so groß wird, daß selbst das Meer meiner Schleppe folgt. Das Aderlaßmännchen fühlte die Veränderung in allen seinen Adern und lispelte schon die Worte: 'Bös lassen, bös lassen!'; die Räder auf dem Kopf des Cisio Janus fingen an sich zu drehen, der Hahn auf der Schulter streckte den Hals; alle diese vielen Konjunkturen vereint mit der Beschauung der Nativität des Schicksalseies spannten den Mann aufs äußerste; er stand wie erstarrt, während alles zu ihm Gehörige bewegt zitterte. Ich aber sah der Frau Aglaster scharf ins Gesicht; sie hatte die Worte des Cisio Janus mit Trauer und Erbitterung gehört; die Art, wie er von ihrem verstorbenen Picus de Mirandola gesprochen, die Eröffnung, daß er durch ihren Stamm beiseite geschafft worden, daß man den Untergang ihres Eies durch den Wassersturz beabsichtigt, alles das und vor allem ihr dringendes Geschick trieben sie auf den äußersten Punkt der Verzweiflung; aber sie verriet sich nicht und sprach folgende Worte:
 
Mein Volk! du hast gehört,
Ich bin zum Weh geboren;
Ein Opfer für mein Haus,
Hab ich den Wald erkoren;
Prinzessin ward zum Star,
Doch Picus folgt' mir nach,
Der euer Vater war,
Der also weislich sprach;
Er fiel durch ein Geschoß
Aus meines Stammes Hand,
Und auch mein letzter Sproß
Den Tod durch diese fand.
Nun rief um Hülfe ich
Den Cisio Janus an,
Der hat gar grausamlich
Mir weh im Herz getan.
Mir bleibet keine Wahl,
Geht, folgt dem Schäfer ihr,
Ich ende meine Qual
Als eine Heldin hier.
Hört meinen letzten Spruch,
Mondschäfer! Euren Stamm
Ich jetzt mit ernstem Fluch
Zu Starenart verdamm:
Neugier und Sucht nach Glanz,
Leichtsinn und Plauderei,
Der Tiefsinn meines Manns
Bei Kind und Kindskind sei;
Bis einst ein später Erbe
Als Star wie ich so edel sterbe.
 
Bei diesen Worten schrie das Aderlaßmännchen: 'Gut lassen, gut lassen!' und der Hahn krähte mit lautem Schrei. Aber Frau Aglaster stürzte sich mit ausgebreiteten Flügeln mit solcher Heftigkeit gegen das Angesicht des schielenden Cisio Janus, daß sie ihr edles Herz auf der Lanzette durchspießte, die er im Munde hatte, und mit dieser in seine Weste tot hinabsank, die er eben aufgeknöpft hatte.
 
Alles dieses geschah in einem Augenblick, doch störte es den Herrn Cisio Janus gar nicht, er lächelte und las, die Weste zuknöpfend, von derselben folgenden Reim ab:
 
'Gut Aderlassen auf den Schreck
Die Königin bringt zu dem Zweck!
 
ist eingetroffen'; dann sagte er zu den wehklagenden Staren: 'Beruhigen sich die Fräulein und Junker einstweilen und hören meinen ferneren Bericht über meine Erkenntnisse, insofern sie die hochselige Frau Aglaster und deren Dependenz betreffen; denn das Verfahren meines respektiven Hofes ist allerdings offen und scheuet das Licht nicht.'
 
Erstens meine Aufmerksamkeit und schnelle Abreise für Frau Aglaster:
 
Bös Eierlegen groß Gefahr
Für Mensch und Fisch und Katz und Star.
 
Verspätete Ankunft:
 
Mit dichten Stiefeln versehe dich,
Der Wassermann geußt heftiglich.
 
Eingetretene hohe Unfälle:
 
Groß Schicksal für gekröntes Haupt,
Der Mutter wird das Kind geraubt.
 
Unmaßgeblich schon erwähnte Folgen:
 
Gut Aderlassen auf den Schreck.
Die Königin bringt zu dem Zweck!
 
Das Schicksalsei betreffend:
 
Die Sterne schreiben ihre Schrift,
Wenns auch ein kleines Ei betrifft.
 
Nun aber schreite ich zur Erklärung der wunderbaren Signatur des Schicksalseies selbst'; und damit zeigte er auf der Eierschale hintereinander abgebildet und erklärte folgende Figuren.
 
'Erstens eine Viertelmondscheibe und ein Schäferstab dabei:
 
Des Mondscheins letztes Viertel noch
Verliebt sich in den Schäfer doch,
Die Schäferin kommt hoch in Flor,
Die Menschen schiert, der Schaf sonst schor.
Er bleibt vom Mondenschein behext,
Bis durch den Tisch der Bart ihm wächst.
 
Hierauf eine Reihe Figuren, die ferneren Nachkommen betreffend; erstens: Der Mondschäfersohn verbunden mit einer Erdentochter bedeutet durch einen Edelstein:
 
Ein Kind im Schäfermond geboren
Liebt Glanz und Stein herauszubohren;
Die Habsucht treibt es in den Grund,
Die Neugier bricht den edlen Bund.
 
Weiter der Enkel und seine Braut durch einen Vogel abgebildet:
 
Ein Kind im Erdenmond geboren
Spitzt nach der Luft die feinen Ohren;
Die Neugier und das Erdenlicht
Sucht Vogelflug, bis Treue bricht.
 
Weiter der Urenkel und seine Braut als Feuer abgebildet:
 
Ein Kind im luftgen Mond geboren,
Mit Feuer und mit Erd verschworen,
Bringt Land und Leut in Brandgefahr,
Neugier verbrennt sein Mutter gar.
 
Weiter der Ururenkel und seine Braut als Mühlrad abgebildet:
 
Ein Kind im Feuermond geboren
Geht in dem Wasser schier verloren;
Neugier, Leichtsinn, Verräterei
Aus altem Stamm wird werden frei.
 
Das Mühlrad, ein Star mit einer Linie durchzogen, eine weiße Maus und ein Fisch. Ich sehe wunderbare Dinge in den Sternen:
 
Wunderzeit, wenn Ratz und Katz
Geleiten einen Schatz zum Schatz
Wohl auf des alten Rheines Flut,
Es wird dann alles werden gut;
Glück, dann hält deines Rades Lauf
Der Brautkranz und die Krone auf.
Freiwillig stirbt ein edles Haupt,
Dem Müller wird die Braut geraubt,
Aglasters Fluch erfüllet sich:
»Bis einer edel stirbt wie ich.«
Es giebt die Luft sich selbst den Tod,
Es läuft die Erd nach Zuckerbrot,
Das Wasser schlüpft in rote Schuh,
Das Feuer nur allein hat Ruh,
Vermählet mit der Quellen Flut
Tuts krankem Vieh und Menschen gut.
Groß Teuerung und Hungersnot,
Der Pfeffer ist voll Mäusekot,
Es lachet auf des Rheines Grund
Manch blaues Aug, manch roter Mund.
Der Müller ziehet über Land
Und trägt den Sarg in seiner Hand
Und legt zur Ruh der Väter Haupt,
Die Krone kehrt, die war geraubt.
 
Das sind nun die unfehlbaren Überschriften der zukünftigen Geschichte; aber ich verstehe die Katze und Ratze dem Schluß gegenüber nicht und zwar:
 
Die Katze ist ein dunkles Bild;
Sie scheinet auf die Ratze wild;
Sie kämpfen gegen, kämpfen für
Gleich wie zwei Advokaten schier.
 
Weiter findet sich noch hier in meinen Adspekten notieret:
 
Der Freund verändert die Natur,
Zu huldigen der Freundin nur;
Zum Sarge wird sein treues Herz,
Zu rächen den gerechten Schmerz.
 
Ich kann dieses nicht anders auslegen, als daß Frau Aglaster hier an meinem Herzen ruht, wie alle Interessen ihres königlichen Stamms.'
 
So weit hatte er gesprochen, als meine Zeit zu verschwinden auf dem letzten Punkt stand; da sagte ich zu Damon, vor die Höhle zu gehen und die Flöte zu blasen; er tat es, und alle Stare folgten ihm nach, ich aber trat dem Cisio entgegen und sprach:
 
'Ich will dir das von der Katze und dem Herzenssarge erklären'; ich berührte ihn mit meinem letzten Strahl, und der ganze zusammengeflickte schnurrende Mann mit all seinem Lauern und Haschen war in eine große Katze verwandelt, welche die verstorbene Frau Aglaster rupfte und aufzehrte. Das Aderlaßmännlein ritt auf derselben schnell davon als Kurier nach Hause, die Nachricht zu melden; erhielt aber ein so schlechtes Trinkgeld, daß er später Leibchirurg beim hinkenden Boten und endlich gar Blutigel geworden.
 
»Liebe Freundinnen!« fuhr Frau Mondenschein fort, dieser Fluch der Frau Aglaster ist wahr geworden. Als die Königin so herrisch gestorben war, sprach ich zu ihren Untertanen: 'Nun begebt euch in diese Höhle, begrabet die Frau Aglaster, nach drei Tagen werden wir uns wieder sehen.'
 
Über diese Verhandlungen war es Nacht geworden, und da die Zeit herannahte, da ich, wie ihr wißt, mich verdunkle und immer kleiner werde, ja sogar durch ein wunderbar Geschick ein paar Hörner bekomme, eilte ich, mich vor meinem Geliebten zu verbergen, der mich nur in meinem vollen Glanze gesehen hatte, weil ich fürchtete, er möge mich dann weniger lieben. Ich erweckte meinen Damon und sagte zu ihm: 'Komm mein lieber Hirt, ich will dich zu meinem Vater führen und ihn bitten, daß er uns zu unserer Ehe seinen Segen gebe.' Er folgte mir, nur fragte er oft: 'Wer ist dein Vater? wo wohnt er? ist es noch weit?' und schien überhaupt sehr neugierig geworden, was mich ängstigte, darum machte ich ihn wieder schlafen, und so hob ich ihn empor über die Gipfel der Berge zu meinem alten Vater, dem Mond, der hinter einer Wolke saß und allerlei alte abgetragene Monde und Sterne, die da in der Rumpelkammer lagen, musterte.
 
'Was machst du, Vater?' sagte ich. 'Ei', sprach er, 'mein Kind! ich suche mir unter den alten Invaliden einen aus, der mir die Sterne hüten könnte, wenn ich mich verfinstere.' – 'Da komm ich ja recht gelegen', sprach ich; 'seht, da bring ich Euch einen Hirten schön und tugendhaft; er wird Euch die Sterne gar wohl hüten.' – 'Aber um welchen Lohn', sagte mein Vater, 'wird er mir meine Sterne hüten?' Ich antwortete ihm: 'Um keinen geringeren Lohn, als der edelste Schäfer Jakob von seinem Herrn Laban genommen hat: um mich, um Eure Tochter.' Da lachte mein Vater und sagte: 'Ei! ei! weht der Wind daher; aber wo willst du mit ihm wohnen?' – 'Ich habe ihm schon ein Schloß erbaut, und Land und Leute soll er finden', erwiderte ich und erzählte meinem Vater alles; auch die Verwünschungen der Frau Aglaster. Hierauf riet er mir, meinem neuen Geliebten meine Abkunft zu verbergen und ihm unter der strengsten Strafe zu verbieten, daß er mir, wenn ich abnehme und im letzten viertel verschwinde, irgend nachforsche; das versprach ich ihm, und so gab mir der gute Vater seinen Segen, worauf er mir sagte, ich sollte mit ihm zu meiner Großmutter gehen, die er immer besuchte, wenn er sich verfinsterte. Während er sich zu dem Weg bereitete, weckte ich meinen schlafenden Damon, gab ihm einen Schäferstab in die Hand und zeigte ihm die Sterne, die er hüten sollte, mit dem Versprechen, in wenigen Tagen ihn wieder zu finden, worauf ich ihn verließ und meinem Vater zur Großmutter folgte.
 
Unterwegs erzählte mir der Mond, mein Vater, folgendes: 'Es ist lange, daß ich nicht bei der Großmutter war, und ich weiß gar nicht, ob sie noch lebt. Ich will dir nun auch sagen, warum ich nicht gerne zu ihr gehe. Es war im ersten Winter, den die Welt jemals erlebte, sehr kalt; ein junger zarter Knabe war ich, und da kam es mir ganz spanisch vor, so nackt wie ich bin, nachts die Laterne am Himmel herumzutragen; ich lief daher weinend zu meiner Mutter und sprach: »Mutter, macht mir einen warmen Rock, denn mich friert ungemein.« – »Von Herzen gern«, sagte meine Mutter, und nahm mir das Maß; ich war damals gerade im Zunehmen, und da ich wie Kinder keine Ruhe hatte, lief ich von meiner Mutter weg und schweifte mit meiner Sternenherde am Himmel herum; aber die Kälte trieb mich wieder hin zu ihr, nach meinem Röcklein zu fragen. Sieh, da war ich unterdessen so groß geworden, daß ich gar nicht in den Rock hineinkonnte. Meine Mutter begann nun das Röcklein wieder aufzutrennen und die Nähte aller Orten auszulassen, damit der Rock mir passen möge. Ich konnte das aber nicht erwarten und lief ihr wieder davon zu meiner Herde. Sie nähte emsig manche lange Nacht bei dem Lichte eines Kometen, und da sie nun fertig war und ich ganz erfroren wieder nach Hause kam: sieh, da war ich wieder so dünn, schmal und blaß vom vielen Laufen geworden, daß das Röcklein wie ein Sack über mir hing, so daß ich bei jedem Schritt und Tritt stolperte. Darüber ward meine Mutter so verdrossen, daß sie mir verbot, je wieder ihr Haus zu betreten, sie jagte mich hinaus, und seitdem muß ich armer Schelm nackt und bloß am Himmel herumlaufen, bis jemand kommt und mir ein Röcklein tut kaufen. Du kannst daraus leicht abnehmen, daß die Großmutter ein bißchen verdrießlich ist und dich wahrscheinlich übel anfahren wird, besonders wenn sie etwas von deiner Liebschaft hört; aber mache dir nichts draus, die alten Leute sind wunderlich.'
 
Unter solchen Gesprächen kamen wir in den Tierkreis, über dem die Großmutter wohnte, und als wir endlich an ihr Haus kamen, das von außen wie ein alter Hühnerkorb aussah, pochten wir an; aber du mein Gott, was herrschte da drin eine Pracht! Alles spiegelte und blinkte, auf den Treppen war Sand von gestoßenen Sternen gestreut, alle Wände standen voll blanker Teller und Kannen; kurz alles war so aufgeputzt, daß man nicht wußte, wo die Füße hinsetzen. Wir pochten an vielen Türen; aber alle waren verschlossen, bis uns ein Geklimper und Gezänke in den Hof lockte; – da war ein merkwürdiger Spektakel; die zwölf Zeichen des Tierkreises standen umher und scheuerten und putzten an einer Menge von Monden, Sonnen und Kometen, daß ihnen die Finger bluteten. Meine Großmutter stand mitten unter ihnen; sie hatte einen Kamm in der Hand und kämmte einen großen Kometenschweif aus. Kaum hatte sie uns gesehen, als sie davonlief und dann eilig in einem andern Kleide wiederkam; die Haube hatte sie in der Bestürzung verkehrt aufgesetzt. Als sie nun meinen Vater erblickte und erkannte, fing sie gleich an zu zanken: 'Was! du unverschämter Bursch, laufst du immer noch nackend herum? du verlorener Sohn! Kömmst gewiß wieder um ein Kleid zu betteln, und was hast du denn da für eine gezierte Dirne bei dir?' – 'Liebe Mutter', sagte mein Vater mit Tränen, 'es ist meine Tochter, die Euch die Hände küssen will' – und nun ging ich hin und küßte der Großmutter den Saum ihres Gewandes, worüber sie sehr gerührt wurde und mich weinend an ihr Herz drückte, meinem Vater aber schenkte sie ein gestricktes Kleid, Hosen und Wams an einem Stück, welches man Leib und Seele zu nennen pflegt, und das sich nach seiner verschiedenen Größe in die Weite und Länge dehnte. Nun hieß sie uns erst recht willkommen, führte uns in ihre prächtigen Stuben und zeigte uns alle ihre Schätze. Da standen wohl viele hundert Monde und Sonnen und Sterne, alle blank wie Spiegel gescheuert; wohl an die hundert Zentner Kometen waren in Vorrat da, ein ganzer Speicher voll Nordscheinen, zwei Keller voll Sternschnuppen, jeder in ein Papierchen gewickelt; unzählige Hunderte von Irrwischen in Flaschen petschiert; was mich aber am meisten freute, einige hundert Dutzend der schönsten Regenbogen in nasses Stroh eingewickelt; kurz, da war alles vollauf.
 
Als wir diese Schätze hinreichend bewundert hatten, sprach sie: 'Ihr kommt heute gerade recht, denn meine Katze hat sich heute so viel geleckt und geputzt, daß ich gewiß Gesellschaft bekomme; drum habt ihr mich auch mit Putzen und Scheuern beschäftigt gefunden.' Hierauf klagte sie sehr über die Verderbtheit des Gesindes heutzutage, stellte Spieltische zurecht und räumte hie und da in der Stube auf.
 
Kleine Zeit darauf kamen vier alte Schwestern zu ihr, die ebenso gut geputzt waren wie sie. Sie bewillkommten sie mit unendlichen Komplimenten, und ihre Lieblingstierchen, die sie mit sich trugen, spielten miteinander. Die Großmutter stellte ihren Sohn als Monsieur Mond, mich, ihre Enkelin, als Mademoiselle Claire de Lune vor, und die Damen empfingen uns mit ungeteiltem Beifall; – nachher setzten sie sich an den Spieltisch und spielten Karten, wobei ich, die Langeweile zu vertreiben, die Damen etwas näher betrachtete.
 
Die eine hieß Frau Luft. Sie war sehr mager und leicht und durchsichtig gekleidet und pfiff ein wenig mit der Nase, was ihr Papagei, den sie auf dem Arme trug, nachmachte. Die andere hieß Frau Erde. Sie war eine Witwe, dick und fett, und hatte einen grasgrünen Rock mit Diamanten besetzt; sie mußte nicht ganz wohl sein, denn es rumpelte ihr oft im Bauch, worauf sie nieste und alle Gotthelf! sagten; auf ihrem Arm hatte sie einen Affen sitzen. Die andere hieß Frau Feuer. Sie hatte wenig Ruhe und wackelte immer hin und her; ihr Rock war von geschlagenem Gold und Asbest; alle Augenblick bat sie sich einen kühlen Trunk aus und leckte sich vor Hitze den Mund; in ihrem Schoß hatte sie einen Salamander sitzen, den sie sehr liebkoste. Die vierte Dame hieß Frau Wasser. Sie hatte ein Kleid von Binsen an, mit Perlen gestickt; bald war sie ganz ruhig und sanft, bald aber, wenn Frau Luft einen guten Trumpf machte, runzelte sie die Stirne und wurde recht zornig; mit Frau Feuer aber konnte sie sich am wenigsten vertragen und fuhr ihr alle Augenblick übers Maul. Übrigens hatte sie einen schönen Goldfisch im Schoße, mit dem sie spielte; auch nahm sie alle Augenblick einen Vorwand, beiseite zu gehen: bald drückte sie der Schuh, bald war ihr nicht wohl, bald dieses, bald jenes.
 
So war die Gesellschaft, und ich merkte meinem Vater wohl an, daß er ebenso gern als ich im Freien gewesen wäre; denn er begann schon wieder zu wachsen, und seine Jacke war ihm doch unbequem. Nach dem Spiel wurde geschmauset, und endlich fing meine Großmutter an, davon zu sprechen, ob ich nicht Lust hätte, mich zu verheiraten. Ich ward über und über rot und sagte Ja, und mein Vater sagte: 'Darum kommen wir eben; ihr Bräutigam ist bei mir zu Hause und hütet mir die Sterne, ein munterer schöner Schäfer.' – 'Brav!' sagten die vier Damen, aber die Großmutter sagte sehr zornig: 'Was, brav! daraus wird nichts; ich bin noch ein bißchen reicher als sonst jemand, und werde meine Enkelin eher einem Schiebkärrner geben als solch einem Vagabunden, Poeten, Landstreicher, so einem Schäfer!' 'Ei, ei!' sagte Frau Erde, 'hat doch Apollo selbst die Schafe des Königs Admet gehütet.' – 'Und war doch Jakob ein Schäfer, der die Rachel am Brunnen sah', sagte Frau Wasser, und Frau Luft und Feuer stimmten ein und verteidigten meine Wahl.
 
Da ward meine Großmutter sehr zornig und sagte: 'Wohlan! so mögen Ihre Töchter, meine Damen! alle solche Mißheiraten tun; darum will ich den allmächtigen Jupiter bitten: ein Bergknappe, ein Vogelsteller, ein Kohlenbrenner, ein Müller mögen eure Nachkommen werden.' – 'Das soll ein Wort sein, ja, und Fürsten und Könige dazu!' schrieen die Damen aufstehend und in die Hände patschend. Da schrie die Großmutter: 'Fort! packt euch aus meinen Augen, Freunde sind wir gewesen!'
 
Mein Vater konnte sich nun nicht mehr halten; der Zorn hatte ihn so aufgetrieben, daß ihm ein Knopf von seiner Jacke gerade der Großmutter ins Maul sprang, die darüber in eine Ohnmacht fiel, und somit brach die Gesellschaft in allgemeiner Verwirrung auf, und ich eilte mit meinem guten Vater zurück auf die Himmelswiese, wo ich meinen Damon schlafend fand.
 
Mein Vater legte seine Hand in die meinige und sagte zu ihm: 'Du hast mir gedient, wie Jakob dem Laban, ich gebe dir meine Tochter; doch frage nie, wer sie ist, und wenn sie sich von dir entfernt, wolle nie wissen, wo sie hin ist. Während der Zeit ihrer Abwesenheit hüte du redlich meine Sterne. Jetzt lebet wohl. Gott segne euch.'
 
Traurig nahm ich Abschied von meinem Vater und brachte meinen Damon wieder hinab auf die Erde. Kaum hatte er sie mit dem Fuße berührt, als er heftig zusammenfuhr, als erwache er plötzlich. 'Ach' sagte er, 'welchen seligen Traum habe ich gehabt!' Und nun erzählte er mir alles, was ihm geschehen war.
 
Ich aber hatte mich nicht auf dieser Insel, sondern auf dem Berge, wo jetzt das Starenberger Schloß steht, mit ihm niedergelassen und sagte ihm, daß ich seine Frau sein wolle, daß ich ihn aber nur in mondhellen Nächten besuchen könne, und daß ich mich das letzte Viertel des Monats ganz von ihm zurückziehen müßte; wenn er mir schwöre, mir nicht nachzuforschen, so wolle ich ihn und unsere Nachkommen mit Glück und Segen überhäufen. 'Ach', sagte er, 'wenn ich nur in der Zeit deiner Abwesenheit immer so selig träumen könnte wie heute, von einer so schönen Wiese, einer so herrlichen Herde, so will ich niemals in deiner Abwesenheit nach dir verlangen.'
 
Nun aber berief ich die Stare zusammen, welche sich alle in kräftige und gesunde Menschen verwandelt hatten und in langen Zügen den Berg heranwallten. Ich stellte ihnen meinen Gemahl als Fürsten von Starenberg vor; sie huldigten ihm, und nun ward der Grundstein zu dem Starenberger Schloß gelegt. Gold und Silber fanden sie die Menge in dem Berge, wo sie die Steine brachen, und bei unermüdeter Tätigkeit sah bald das Schloß glänzend und herrlich nieder in den Spiegel des Sees. Ich besuchte meinen Gatten alle Abend, sobald mein Vater an dem Himmel erschien, der eine rechte Freude über mein Glück hatte und unser Schloß recht freudig ansah.
 
Das erstemal, als ich ihn im letzten Viertel meines Vaters verlassen mußte, schlief mein Damon ein, und ich hob ihn an den Himmel, und er hütete unsere Sterne, bis mein Vater wieder selbst an sein Amt trat und ich meinen Gatten wieder besuchte, der mir mit Freuden erzählte, daß er abermals jenen schönen Traum gehabt habe.
 
So lebten wir glücklich; das ganze Land verschönerte sich, und am Ende des Jahres brachte ich meinem Damon einen Sohn, den wir Johannes nannten und der von nun an unsere Freuden sehr vermehrte.
 
Als ich nachts einmal erwachte, hörte ich eine Stimme bei seiner Wiege singen, und weil ich seine Wärterin sonst nie singen gehört, zog ich den Vorhang zurück und sah den Geist der Frau Aglaster, aber nicht in Starengestalt, sondern wie eine altfränkisch gekleidete weiße Frau mit einem Krönlein auf dem Haupte, neben der Wiege stehn. Sie hatte einen blitzenden Diamantring am Finger und funkelte dem Kinde damit vor den Augen, welches begierig die Hände darnach streckte; dazu sang sie gar beweglich:
 
Ein Kind, im Schäfermond geboren
Liebt Glanz und Stein herauszubohren,
Es lockt der Schatz im tiefen Grund,
Und Neugier bricht den treuen Bund!
 
Da fielen mir die Worte des Cisio Janus in der Starenhöhle ein, und ich sagte: 'Gnade Gott, Frau Aglaster!' sie aber sprach:
 
Tugend und Laster
Bringt seine Frucht;
Segen ist gesegnet,
Fluch ist geflucht;
 
und da verschwand sie. Die Leute hatten alle noch viel von der Starenart, die Wärterin hatte das Lied gehört, ich hörte sie es nochmals an der Wiege singen, ich verbot es und sendete sie fort, da kam es gar unter die Leute, und ich mußte es oft hören!
 
Als Johannes mehrere Jahre alt war, pflegte er mit den Arbeitern an dem Berg herumzulaufen, und besonders war er gern in den Steinbrüchen und freute sich, wenn die großen Marmorblöcke losbrachen und mit lautem Geprassel in das Tal niederstürzten; ja er hatte eine solche Freude an dieser Arbeit, daß er in den Nächten, wo ich abwesend sein mußte und Damon träumte, als hüte er die Sterne, sich heimlich wegschlich, mit einer Lampe in dem Steinbruch herumkletterte und alle Steine hinabrollen ließ, die er bezwingen konnte.
 
Eines Abends nun hatten die Steinbrecher einen ungeheuren Block schier bis zum Niederstürzen losgebrochen und verließen ihn, als es dunkel ward, mit den Worten: 'Lassen wir ihn, er wird heute nacht durch sein Gewicht schon von selbst losbrechen', und so gingen sie mit dem kleinen Johannes nach Haus.
 
Nun aber konnte dieser seiner Begierde, den großen Marmorblock losstürzen zu sehen, nicht mehr widerstehen, und kaum schlummerte alles im Schloß, als er mit seiner Lampe zurück nach dem Steinbruch schlich. Mit gespannter Erwartung setzte er sich in eine Höhle neben den Block und hielt seine Lampe hervor, um den Block recht zu beleuchten, wenn er losstürze. Eine ganze Stunde hatte er gesessen, als die Glocke auf der Schloßuhr zwölf schlug und der Stein mit ungeheurem Geprassel niederflog und weit, weit in die Mitte des Sees stürzte, dessen Wellen mit ungeheurem Geräusch um ihn in die Höhe schlugen. Die Berge rings hallten wider, die Erde zitterte, und der kleine Johannes hatte ein namenloses Vergnügen an dem Lärm. Wie groß aber war seine Verwunderung, als er, da das Geräusch vorüber war, in seiner Nähe ein ängstliches Gewimmer hörte und, wo der Marmorblock niedergebrochen war, eine offene Höhle erblickte, in welcher einige kleine graue Weiblein ängstlich tiefer hineinflohen und eine kristallne Wiege verließen, in der ein wunderschönes Mägdlein schlief.
 
Neugierig trat der kleine Johannes an die Wiege, und da er nie ein anderes Kind gesehen hatte, verursachte ihm der Anblick die größte Freude. Die kühle Nachtluft, die in die Höhle drang, erweckte die Schläferin, und sie wollte weinen; aber da wiegte sie der kleine Johannes, und sie lächelte, worüber er eine unaussprechliche Freude hatte.
 
Kaum hatte er des Vergnügens einige Minuten genossen, als die kleinen grauen Frauen wiederkamen, die Wiege aufpackten und mit ihr tiefer in den Berg eilten. Johannes lief nach und gelangte endlich in eine schöne Kristallhöhle, wo eine hübsche alte Frau an einem erzenen Tisch saß und eine Menge Edelsteine vor sich hatte. Es war die Frau Erde, die ich euch schon bei meiner Großmutter beschrieben habe. Sie spielte mit ihrem Affen Schach, und alle die Figuren des Schachbretts waren lebendige Tierchen und machten allerlei artige Posituren.
 
Da die Wiege hereingebracht wurde, nahm sie ihr Töchterlein, Edelsteinchen genannt, auf den Schoß, und der kleine Johannes, den sie verwundert anschaute, nahte sich unbekümmert, spielte mit dem Kind, und Frau Erde gewann ihn lieb. Sie schenkte ihm eine Menge bunter Steine und führte ihn am Morgen selbst in Begleitung ihres Töchterleins an einer andern Stelle zu Tag. Die beiden Kinder umarmten sich zärtlich; Frau Erde verbot dem kleinen Johannes, von allem, was er gesehen, zu sprechen, und lud ihn ein, jede Nacht, wenn die Mutter abwesend sei und sein Vater schlafe, sie wieder zu besuchen, und gab ihm eine Wurzel, mit der er nur den Stein, wo er jetzt hinausgehe, berühren sollte, dann würde er sogleich wieder herein können.
 
Mein Söhnlein Johannes sagte uns kein Wort davon und ging wohl bis in sein sechszehntes Jahr alle Monate, wenn ich abwesend war, bei Frau Erde und ihrer Tochter zu Besuch. Als ihn aber Damon, sein Vater, einst bei einem großen Kasten voll Edelsteinen sitzen fand, und ihn erstaunt fragte, wo er alles dies her habe: wollte er es ihm nicht sagen, und als ich abends zu meinem Damon ging, fragte ich den Jüngling selbst aus. Aber auch mir verschwieg er die Quelle seiner Reichtümer. Ich ließ ihn nun nicht mehr aus den Augen, und da ich ihn nachts zu jeder Stunde auf seinem Lager fand, merkte ich wohl, daß er in der Zeit meiner Abwesenheit allein zu den Edelsteinen gelangen könnte, und bat daher meinen Gemahl, ihn am Ende des Monats, wenn ich mich entfernte, zu sich in sein Bett zu nehmen und die Türen wohl zu verschließen.
 
Wie ich befohlen hatte, geschahs; der Mond war im letzten Viertel, ich mußte meinen Damon verlassen; er legte sich nieder zu träumen, wie er meinte, aber er war eigentlich im Himmel und hütete an meines Vaters Stelle die Sterne.
 
Johannes ward sehr traurig, als er zu seinem Vater ins Bett mußte und die Türen fest verschlossen waren. Er konnte nicht hinaus, er weinte und klagte; Damon aber schlief fest. So ging die erste, die zweite Nacht hin, daß er nicht zu seiner Gespielin, der Tochter der Frau Erde, konnte; in der dritten Nacht aber hörte er ein erbärmliches Wehklagen unter dem Boden der Kammer. 'Johannes! Johannes! warum kommst du nicht zu mir?' rief das Fräulein Edelstein, 'bist du tot? fehlt dir etwas? O mein Johannes, komm zu mir!'
 
Da konnte sich der Jüngling nicht mehr halten, er zerriß den seidenen Faden, mit dem ihn Damon an seinen Arm geknüpft hatte, berührte mit der Wurzel den Boden, der sich öffnete, und stieg hinab zu seiner Gespielin.
 
Als Damon den Faden zerrissen fühlte, ließ er die Sternenherde laufen, wie sie wollte, erwachte und folgte seinem Sohn in das Gemach der Frau Erde.
 
Erstaunt sah ihn die edle Frau an; sie grüßte ihn als einen werten Gast, und schnell vergaß er über ihrer Freundlichkeit, daß er unsern Sohn Johannes, der neben ihm mit Fräulein Edelstein stand, über seine unerlaubte Entfernung strafen sollte; er dachte nicht mehr an das Hüten der Sternenherde, was er überhaupt nur für einen schönen Traum hielt. Er vergnügte sich ausnehmend und spielte mit dem Affen Trismegistus Schach, der ihn immer gewinnen ließ, um sein Vertrauen zu erschmeicheln. Als er am Morgen mit Johannes nach Hause kehren wollte, bat ihn Frau Erde, doch in der folgenden Nacht ja wieder zu kommen. Er versprach es, wenn er nur vermöge, sich des Schlafes zu enthalten, wobei er immer träume, eine wunderschöne Herde von glänzenden Lämmern zu hüten. 'Ach ja, ich kann mirs denken', sagte Frau Erde; 'aber so ihr kommen könnt, seid ihr willkommen.' Der Affe Trismegistus begleitete ihn zur Türe und sagte, indem er ihm von unten auf über den Rücken strich: 'Mein teurer Freund! schlaft bei Tag und kommt morgen wieder.'
 
Damon, nach Hause gekehrt, sank auf sein Lager und träumte lauter herrliche Dinge aus der Erde und kam nicht, des Mondes Herde zu hüten. Am folgenden Abend stieg er mit seinem Sohn abermals in die Gemächer der Frau Erde hinab und spielte mit dem schalkhaften Affen Schach. Dieser war ein ehemaliger Spion des Cisio Janus bei dem Forstjunker Picus in der Starenhöhle gewesen und war ganz im Bunde, Damon und seine Nachkommen irrezuführen. Als er Damon einen der folgenden Morgen zurückführte, sagte er ihm:
 
'Wir werden wohl bald die Freude Eurer Gesellschaft entbehren, weil die Heimkehr der Frau Liebsten nahe sein dürfte, nehmt hier diesen Erdspiegel von dem Putztisch der Frau Erde, sie läßt Euch dieses kleine Andenken durch mich überreichen; Ihr habt einen hohen Turm in Eurem Hof, wenn Ihr abends hinauf schlafen geht, stellt ihn vor Euch, so werdet Ihr sehen, was Eure Freunde und selbst Eure Liebste in ihrer Abwesenheit dann eigentlich treiben.' Dabei hauchte der Affe über den Spiegel und fuhr kurios darüber hin, als wolle er ihn putzen, und auch über den Rücken fuhr er Damon wieder ganz verkehrt.
 
Am folgenden Morgen ließ Damon unsern Sohn Johannes allein zur Frau Erde hinabgehen und setzte sich selbst auf den Turm, in den trügerischen Erdspiegel zu schauen, was ich in meiner Abwesenheit treibe.
 
Es war ihm ganz verborgen gewesen bis jetzt, daß ich das Kind einer anderen Welt, die Tochter des Mondmannes, sei. Er hielt mich für die Tochter eines Schäferkönigs jenseits der Berge. Nur aber sind die Schäfer bekanntlich sehr abergläubig, ja oft zu allerlei Zauberkünsten geneigt, und der Erdspiegel macht den, der hineinschaut, allen Kräften des Mondes, denen die Kreaturen unterworfen sind, besonders untertan.
 
Es nahte aber mein neues Licht, da ich bald mit zwei Lichthörnchen wieder erscheinen sollte: da legt die Schlange den Balg ab, da wachsen die Haare, Klauen, Nägel und Zähne, da legen die Hirsche die Hörner ab, und sprossen neue auf ihrer Stirne. Ich hatte viel zu tun; Damon hatte in den letzten Tagen die Sternenherde im Traum nicht gehütet; ein großer und ein kleiner Bär hatten sich in ihrer Nähe sehen lassen. Eilig nahm ich Pfeil und Bogen und die sieben Hunde meines Vaters und verjagte die wilden Tiere; ich fand auf der Jagd den Vater Mondmann schlafend, ich setzte mich auszuruhen neben ihn, schnitt ihm die Nägel und Haare, seifte ihn ein und rasierte ihn; dann machte ich seine Laterne zurecht, weil sie bald wieder sollte angezündet werden, ich scheuerte den Ruß ab, schneuzte den Docht mit den Fingern und füllte frisches Öl auf; jetzt aber begab ich mich mit euch, meinen Mägdlein, wie ihr wißt, in den Spiegel des Lichtsees, um den Ruß und Ölgeruch von mir abzuwaschen, und dann wieder blank und klar zu dem undankbaren Damon zurückzukehren. Ihr wißt, wer in dem Lichtsee badet, sieht alles, was auf Erden geschieht, und wer in den Lichtsee sieht, sieht sich auch selbst und erscheint sich dem Einfluß des Mondes unterworfen.
 
Damon sah mich im Bad, und ich sah ihn, als gucke er neugierig durch eine Hecke; da schrie ich und ihr alle über den frechen Sterblichen, und ich schleuderte Wasser nach ihm; da fühlte er sich allem tierischen Einfluß des Mondes unterworfen: er glaubte, daß er Hörner kriege wie die Hirsche, er glaubte, daß meine Hunde ihn jagten, und erwachend eilte er unter heftigen Schmähungen gegen mich von dem Turm herab in den Wald. Aber ihn verfolgten keine Hunde, ihn verfolgte das böse Gewissen.
 
Schon war er fliehend an einen Eingang der Wohnung der Frau Erde gekommen, als er mich Ärmste bleich und schwach von Anstrengung und Schrecken vor sich stehen sah; ich wollte ihn wie sonst immer freundlich in meine Arme schließen und ihn dann mit einer ruhigen Ermahnung verlassen; aber der Unglückliche stieß mich zurück und rief aus:
 
'Weich von mir, du heuchlerische Zauberin, Nachtjägerin, Waldbuhlerin! ich glaubte einer Hirtin und keiner Waldteufelin vermählt zu sein!'
 
Da rief ich aus: 'Weh, mein Sohn! mein Sohn Johannes! Ich scheide ewig von dir, treuloser Damon! Gehe hin zur Erde, dein Bart halte dich dort fest, bis ich ihn dir wieder löse.' Da stürzte Damon, die Springwurzel gegen den Felsen stoßend, heftig in den Berg, und der Affe warf ein großes Faß voll Schatten gegen mich um, das da stand, damit ich nicht hereinkommen sollte, und es entstand eine Mondfinsternis: sie ergoß sich über das Antlitz meines Vaters, des Mondmanns, der, mit Schrecken erwacht, seine zerstreute Herde zusammensuchte.
 
Verwundert und bestürzt lief Damon hinab zur Frau Erde, um sie um Rat zu fragen; sie schwatzte ihm allerlei vor, und indes er ihr zuhörte, wuchs ihm der Bart durch den goldenen Tisch, und er konnte nicht mehr herauf. Da er immer lamentierte und klagte und weinte, und Frau Erde ihn nicht losmachen konnte, verließ sie ihre Kammer und ließ ihn allein sitzen, und hat ihn nachmals sein Sohn Johannes nur dann und wann besucht. Ihr habt den Treulosen selbst heut nach vierhundert Jahren dasitzen sehen, ihr habt gesehen, wie ich ihm neulich den Bart gelöst und ihn begraben. Weinend durchirrte ich noch einmal alle Gemächer der Starenburg und zog mich in tiefer Betrübnis hier auf die Insel, in die Höhle zurück, wo ich den Bund mit Damon geschworen hatte. Als ich an den Stein trat, worauf er das wunderbare Starenei zerschlagen, trat der Geist der Frau Aglaster als dieselbe weiße Frau mir entgegen, die ich an der Wiege meines kleinen Johannes hatte singen hören. Sie hatte die Schalen des Schicksaleies in der Hand und sagte mit traurigem Ernste zu mir:
 
Er bleibt vom Mondenschein behext,
Daß durch den Tisch der Bart ihm wächst.
Hört meinen letzten Spruch:
Mondschäfer! Euren Stamm
Ich jetzt mit ernstem Fluch
Zur Starenart verdamm,
Bis einst ein später Erbe
Als Star, wie ich, freiwillig sterbe!
 
Hierauf seufzte sie und verschwand.
 
Diese Worte machten mich schaudern, und ich wollte eben aus der Höhle fliehen, als ich ein unheimliches Schnurren hörte. Ich sah mich um, da sah ich den großen Kater, in welchen ich Cisio Janus verwandelt hatte, mich mit glühenden Augen anblicken und eine großen Buckel gegen mich machen.
 
'Hinweg!' schrie ich, 'auch du willst mein Leid verhöhnen', und eilte bestürzt zu meinem Vater, dem Mondmann; der tröstete mich und söhnte mich auch mit seiner Frau Mutter aus, welche mir hierauf euch, liebe Fräulein! zu Gespielinnen gab. Nun wißt ihr, warum ich damals immer so traurig war.
 
Die Gespielinnen der Frau Mondenschein hörten dieser Erzählung ihrer lieben Herrin ganz stille zu, und auch ich verlor kein Wörtchen. Nun aber begannen sie wieder zu tanzen und zu reihen, und da ich mich weit vorlehnte, um den schönen Tanz der Stammutter meines Hauses besser zu betrachten, lastete ich zu schwer auf die Schwäche des Astes, der mich trug, und er brach samt mir mit großem Geräusch herab, worüber die Elfen erschrocken die Flucht nahmen.
 
Schüchtern ging ich an die Stelle, wo sie getanzt hatten, und nahm den Schleier, den Altweibersommer gewebt hatte, zu mir; denn die Frau Mondenschein hatte ihn in eiliger Flucht liegen lassen, und er soll nun der Hochzeitsschleier meiner lieben Ameleya werden, wenn ich sie erst wieder habe.
 
So erfuhr ich den ersten Ursprung meines Stammhauses und die Geschichte des Mondenhirten Damon, den ich am Tische mit dem Barte angewachsen und nachmals in seinem schönen Grabe gesehen.
 
Aber schon graute der Tag, die Schwalbe schweifte mit ihrer silberweißen Brust über den Spiegel des Sees, der Morgenstern funkelte fröhlich über den Hügel, und meine Rosse begrüßten ihn wiehernd am jenseitigen Ufer. Ich wickelte den Schleier dicht zusammen, band mir ihn auf den Kopf in meine Locken fest, damit er nicht naß werden möge, und stürzte mich mit ausgebreiteten Armen in den See, dessen jenseitiges Ufer ich bald erreichte.
 
Schnell kleidete ich mich an, schwang mich auf mein Roß, so taten auch meine zwölf Begleiter, und sinnend über alles, was ich gesehen, legten wir in mäßigem Schritt eine Tagereise zurück.
 
Am Abend gelangten wir in eine wilde Gebirgsgegend, und ich gebot meinen Begleitern, auf einem schönen grünen Eichenplatz unser Nachtlager aufzuschlagen. Während sie damit beschäftigt waren, schritt ich in Gedanken etwas höher im Gebüsch, um in die dämmernde Landschaft zu schauen, als mir plötzlich in einem Hohlweg ein feiner, ehrbarer, alter Bauersmann entgegenschritt. Er war mit einem grauen Rock bekleidet, auf dem Hut hatte er eine schwarze Binde, am Hals ein weißes Feldzeichen, einen gelben Riemen um den Leib geschnallt, und rote Stiefel an seinen Füßen; in seiner Hand trug er zwei Lilienblumen auf einem Stiele gewachsen, die er sehr ernsthaft betrachtete, denn sie waren sehr schön und glänzend, die eine rot, die andere weiß, und gaben einen süßen Geruch von sich; in der andern Hand aber trug er eine Haselrute. Als ich ihm nahegekommen war, stand er plötzlich still. Ich sah, daß die beiden Blumen ihre Kelche auftaten und sich gegen mich wendeten und die Haselrute sich zuckend bewegte.
 
»Guten Abend! Vater!« sagte ich; er aber sprach hastig zu mir: »Willkommen, willkommen, vieltausendmal willkommen! endlich hab ich dich gefunden; jetzt mußt du mir gleich den gelben Riemen aufschnallen und den grauen Rock ausziehen, und die roten Stiefel, der graue Hut, alles muß herunter, du bist es, du kannst es.«
 
Ich war höchlich erschrocken über den Alten, und glaubte, er sei wahnsinnig und könne mir Leides antun, darum wollte ich fliehen; er aber trat mir in den Weg und sagte: »So haben wir nicht gewettet, nur munter, schnalle den Riemen auf.« Dazu hatte ich nun keine Lust und zog mein Schwert gegen ihn. – Er berührte dieses aber mit der roten Lilie, und sieh, es schmolz mir glühend nieder bis ans Heft, worüber ich sehr erschrak. »Sieh,« sagte er, »das hättest du dir ersparen können; ich habe nicht umsonst so lange auf dich gewartet; munter den Riemen aufgeschnallt.« – »Kannst du denn das nicht selber?« sagte ich. »Nein,« sprach er, »sonst brauchte ich dich nicht dazu.« Ich mochte nun wollen oder nicht, ich mußte mich dran machen, ihn auszuziehen. Mit leichter Mühe schnallte ich den Riemen auf, zog ihm den Kittel aus; aber wie erstaunte ich nicht, da ich ihn darunter ganz in Gold und Edelsteinen geharnischt sah. Die roten Stiefel mußten auch herunter, der graue Hut, alles lag am Boden, und er stand vor mir wie ein funkelnder Götze. Sein ganzes Wesen war prächtig und herrisch. Eitel trat er etwas höher auf einen Stein und sprach: »Nun, mein Vortrefflichster, wie gefalle ich dir? Hier nimm den Haselstecken zum Lohn, er öffnet dir alle Felsen und geheimen Schätze; ich brauche die saure Arbeit nun nicht mehr, denn hier ruht der Stein der Weisen. Gold kann ich machen, ewiges Leben kann ich geben« – und mit diesen Worten schlug er mit geballter Faust wider seinen Brustharnisch, daß es rasselte. »Lebe wohl du hast das Glück gesehen«, und somit wendete er sich und ging eilends den Berg hinan.
 
Aber wie ward mir angst und bange, als ich sah, daß ihm der graue Rock, der grüne Hut und die roten Stiefel eiligst nachliefen. Der ganze Kerl hatte mir etwas Schreckliches, Fatales und doch wieder Lächerliches. Froh, so leicht davongekommen zu sein, nahm ich auch meinen Weg zurück; aber ich mochte gehen wie ich wollte, ich konnte mich in den wilden Wegen nicht mehr zurechtfinden und entschloß mich endlich, da ich einen heimlichen Waldwinkel fand, hier den Tag abzuwarten. Ich setzte mich nieder, und um mein Haupt bequemer an einen Fels anzulegen, wollte ich einige Kräuter, die auf ihm wuchsen, mit der Haselrute des Alten, die ich noch immer in den Händen trug, herunterschlagen; kaum aber berührte ich den Stein mit der Haselrute, als er sich auftat und mir ein wunderbares Schauspiel zeigte. – Ich sah tief hinab wie in einen Keller; da liefen eine Menge grauer Männchen und Weibchen herum und schleppten allerlei Kisten und Kasten und Körbe und stellten sie in Ordnung, gerade als wenn man in eine neue Wohnung gezogen ist und nun einräumt. Was sie aber trugen, war lauter Silber und Gold und Edelstein, und schien das da unten gemeiner als bei uns die irdenen Töpfe. Wenn sie ein wenig langsamer gingen, kam gleich ein alter Mann in einem blauen Rock und schrie:
 
Eilet, eilet, nicht verweilet,
Alles reinlich eingeteilet,
Hübsch nach dem Gewicht geleget,
Daß sich ja nichts wegbeweget;
Schweres unten, Leichtes oben,
Daß die Ordnung sei zu loben,
Wert nach innen, Glanz nach außen.
Machet nicht so lange Pausen.
 
Auf diese Worte liefen sie viel schneller und hatten bald alles in der schönsten Ordnung, nun aber sagte der Alte:
 
Und jetzt hauet eine Stufe,
Daß sich bildet eine Kufe,
Wo die Fräulein Edelstein
Mit den sieben Jungferlein
Sich bequemlich können pflegen,
Wenn sie in das Bad sich legen.
 
Darauf ging es an ein Gepicke und Gehacke und Gebohre, mit Meißeln, Schlegeln, Keilen und Bohrern; aber alles im Takte, daß es eine artige Musik war. In wenigen Minuten hatten sie ein tiefes Bad mit mehreren Stufen abwärts rein und glatt in den Boden des Gewölbes gehauen. Als sie fertig waren, rafften sie ihr Arbeitsgeräte zusammen und verschwanden mit dem Alten in der Wand des Felsens.
 
Nach einer kleinen Weile trat Frau Edelstein mit ihren sieben Fräulein ein, wie ich sie gesehen hatte in jenem Gewölbe hinter dem Stuhle des Grubenhansel stehen. Sie sah sehr betrübt aus und sprach –
 
Frau Edelstein:
 
Mägdlein, lasset mir zum Bade
Nun die frische Quelle los,
Daß ich mich des Staubs entlade
In der neuen Heimat Schoß;
 
Eine kämmet mir die Haare,
Eine salbt und eine schminkt,
Bis der Schmerz so vieler Jahre
In dem guten Bad ertrinkt.
 
Eine soll den Spiegel halten,
Eine trocknet mir den Leib,
Jede muß ihr Amt verwalten,
Singt dazu zum Zeitvertreib.
 
Kobold:
 
Aber was soll ich denn machen?
Ha! ha! ha!
 
Frau Edelstein:
 
Was du immer tuest: lachen.
 
Kobold:
 
Ha! ha! ha! ich lache ja.
 
Nun öffnete Fräulein Quecksilber die Röhre, und es stürzte ein heller Strom von Quecksilber in die Kufe bis zum Rand, wozu sie sang –
 
Quecksilber:
 
Rüstig, lustig stürze nieder,
Ohne Ruhe, ohne Rast,
Um der Herrin helle Glieder
Schmiege dich, du blanke Last,
Kecke Quelle, kalt und helle,
Feuerflüchtig undurchsichtig,
Schwer und schnelle, feste Welle,
Nun ists richtig, 's Bad ist tüchtig.
 
Kobold:
 
Potz Merkurius, wie lustig,
Ja das wußt ich,
Und ich lache
Zu der Sache
Ha! ha! ha!
 
Frau Edelstein wälzte sich in dem Bad hin und her, und als sie glaubte, daß es genug sei, kam Fräulein Asbest und trocknete sie ab mit folgenden Worten –
 
Asbest:
 
Mit dem Tüchlein klar gesponnen,
Fein gewebt in Starenberg,
Weiß gebleicht an Phosphor-Sonnen
Von dem klugen Meister Zwerg,
Ich dich reibe, daß dir bleibe
Auch kein Schmitzchen oder Ritzchen
Dir am Leibe, ich vertreibe
Jedes Spitzchen, jedes Kritzchen.
 
Kobold:
 
Ei Potz Blitzchen!
Wer gern tanzt, dem ist gut geigen,
Und was weiß, ist leicht zu bleichen,
Leicht zu trocknen, was nicht naß ist,
Leicht zu lachen, was ein Spaß ist.
Ha! ha! ha!
 
Als Frau Edelstein abgetrocknet war, stellte sie sich auf einer goldenen Stuhl, und Fräulein Naphtha salbte sie über und über wozu sie sang –
 
Naphtha:
 
In den heimlichsten der Grüfte
Kocht die Salb ein Feuergeist,
Und ich salb dir Fuß und Hüfte,
Daß dich heiße Glut durchreißt.
 
Wie es feuert, rasch gescheuert!
Mich entzückst du, Blitze schickst du,
Sei beteuert, glanzerneuert,
Funkelnd blickst du, dich erquickst du.
 
Kobold:
 
Mich erquickst du,
Denn zu deinen Heucheleien
Und zu deinen Schmeicheleien,
Die den Demant nicht polieren,
Ihn mit Eitelkeit folieren,
Muß ich lachen ha! ha! ha!
 
Frau Edelstein schimmerte nun sehr schön, sie setzte sich auf den goldnen Schemel, und Fräulein Spießglanz kämmte ihr die Locken mit ihren spitzen glänzenden Fingern, wozu sie sang –
 
Spießglanz:
 
Deine Locken ich durchstreife
Mit der link und Rechten hier,
Glänzend wie Kometenschweife
Drehe ich die Flechten dir.
 
Sieh, ich schlinge helle Ringe,
Goldne Flöckchen, lichte Löckchen,
Und nun springe, lustig klinge
Wie ein Glöckchen, schönes Döckchen!
 
Kobold:
 
Ei du Geckchen!
Ei du zierlich Spinneröckchen;
Schlittenpferd und Kinderrassel
Machen nimmer solch Geprassel
Als du mit der Schellenkappe,
Daß dich nur kein Narr ertappe,
Ich muß lachen ha! ha! ha!
 
Wenngleich Fräulein Kobold ein wenig anzügliche giftige Bemerkungen machte, so hatte sie doch nicht ganz unrecht mit ihrem Lachen; denn Spießglanz hatte die Goldhaare der Frau Edelstein in tausend Schneckenhäuser, Korkzieher, Hobelspäne, Schlangen, Haken und Spirallinien gedreht, und wenn sie sich bewegte, gab ihr Haupt ein wunderbares Geräusch von sich. Nun aber trat Fräulein Zinnober herbei und schminkte die Frau Edelstein.
 
Zinnober:
 
Wie die Pupurrosen prangen
Neben weißer Lilien Schnee,
Schminke ich dir deine Wangen,
Die gebleicht von tiefem Weh.
 
Wie die spröden, scheuen, blöden,
Keuschen Frauen niederschauen
Mit Erröten, wenns vonnöten,
Kannst du schauen voll Vertrauen.
 
Kobold:
 
Selbst die schlauen,
Scham und Zucht entwöhnten Frauen,
Die es zahlen, kannst du malen,
Daß sie mit der Unschuld prahlen,
Leicht ists einen rot zu machen!
Ich muß lachen ha! ha! ha!
 
Nun wollte Frau Edelstein aber auch sehen, wie sie aussehe, und Fräulein Marienglas hielt ihr den Spiegel vor, daß sie sich von oben bis unten betrachten könne.
 
Fräulein Marienglas sang dazu:
 
Spiegle dich, du liebe Holde!
Wie der Schwan zum blanken See
Niederschaut im Abendgolde,
Ob er nicht sein Sternbild seh.
 
Schöne Frauen im Beschauen
Sich erquicken mit Entzücken,
Wie die Pfauen auf den Auen
Sich erblicken, schöner schmücken.
 
Kobold:
 
O ihr Pfauen!
Glanzgerüstet, goldgebrüstet,
Wollt auf eure Füße schauen,
Pfui der rauhen schwarzen Klauen!
Garstge Stimme, o wie schlimme!
Ich lob mir die Nachtigall:
Schlechtes Röcklein, süßer Schall,
Guter Name, Ehrendame,
Ich muß lachen
Über all dies Schönermachen,
Ha! ha! ha!
 
»Du hast wohl recht, Koboldchen,« sagte Frau Edelstein, »all dieser Putz ist leerer Tand; aber ich mußte doch wieder einmal dran denken, mich wieder zu erneuern, und es ist mehr aus tiefer Traurigkeit als aus Freude, daß ich mich so schmücke; denn wisset, vor mehreren hundert Jahren habe ich in ähnlichem Schmuck hier gesessen, und ich beziehe dieses Haus zur Erinnerung. Kommt, setzt euch, daß ich euch erzähle, was mir hier geschehen ist.« Nun setzten sich die Jungfrauen rings um das spiegelnde Bad auf die Stufen, und Frau Edelstein erzählte wie folgt:
 
»Als ich noch ein kleines Mägdelein war, lag ich nachts im Starenberg in einer kristallenen Wiege, die abgesondert von der Wohnung der Frau Erde, meiner Mutter, in einem einsamen Gewölbe stand. Einstens um Mitternacht, als ich über einem Märchen meiner Wärterinnen entschlafen war, tat es einen gewaltigen Krach, als wenn das Gewölbe einstürzte, zugleich wehte mich kalte Luft an, und da ich hievon erwachte, sah ich die Wand des Felsens niedergestürzt und hatte den wunderbaren Anblick des gestirnten Himmels. Meine Wärterinnen waren entflohen, und erschreckt von dem nie gesehenen Glanze der Sterne, wollt ich eben anfangen zu weinen, als ein schöner blonder Knabe an meine Wiege trat, mich liebkoste und wieder einwiegen wollte. Sein Anblick machte mir unbeschreibliche Freude; denn ich hatte bisher kein anderes Kind gesehen, und wie schrie und weinte ich, als meine Wärterinnen nun zurückkehrten und mich mit der Wiege nach der Stube meiner Mutter trugen; aber bald war ich getröstet, als ich sah, daß der Knabe auch in die Stube trat. Er sagte meiner Mutter auf ihre Frage, daß er Johannes, des Fürsten von Starenberg Söhnlein, sei, und sie gewann ihn lieb, schenkte ihm Edelsteine und lud ihn ein, uns alle Nacht zu besuchen, wenn seine Mutter abwesend sei und sein Vater schlafe. Dies geschah alle Monate einige Nächte lang, und er stellte sich immer richtig ein; denn die Mutter hatte ihm eine Springwurzel geschenkt, mit der er alle Felsen öffnen konnte.
 
So wuchsen wir wie Geschwister miteinander heran. Johannes war wie ein Kind in unserm Berg, er sah alle Arbeiten der Berggeister mit an und hatte eine besondere Liebe zu dem Geschäft. Vor allem aber hatte er eine große Freude an den Possen eines Affen, den meine Mutter hatte und der gewöhnlich mit ihr Schach spielte. Er hieß Trismegistus und war ein tiefsinniger, wunderlicher Gesell. Er machte alles nach, was er die Berggeister machen sah, und war dann sehr verdrüßlich, wenn wir ihn alle auslachten, daß er immer verkehrtes Zeug herauskriegte. Dieser Affe war anfangs sehr neidisch auf den kleinen Johannes, weil er sah, daß ich lieber mit diesem spielte als mit ihm; nachher aber ging er meinem jüngeren Freunde überall nach und schmeichelte ihm und diente ihm mit allerlei Handreichungen, wenn der kleine Johannes spielend mit den Berggeistern arbeitete.
 
So lebte ich in kindlicher Lust wohl sechzehn Jahre mit Johannes, als er plötzlich eines Abends ausblieb; ich konnte mir die Ursache nicht denken und war in größter Angst; ich zog durch alle Gegenden unter der Oberfläche des Berges hin und rief ihm mit den zärtlichsten Namen; er kam nicht.
 
Die folgende Nacht ging es mir ebenso, in der dritten endlich gelang es mir, die Gegend des Berges zu finden, über der sein Schlafgemach war. Er hörte mein Weinen und Klagen; die Decke öffnete sich, und er eilte in meine Arme; indem wir nach der Kammer meiner Mutter liefen, so erzählte er mir, daß sein Vater die vielen Edelsteine, die er von uns erhalten, gefunden und ihn sehr gedrängt habe, zu sagen, wie er zu solchen Schätzen gelangt sei, und daß er ihn, da er es seinem Versprechen gemäß verschwiegen, nachts, auf den Rat seiner Mutter, in sein Bett genommen und mit einem seidenen Faden an seinen Arm gebunden habe, den er aber auf mein Angstgeschrei zerrissen und so zu mir gelangt sei.
 
Kaum waren wir in die Kammer meiner Mutter gelangt, so trat sein Vater auch hinter uns ein und wollte ihn eben tüchtig auszanken; aber meine Mutter fiel ihm in die Rede, der Affe Trismegistus machte ihm tausend Kratzfüße, und er fand sich durch den Glanz der Edelsteine und besonders durch das Schachbrett meiner Mutter, worauf alle Figuren lebendig waren, so zerstreut und hingerissen, daß er dem kleinen Johannes nicht nur verzieh, sondern sich auch bei uns sehr wohlgefiel. Er unterhielt sich die ganze Nacht mit meiner Mutter und Trismegistus und verließ uns erst am Morgen; die folgende Nacht kam er wieder und so öfters.
 
Einstens, da meine Mutter krank war, unterhielt er sich mit dem Affen allein, der setzte ihm allerlei böse Grillen in den Kopf über die Gewohnheit der Frau Mondenschein, ihn monatlich einige Zeit zu verlassen, und gab ihm ein wunderliches Glas, wodurch er sie belauschen könne. Er ging mit dem Glase unruhig, früher als gewöhnlich, von uns. Nun erwartete ich in der folgenden Nacht ihn und Johannes nicht, der Mond schien wieder, und da kamen sie nie. Aber siehe da! da kamen sie beide, und der Vater war in großer Unruhe; er setzte sich zu meiner Mutter an den Tisch und klagte ihr sein Unglück, daß ihn seine Gattin seiner verbotenen Neugierde wegen verlassen und verflucht habe.
 
Der Besuch war meiner Mutter nicht ganz gelegen, denn sie war eben mit ihren geheimsten Arbeiten beschäftigt; sie ließ einen goldenen Tisch wachsen; nun bat sie zwar den unglücklichen Herrn, sich nicht darauf zu legen, aber in seinem großen Kummer vergaß er es, und sein Bart streifte auf den Tisch und wuchs ihm hinein, so daß er nicht mehr aufstehen konnte.
 
Meine Mutter verwies ihm nun ernstlich seine Neugierde und sagte ihm, daß es außer ihrer Macht stehe, ihm zu helfen; sie legte ihm ein Buch vor, in dem las er und heftig dabei weinte; endlich brach er in folgende Worte aus: 'Frau Erde! ich fühle wohl, Ihr könnt mir nicht helfen; ich muß hier sitzen, bis der Fluch der Frau Aglaster und der Großmutter meiner Frau erfüllt ist. Nun aber rufet mir meinen Sohn Johannes, daß ich ihm die Regierung meines Volkes übergebe.' Johannes ward gerufen, er hörte das Unglück seines Vaters, er übernahm die Regierung; meine Mutter nahm ihm die Springwurzel; sie sagte ihm, nie mehr solle er uns sehen, denn sie sehe wohl, daß aus der Gemeinschaft der Geister mit den Menschen nur Treulosigkeit und Unglück erfolge. Meine und seine Bitten halfen nichts, ich mußte ihn lassen; eine Menge unbarmherziger Kobolde faßten ihn und führten ihn mit Gewalt an die Oberfläche der Erde.
 
Meine Trauer, meine Wehklagen halfen nichts, meine Mutter war unerbittlich und nahm sich vor, diesen Aufenthalt ganz zu verlassen. Ehe wir aber abreisten, wollte sie den vorwitzigen Affen Trismegistus noch bestrafen; man suchte ihn überall und konnte ihn lange nicht finden. Endlich, da meine Mutter in der geheimsten Kammer aufräumen wollte, wo sie das Gold machte und den Stein der Weisen liegen hatte, fand sie den Schelm ganz von oben bis unten vergoldet. Er war ihr über die Tiegel geraten und hatte sich so mit der Tinktur angestrichen. Erzürnt über ihn, sprach sie: 'Warte, du sollst deines falschen Schimmers niemals genießen, du unglückstiftender Verräter!' und somit zog sie ihm einen grauen Rock an, schnallte ihm einen gelben Riemen um und setzte ihm einen grünen Hut auf, zog ihm rote Stiefel an und sagte: 'So sollst du nun den gefangenen Mondenhirten bedienen, den du durch deine Schwätzerei ins Unglück gebracht, bis er einstens auf der Erde im schönen Grabe ruht; keiner soll dir den Gürtel lösen können, als der, der alle diese Schicksale löst, und ewig sollst du grübeln, forschen und nachäffen, und nie das Gold sehen, das dir doch näher ist als das Hemd!' Somit schleppte sie ihn zu dem festgewachsenen Mondenschäfer, legte ihn an eine Kette, setzte das Schachbrett zwischen beide, schloß den Berg zu und zog mit mir und allen den Ihrigen hierher in diesen Berg.
 
Johannes, der nun die Starenberger regierte, hatte mich so völlig vergessen als ich ihn. Das erste, was er tat, war, daß er sein ganzes Volk nach und nach zu Bergleuten verwandelte; er hatte vieles bei uns gelernt, und nun zog er Schachten und Gruben, wohl an die neun Jahre lang, in dem Berge hin und her. Aber alles war fruchtlos, da wir nicht mehr da wohnten.
 
Endlich wollten seine Leute nicht mehr arbeiten, denn der Berg war schon so untergraben, daß sie fürchteten, er möge einstürzen. Zornig verließen sie ihn mit der Versicherung, nicht mehr zu arbeiten, an einem Abend, und er blieb mit seinem Grubenlicht, Fäustel und Schlegel allein in dem Stollen.
 
Ängstlich durchirrte er alle die vielen Gänge, die er seit zehn Jahren hatte hauen lassen, und legte sich eben traurig an eine Felsenwand nieder, um zu schlafen.
 
Kaum war er entschlummert, als er ein Kettengerassel hörte; er wachte auf und lauschte. Sieh! da klang es hinter ihm an der Wand; mutig fing er an zu arbeiten, und je tiefer er drang, je lauter rasselte es; laut schrie er den Bergmannsruf aus: Glück auf! Glück auf! und: Glück auf! antwortete es ihm; noch wenige Minuten gearbeitet, und er stand in dem Gewölbe bei seinem Vater. Aber der sah ihn mit großen Augen an und lachte nicht und sagte kein Wort, wie ein Lebendigbegrabener.
 
Johannes gab sich alle Mühe, ihn mit seinen Liebkosungen zu ermuntern; aber er blieb stille und erstarrt und sah immer auf das Schachbrett, als sinne er über einen Zug.
 
Vor ihm saß Trismegistus und hatte die größte Freude über die Erscheinung des Johannes. 'Geschwind', sagte er, 'mach mir meine Kette los und lasse mich aus diesem langweiligen Loch heraus; der alte Herr spielt so langsam, er tut alle Jahre einen Zug, helfen kannst du ihm nicht; wenn ich übers Jahr wiederkomme und ihm einen andern Zug tue, ist es gerade hinreichend Gesellschaft für ihn; schnell führe mich hinweg, ich will dir auch bald auskundschaften, wo Fräulein Edelstein, deine Liebste, ist.' Johannes ließ sich von ihm verführen, er machte die Kette des Affen los, küßte seinen Vater, der es aber gar nicht zu bemerken schien, und verließ mit Trismegistus, der immer noch das graue Habit anhatte, die Gruft.
 
Als sie in der Stube des Johannes angekommen waren, sagte dieser: 'Nun, Trismegistus! halte Wort und sage mir, wie ich zu meiner Liebsten, der Fräulein Edelstein komme.' – 'Ja', sagte Trismegistus, 'aber du mußt mir vorher noch versprechen, mich hier auf deinem Schloß sicher und verborgen zu halten und mich zu ernähren, und daß du mir niemals zumutest, einen Schritt tiefer als die Oberfläche der Erde zu gehen, damit mir die Mutter deiner Liebsten nichts anhaben kann; denn hier oben kann sie mir nichts tun. Lasse mir daher einen Turm bauen, auf dem oben ein Gewölbe und ein guter Rauchfang ist, da will ich für mich und dich die Planeten observieren und allerlei chemische Laborationen vornehmen und mir die Zeit damit vertreiben. Wenn ich es nur so weit bringe, den grauen Rock loszuwerden, so solltest du sehen, daß ich leuchte wie Gold; die Frau Erde ist nicht umsonst so zornig auf mich, ich habe ihr die besten Stückchen abgelernt.' Schnell ließ Johannes, der wegen seinem vielen Graben von seinem Volke der Grubenhansel genannt wurde, auf einem abgelegenen hohen Wartturm des Schlosses einen Rauchfang bauen und ihm alles einrichten, wie er es wollte, und als Trismegistus schon oben wohnte, drang er nun in ihn, ihm die Mittel zu lehren, wie er zu mir gelangen könnte. Worauf ihm der Affe sagte: 'Bester Grubenhansel! heute will ich es dir sagen, früher hätte es dich nichts genützt, denn heute nacht um zwölf Uhr muß die Wünschelrute geschnitten werden! Gehe hinab an den See, dort wirst du eine Weide finden, von welcher du dir eine kleine Rute schneidest; diese Rute in der Hand gehe so lange nach Norden, bis die Rute niederschlägt, dann wirst du nicht lange ohne dein Liebchen sein.' Johannes tat nach seinen Worten: er schnitt die Rute, er hielt sie vor sich und reiste bis hieher. Da schlug die Rute nieder, der Fels öffnete sich, und er sah mich hier auf dieser Stelle sitzen und weinen, wie ich jetzt hier sitze. Er rief meinen Namen aus, ich sah ihn und wir umarmten uns mit unendlicher Freude. Nun war es gerade um Weihnachten, wo meine Mutter die Wache bei dem Stein der Weisen hielt, weil um diese Zeit alle goldgierigen Menschen nach diesem Schatze trachten. Wir waren also sicher, nicht überrascht zu werden. Aber der Morgen brach an, und wir hatten in der Dunkelheit der Grube ihn nicht bemerkt; meine Mutter trat herein und fand uns beisammen.
 
Anfangs war sie heftig erzürnt; aber unser Bitten versöhnte sie, und sie gab mir endlich den Grubenhansel zum Gemahl mit der Bedingung, daß ich immer den siebenten Tag der Woche zu ihr kommen sollte, und daß er mir dann niemals folgen sollte, noch mich fragen, was ich zu verrichten hätte. Er versprach es, und ich folgte ihm in den Starenberg zurück, wo ich ihn immer am Sonnabend verließ und zu meiner Mutter ging, sonntags aber wieder kam.
 
So lebten wir einige Jahre, und ich gebar ihm einen Sohn, den wir Veit nannten. Trismegistus ließ sich nicht vor mir sehen und saß immer auf seinem Turm und destillierte. Mein Gemahl verriet ihn auch nicht, und wenn ich ihn fragte, was denn das für ein immerwährender Rauch sei, der oben aus dem Turme herausstieg, sagte er mir: 'Dieser Turm ists, von welchem mein Vater nach meiner Mutter, Frau Mondenschein, geschaut hat, und weil ich in meiner heimlichen Liebe zu dir die erste Ursache des Verbrechens war, so lasse ich jetzt einen ewigen Rauch, auf dem Turme aufsteigen, ein Opfer, um meine Frau Mutter zu versöhnen; ich räuchere da mit lauter Edelsteinen, dieselben, die du mir früher geschenkt.'
 
Aber Johannes betrog mich, denn in den Nächten, da ich abwesend war, ging er immer selbst auf den Turm hinauf, mit dem Affen zu laborieren; sie suchten den Stein der Weisen, welcher ewiges Leben gibt und alles in Gold verwandelt. Der Affe hatte meiner Mutter allerlei Kunstgriffe abgelernt, die er nun ohne Verstand und Zusammenhang auf alle mögliche Weise hintereinander folgen ließ, nur nie auf die rechte. Seine Hauptbemühung war immer, den grauen Rock und die Stiefel herunter zu kriegen; aber er konnte es nie zustande bringen; er versuchte es wohl hundertmal, sein Habit zu vergolden; kaum aber hatte er sich mit dem metall überzogen, als alles wieder wie vorher grau und trübe wurde.
 
Schon war alles Gold des Schlosses zum Schornstein hinausgeflogen, und so viel ich dessen auch brachte, nie reichte es hin, und doch erfuhr ich nie, wo es hinkam. Mein Sohn Veit, der seinen Vater immer um Gold fragen hörte, schleppte nun alles an, was blinkte; aber immer lachte der Vater ihn aus; doch ließ sich der Knabe nicht irremachen und hatte eine große Leidenschaft zu wissen, was der Vater mit all dem Golde anfange. 'Vater', sprach er, 'was ist denn Gold?' – 'Es ist ein köstliches metall', sagte der Grubenhansel; in demselben Augenblick fuhr der kleine Veit, der sehr naschhaft war, mit einigen Goldkörnern die auf dem Tisch lagen, in den Mund. Grubenhansel, in der Angst, er möge daran ersticken, öffnete ihm den Mund mit Gewalt und erblickte zu seiner größten Verwunderung einen goldnen blinkenden Zahn in seines Söhnleins Mund.
 
Es war gerade zur Zeit meiner Abwesenheit. Grubenhansel entdeckte seinen wunderbaren Fund dem Affen Trismegistus, und dieser geriet darüber in die ausgelassenste Freude. 'Geschwind bringet Euern Veit herauf', sagte er, 'er hat, was ich ewig suche, was uns allen hilft: animalisches Gold.'
 
Veit war eben einem schönen Pfau nachgeklettert, der ihn mit seinem goldschimmernden Hals reizte, und da die Sonne unterging, war dieser Vogel nach seiner Gewohnheit auf ein Dach geflogen, um ihr nachzuschreien. Eine kühle Luft erhob sich und spielte in den Federn des Vogels; schimmernde Tauben durchschnitten die Luft, und goldne Fische sprangen aus dem See, dem kühlen Abendwinde entgegen; ganz ungemein glückselig fühlte sich der kleine Veit neben seinem Pfau auf dem Dache; aber so oft er die Hand ausstreckte, dem Vogel eine Feder zu entreißen, flog dieser auf einen höhern Punkt, und Veit folgte immer weiter, bis endlich der Vogel in den Wald flog und seinen gierigen Blicken entschwand. Veit saß nun so hoch oben, daß er schwer herunterkonnte; aber es war ihm ganz wohl, und er hatte die größte Lust, oben zu bleiben, als er die Stimme seines Vaters im Hofe nach ihm rufen hörte. Er besann sich nicht lange, rutschte auf den Dächern nieder, lief wie eine Katze in den Dachrinnen, schwang sich von Giebel zu Giebel und sprang endlich heil und gesund vor den Füßen seines erschrockenen Vaters zu Boden.
 
Dieser nahm ihn verwundert über seine Geschicklichkeit mit sich auf den Turm, wohin ihm der Knabe gern folgte, weil er die Höhen liebte. Kaum hatte ihn der Affe erblickt, als er ihm auch den Mund mit einem silbernen Löffel aufmachte und ihm, noch ehe der Vater eine Einrede dagegen machen konnte, den goldnen Zahn unter heftigem Geschrei ausriß. 'Nun ist uns geholfen', sagte der Affe, 'mit diesem Zahn führe ich dich, Grubenhansel! in die Kammer, wo deine Frau jetzt den Stein der Weisen bereitet; wir überraschen sie, sie muß uns alles herausgeben, und wir sind die Herren der Erde und leben ewig.'
 
Grubenhansel ließ sich betören, er schlich mit dem zitternden weinenden Veit und Trismegistus herab. Den Knaben brachte er zu Bette und versprach ihm so viele Pfauen und Tauben, als er nur wollte, wenn er schwiege, und der Knabe gab sich zur Ruhe.
 
Als meinem Söhnlein der Zahn ausgerissen wurde, empfand ich denselben heftigen Schmerz in meiner Kinnlade und hörte sein Geschrei bis in die Tiefe der Erde. 'Ach!' sagte ich, 'meinem Kinde geschieht weh' – und ängstlich erwartete ich den Anbruch des Tages, um nach Hause zu kehren, als plötzlich der Grubenhansel und Trismegistus vor mir standen und letzterer hastig nach dem Stein der Weisen griff, der vor mir zwischen drei Lilien lag, einer blauen, einer roten und einer weißen. Aber ich stellte meinen Fuß auf den Stein, der sogleich in die Erde versank, und der gierige Affe riß nur die weiße und rote Lilie ab und entfloh wie ein Pfeil aus der Grube, weil er den Schritt meiner Mutter hörte.
 
Schon hatte ich meinen Gatten mit den bittersten Vorwürfen überhäuft, daß er seinen Schwur gebrochen, als meine Mutter, die Frau Erde, eintrat und mit ungemeinem Zorn den Johannes bei mir fand. 'Deine Herrlichkeit ist aus', sagte sie, 'du hast mit dem goldnen Zahn deinem Glücke die Wurzel ausgerissen; gehe und lebe, bis der Vater stirbt, den auch der Affe verführt hat.' Nach diesen Worten rührte sie ihn mit der Hand an die Stirne, und er vergaß alles, was ihm geschehen war, und schlief ein. Nun ließen wir ihn durch die Berggeister in einen der Stollen, die er gegraben hatte, zutage legen; wo er nachmals in einer Höhle bis vorgestern als ein Quacksalber und Laborant gelebt hat. Seinen Vater, der im Berge am Tische angewachsen, besuchte er dann und wann und spielte Schach mit ihm, wußte aber gar nicht anders, als er sei immer in der Grube gesessen und habe laboriert. Als er heute gestorben, habe ich ihn zu Grabe gebracht, ihr wart alle mit dabei, Gott gebe der armen Seele Ruhe!
 
Der Affe Trismegistus begab sich schnell nach seinem Turm zurück und stellte sich, als wenn er von gar nichts wüßte; er begann nun mit Hilfe der roten und weißen Lilie zu laborieren, kriegte aber nie etwas heraus. Noch mehrere Jahre lebte er auf der Burg, wurde aber endlich von meinem Sohne Veit, der ihn, seit er ihm den Zahn ausgerissen, tödlich haßte, vertrieben. Nun irrt er ewig in der Welt herum und sieht, wo er einen Narren findet, der mit ihm Gold macht, das heißt, zum Schornstein hinaustreibt. Seine Anstalten und Rezepte haben sich unendlich vermehrt. Zum Unglück kann er nicht sagen, was er will; er weiß es wohl, aber er nimmt immer ein Wort für das andere, und so kömmt nie etwas zustande, und seinen grauen Rock kriegt er nie herunter, denn er läuft ihm immer wieder nach.«
 
»Hätte ich ihn hier im Bade,« sagte Fräulein Quecksilber, »ich wollte ihn zwagen.« – »Wie wollte ich ihn auslachen!« sagte Koboldchen.
 
Kaum aber hatten sie dies gesagt, als ich ein Gerassel in dem Busche hörte, ich sah den goldnen Affen in größter Angst daherlaufen, und Rock, Hut und Stiefel hintendrein. Jetzt holte ihn der Hut ein und sprang ihm auf den Kopf, jetzt hängte sich ihm der Mantel über die Schulter. Er lief in Todesangst immer in engeren Kreisen um mich und die Grube; jetzt waren ihm die roten Stiefel auf den Fersen, er warf die beiden Lilien in der Angst weg, um auf einen Baum zu klettern, der gerade über der Grube wuchs, in die ich schaute. Nun fuhren ihm die Stiefel an die Beine, der Gürtel sprang um ihn und schloß ihn mit dem Baume zusammen. Er lamentierte ganz erbärmlich, ich sollte ihn ablösen. Ich schnallte ihm den Riemen auf, und er plumpte in das Quecksilberbad hinab; da fielen die Jungfrauen über ihn her, rieben und walkten ihn wie die Hutmacher den Hutfilz, bis er wieder ein ordinärer Affe war, und ich sah, wie sie ihn an einer Kette fortführten und die Grube verließen.
 
Nun entschlummerte ich, und als ich erwachte, stand die Sonne schon am Himmel; ich nahm die Weidenrute und die beiden Lilien, die neben mir lagen, um meine Gesellen zu suchen, welche ich in kleiner Entfernung von mir schon zu Pferde fand. Schnell warf ich mich auf mein Roß und setzte meine Reise ruhig fort. 
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