Wie es dem Prinzen Mausohr in dem Feldzug mit seinen tapfern Soldaten erging.
Als die Mainzer die erste Nacht geruht hatten, zogen sie den frühen Morgen dem Prinzen Mausohr entgegen, und Weißmäuschen eilte ihnen voraus.
Der gute General, welchem Prinz Mausohr vor seiner ersten Reise nach Mainz einen Wink vom Krieg fallen lassen, hatte diesen nicht hinter den Spiegel gesteckt, sondern diesen Wink vielmehr an die große Sturmglocke und an die Kriegsfahne gehängt. Rattenkahl und seine Mutter! war Parole und Zapfenstreich geworden. Da die Vaterlandsliebe damals in ihren besten Jahren war, ließ sich kein Landeskind, ohne an Heimweh zu sterben, außer Landes gebrauchen, und man hatte deswegen ein großes Freicorps von Überläufern angeworben, erstens weil sie von selbst kamen, und zweitens weil man durch ihr Überlaufen gewiß war, daß sie von der Stelle zu bringen seien. Diese Helden bestanden meistens aus Lalenburger und Schildaer Freiwilligen und einem Rest Kochemer Landsturm; auch aus Gaskonien waren viele Messerträger dabei, berühmt und gefährlich wegen ihrem Aufschneiden. Man hatte diese alle in Ketten gelegt, um sie wilder zu machen. Wenn nun die Wildesten aus den Ketten herausbrachen, legte man diese in stärkere Bande, und da brachen die Stärksten wieder heraus, die man wieder anschmiedete, und die, welche dann zum drittenmal herausbrachen, das waren die rechten Leute und wurden mit Ehren überhäuft. So hatte man einen Extrakt des Heldenmuts in wenigen Leuten, und sie brauchten so keine breiten Wege und machten nicht so vielen Staub als die vielen Leute; es war dieses eine schöne Erfindung, ist aber, wie vieles Alte, wieder abgekommen.
Diese Kerntruppe wurde auch erstaunlich gelehrt, Tag und Nacht stand der Oberprofoß, wovon nachher das Wort Professor gekommen, bei ihnen im Kerker, lehrte sie die verschiedenen Sprachen von Trier bis Mainz sprechen und die verschiedenen Weine durch Beschreibung, der Nüchternheit halber, kennen; der Tambourmajor lehrte sie heldenmäßige fürchterliche Stellungen, nach alten Heldenfiguren, die noch an allen Ecken standen; auch die Kunst, selbst im Schlaf mit gestreckten Beinen und martialischem Schnarchen einen gewaltigen Eindruck zu machen, erlernten sie, was gegen nächtliche Überfälle eine unfehlbare Waffe ist; dann lehrte sie, abwechselnd mit der Kunst resolut zu sterben, der Feldprediger den Umgang mit Menschen und Vieh, und der Staatstrompeter gab Unterricht, sich mit Aufblasen ein Ansehen zu geben, in der Eile die schönsten Proklamationen selbst zu machen und in Chören abzusingen. Der General selbst gab Unterricht in der Weltgeschichte aus dem gehörnten Siegfried, der schönen Magelona, der Genovefa, den vier Haimonskindern u.s.w., und da sie nun ausmarschierten, las man ihnen auf dem Marsche die Schwabenstreiche, das Lalenbuch und die Schildbürger vor, und Komma und Punktum wurde mit Trommel und Pfeife dazwischen bemerkt.
In solcher tiefsinnigen Gelehrsamkeit marschierten sie, einer hinter dem andern, um kein Aufsehen zu machen, auf den kleinen Fußpfaden, ohne weiteren Unfall, als daß der Trommelschläger einigemal semicolor statt duo puncta und einmal Fragezeichen statt Ausrufungszeichen trommelte, wodurch große Unordnung in den Marsch kam, weil sie das linke Bein mit dem rechten verwechselten.
In einem solchen zerstreuten Augenblick kamen sie in die Gegend, wo eben der Storch Langebein seine Schuljungen zusammenklapperte; da glaubten sie, der Tambour schlage et cetera, was das Zeichen zum allgemeinen Davonlaufen war. Mit ungemeiner Genauigkeit wurde dieses Manöver ausgeführt. Meister Langebein mußte, um nicht über den Haufen gerannt zu werden, in die Lüfte fliegen, und da sie seinen roten Schnabel für einen feurigen Kriegskometen hielten, so liefen sie in forcierten Märschen. Nun schlug zwar der Prinz Mausohr selbst Parenthesis und Claudatur; aber vergebens; er stand allein auf der Wiese und Meister Langebein kam vor ihm niedergeflogen.
Obschon nun der Storch Langebein sich aus den Lüften herabließ, so gab ihm doch Prinz Mausohr an Herablassung nichts nach; denn er drückte ihn Allerhöchst zärtlich an sein Herz, wobei der Storch den Schnabel auf den Rücken legte und mit zugedrückten Augen einen respektvollsten Klapperlispel ergehen ließ. Es war dieses eine Gruppe von der größten Anmut und Wirkung und ist nachher von den Bildhauern, Tänzern, Kunstbäckern und Hundepantomimen oft mit Beifall wiederholt worden. Langebein legte aber früh genug seinen Schnabel wieder in die erste Position, um nicht ein Opfer dieses schönen Augenblicks zu werden; denn Mausohr drückte stark, und die vielen blanken Knöpfe, Schnallen und Zieraten auf seiner Brust machten einen etwas starken Eindruck auf Langebeins hagere Brust, so daß ihm das Übermaß seiner Empfindung nächst gefährlich ward. Es wäre zwar ein beneidenswerter Tod gewesen, aber der Titel als Kommerzienrat war auch nicht zu verachten; denn diesen gab ihm Mausohr sogleich, da er ihn aus seinen Armen entließ; jedoch unter der Bedingung, ihm wieder eine solche Versammlungspfeife, wie das erstemal, zu bringen. Der Herr Kommerzienrat war gleich auf den Beinen, und Mausohr setzte sich auf die Trommel, welche der Tambourmajor bei dem allgemeinen Fluchtmanöver weggeworfen hatte. Diese Situation im Feldzug Mausohrs beschreibt eine schöne Stelle in dem Heldenbuch mit folgenden Worten:
Der Held auf seiner Trommel sitzt,
Im schicksalvollen Wiesengrund,
Die Mütze sinnt, das Kopfloch blitzt,
Zum Pfeifen spitzet sich der Mund.
Durch wenig Interpunktion,
Durch plötzliches et cetera
Und große Subordination
Kam seinem Heer die Flucht zu nah.
Kommerzienrat! Kommerzienrat!
Die Sammelpfeife bring heran,
Und zeige dich mit schneller Tat
Als Favorit und Untertan.
Es spricht der Held und läuft der Storch,
Die Pfeife lockt vom Heldenmund,
So süß, so milden Klang, horch! Horch!
O schicksalsvoller Wiesengrund.
Rings aus dem Moor, rings aus dem Sumpf
Zieht kühn heran die Heldenschar
Und stellet sich mit schwarzem Stumpf
Schön uniform von unten dar.
Die Pfeife lockt sie in den Bach,
Und gleich stehn alle unbewegt,
Weil schnell des Storches Trommelschlag
Parenthesis Claudatur schlägt.
Dieses Lied sagt alles. Die Kriegskunst Mausohrs übertraf sich selbst, er pfiff einen Generalpardon und eine Proklamation und eine Höchste Zufriedenheit in schöner Abwechslung durcheinander und schloß mit einem Triller von Gehaltszulage, als sie in dem Bache standen, mit allgemeinem Beifall. Diese Finale war um so kühner, weil sogleich die ganze Heldenschar mit vorgehaltenen Mützen aus dem Bache heraus wollte, um die erhöhte Gage zu fassen. Aber hier zeigte sich das Talent des Kommerzienrats Langebein, den Augenblick zu benützen, im höchsten Glanz. Er hatte sich während dem Pfeifen Mausohrs die Trommel auf den Rücken gehängt, beugte seinen Schnabel darauf hin und trommelte mit solcher Kraft Parenthesis und Claudatur, daß das Heer, wie in Klammern festgebannt, im Bache stehen blieb; so machte er sein früheres unglückliches et cetera wieder gut. – Mausohr degradierte nun den Tambourmajor wegen falscher Interpunktion und stellte dem Corps den Kommerzienrat als Reichserztambour vor. Langebein hatte während dieser neuen Standeserhöhung so seine eigenen Gedanken und Nahrungssorgen und schaute etwas links ins Gras, fuhr auch mit dem Schnabel nach einem kleinen Tierchen, das er in die Luft schleuderte, um es bequemer im Niederfallen aufzuschnappen; aber Mausohr, für Mäusestimmen ungemein reizbar, hörte früh genug den Schrei des Weißmäuschens: »Hilf! Hilf! Mausohr!« Er warf sogleich seine Pelzmütze in die Luft, welche dem Meister Langebein sich durch den Schnabel spießend über den Kopf fiel und ihn ungefährlich machte. Während nun Weißmäuschen, das zu den Füßen Mausohrs gefallen war, sich ein wenig von seinem Schrecken erholte und dann dem Prinzen auf die rührendste Weise für seine Rettung dankte, bemühte sich der Storch umsonst, die Pudelmütze vom Kopfe zu kriegen, denn der Schnabel war ihm durchgespießt, und konnte er weder klappern noch sehen, und lief wie toll auf der Wiese herum und stolperte und schüttelte mit dem Kopf. Endlich kamen die Kinder und machten ihrem Herrn Schulmeister, nachdem sie sich lange über seine schöne Perücke erfreut hatten, die Pudelmütze wieder los.
Weißmäuschen erzählte dem Prinzen den ganzen Sieg der Mäuse in Mainz, und daß ihm nichts mehr zu tun übrig sei, als in die Stadt zu ziehen, deren Bürger ihm schon mit den Schlüsseln entgegenkämen, um sie als König in Besitz zu nehmen. Auch sagte Weißmäuschen, er würde gut tun, seine Soldaten hier im Lande zurückzulassen, da wenig zu essen in Mainz sei und an keinen Widerstand zu denken; doch möge er sogleich mit ihm gehen, denn die Mainzer Abgesandten seien kaum eine halbe Stunde weit mehr von hier, und sei zu fürchten, die Freude würde getrübt werden, wenn die armen Leute hier die Kinder sähen; denn da sie durch ihn ihre Kinder verloren, würde der Anblick dieser Kleinen eine traurige Erinnerung in ihnen erwecken.
Mausohr wollte eben den Vorschlägen Weißmäuschens seinen Beifall geben, als der Salvo Titulo Storch, der einige Zeitlang verdrießlich im Hintergrunde gestanden, vor ihn trat und bitter klagte, daß er durch den Wurf mit der königlichen Pelzkappe um alle Reputation und Respekt vor seiner Schuljugend gekommen. Mausohr sagte aber:
Rittertum giebt Königshand,
Königskappe giebt Verstand;
Setz die Kappe auf das Ohr,
Kommandier mein Heldencorps!
– und setzte ihm die Mütze feierlich vor der Armee auf mit dem Befehl, in ihrer Position ruhig bis auf weitere Ordre zu weilen und in stiller Haltung durch die darin befindlichen Blutigel ihr Blut für das Vaterland fließen zu lassen, was ihnen versprochen sei; zugleich aber dadurch ihren allzugroßen Mut für den Frieden abzukühlen und als brauchbare Staatsdiener zurückzukehren. Dem neuen Kommandant sollte als Proviant für den Mann täglich ein Frosch und eine Handvoll Brunnenkresse vergütet werden. Leider war später die falsche Beschuldigung im Umlaufe, sie hätten über den andern Tag mit einer Heuschrecke vorliebnehmen müssen. Aber der Herr Kommerzienrat fanden es unter ihrer Würde, auf solche niedrige Verleumdungen zu antworten. Als Studium ward der Festungsdienst in Wasserpositionen angeordnet, und auch die Preisfrage aufgegeben, mit einem halben Sold als Belohnung den eigentlichen Ort auszumitteln, wo jeder Schwabenstreich zuerst geschehn ist. Als Mausohrs Willen mit großem Beifall angehört worden, schlich er sich, unter bitterlichen Abschiedsseufzern seiner Helden mit Weißmäuschen wie eine Katze vom Taubenschlag davon, herzlich froh, seine tapferen Soldaten, die ihm auf dem kurzen Marsch so viele Arbeit gemacht, nicht nötig zu haben.
Die Wagen mit Lebensmitteln waren der Armee schon vorausgegangen, und er fand sie zwei Stunden vor Mainz, wo er gerade noch soviel Zeit hatte, sich auf einen Wagen voll Sauerkraut zu setzen, als schon die Mainzer Abgesandten ihm entgegenkamen. Um sich aber doch, da er so ganz allein und ohne Armee kam, einiges Ansehen zu geben, ließ er den ganzen Zug der Viktualien sich folgendermaßen ordnen: er selbst saß auf einem ungemein großen Schinken, der auf einem Wagen voll Sauerkraut lag, und dieser Wagen war mit Guirlanden von allerlei Würsten und Schinken umgeben und von acht der schönsten Mastochsen gezogen. Auf beiden Seiten standen zwei Wagen voll Erbsenmus, und weiter zwanzig Karren voll Brot, und dann noch unzählig viele Kälber, Kühe, Schweine u.s.w.
Dem angenehmen Geruch dieser Delikatessen zogen die armen hungernden Abgesandten entgegen. Sie bestanden aber: zuerst aus dem Fischer und seiner frommen Marzibille, aus dem Barbier Schrabberling, dem Friseur Rupferling, dem Schuster Kneiperling, dem Fleischer Hackerling und dem Schneider Meckerling. Ach! welche Gefühle von Ehrfurcht und Liebe hatten sie bei dem Anblick des Sauerkrauts und der Würste und des Prinzen. Sie übergaben ihm die Schlüssel der Stadt, und nachdem sie sich etwas an seiner Pracht sattgegessen, folgten sie seinem Zug nach Mainz; dort spannten ihm die Einwohner sogleich seine Ochsen aus, die sie schlachten ließen, und zogen ihn selbst in die Stadt.
Alle Lebensmittel wurden verteilt, die Soldaten auf ihr Ehrenwort aus dem Gefängnisse entlassen und, da sie es selbst begehrten, alle zu Nachtwächtern degradiert zu Ruhe gesetzt, worauf allgemeines Schmausen und Gesundheittrinken begann. Nachdem diese Feierlichkeiten vorüber, machte Mausohr den Bürgern bekannt: da all ihr Unglück aus der Treulosigkeit des Königs gegen seine nun entschlafenen Anverwandten und gegen den Müller Radlauf herrühre, so wolle er damit anfangen, dieses gut zu machen. Er begehre also, daß vor dem Schloß, wo der Galgen gestanden, eine Pyramide aufgerichtet werde; auf der einen Seite sollte seiner Eltern, auf der andern des Müllers, auf der dritten der Ameley und der Kinder Untergang, auf der vierten der Errettung der Stadt durch die Mäuse gedacht werden. Er selbst nahm die Stadt nur in Besitz, bis der Müller Radlauf, der verschwunden sei, wieder erscheine; der solle sodann ihr König sein.
Die Bürger waren sehr erfreut darüber und schrieen: Vivat! Den folgenden Tag legte Mausohr den Grundstein zur Pyramide, teilte den Bauern Saatkorn aus und zog sodann wieder von den Bürgern begleitet zu dem Storch und zu seiner Armee, wo ihn die Bürger unter tausend Segenswünschen verließen.
Vierzehn Tage war er weggewesen, und wie war er von der Kriegszucht seiner Armee gerührt, da er sie alle miteinander noch auf derselben Stelle im Fußbad begriffen fand, wo er sie gelassen. Das Blutbad hatte ungemein gewirkt, und war ihre Tapferkeit so gemäßigt, daß sie ordentlich miteinander sprachen und gegeneinander über die schwere feuchte Position fluchten, daß es eine Art hatte. Der Prinz kommandierte sie nun selbst aus dem Wasser heraus; aber sie antworteten durch einen Trompeter, daß sie sich nicht eher ergeben würden, bis ihnen das Schnupftuch in der Tasche brennte; sie hätten während der vierzehn Tage solche Fortschritte in der Subordination gemacht, daß diese Festung, die ganz unter Wasser sei, und wo ihre Füße bis an die Waden eingegraben seien, nicht eher übergeben werden könne, bis alle Laufgräben zum Laufen eröffnet und ein Loch geschossen sei, durch das man entwischen könne.
Der Prinz hatte nun nebst dem P. T. Storch von neuem seine Not; er konnte sie auf keine Art aus ihrer eingebildeten Festung herauskriegen; endlich ließ der ehemalige Schulmeister durch die Kinder das Bächlein oben abdämmen, und sie standen bald im Trocknen; dann ging der Prinz und steckte mit seiner Tabakspfeife einem nach dem andern das Schnupftuch in der Tasche an, und sodann zogen sie auf eine ehrenvolle Kapitulation hin, wo sie Lust hatten, um die aufgegebene Preisfrage ruhig auszuarbeiten. Der Prinz dankte Gott, daß er seine braven und großen Helden los ward, und zog auch nach Trier zurück. Von diesen ausgezeichneten Helden sind nachher alle die vielen Burgen und Türme am Rhein und an der Mosel erbaut worden, denn sie hatten Abscheu gegen das Wasser erhalten.
Nun wollen wir aber sehen, wie weit der König Hatto mit seinem Turme gekommen. Aber der ist bereits fertig und steht mitten auf der Insel; der König und die Königin sitzen in ihrer Kammer und lachen den Rattenkönig aus, der sie auf dem Rochusberg ruhig beobachtet. Dann und wann zeigt die Königin dem Rattenkönig die Staatskatze zum Fenster hinaus und ladet ihn höhnisch zum Besuch. Aber der Rattenkönig rümpft die Nase und bleibt in seiner Haltung.
So stehen die Sachen, als Hatto sagt: »Nun muß unser Turm einen Namen haben; ich will, er soll Mausturm heißen, weil er mich von den Mäusen gerettet.« – »Nein,« sagte die Königin, »der Name würde der Staatskatze, welche die Mäuse haßt, verdrießlich sein, laß das »s« weg und nenne ihn Mauturm, weil die Katze durch ihr Mauen die Mäuse abhält.« Das wollte der König nicht, sie zankten sich, und als er sagte, die Katze sei solcher Ehren gar nicht wert, seit sie durch ihren Sprung ins Hochzeitschiff ein großes Unglück veranlaßt habe, schwieg die Königin und begab sich, da es Nacht war, hinab, setzte sich auf das Schiff und fuhr den Rhein weiter hinab und baute sich ein Schloß bei St. Goar, das sie die Katze nannte und worauf sie ruhig fortlebte.