Gretchen verschwand in ihr Zimmerchen, während Franziska die ersten Gäste empfing, ihnen beim Ablegen behilflich war und sie ins Empfangszimmer führte.
„Jetzt wird’s gemütlich,“ sagte sich Gretchen, zündete ihre Lampe an und nahm den Schiller vor. An diesem langen, stillen Abend konnte sie lesen und lernen soviel sie nur wollte. Sie saß bald ganz vertieft und achtete nicht auf das wiederholte Klingeln, als leise die Türe aufging, Frau Batz ihren Kopf hereinstreckte und Gretchen winkte. Diese folgte ihr leise in die Küche, denn im Vorzimmer legten eben wieder Gäste ab.
„Fräulein Gretchen, wissen Sie vielleicht, wo der Wein ist, den ich zum Kochen nehmen darf? Franziska hätte ihn vorher hinrichten sollen, jetzt kann sie nicht mehr abkommen.“ „Er wird in der Speiskammer sein,“ sagte Gretchen und holte ihn.
„So, das ist recht; jetzt bleiben Sie nur außen, man muß doch jemand zur Hilfe haben. Legen Sie mir noch Kohlen aufs Feuer, bloß eine halbe Schaufel voll, und füllen Sie mir den Wasserkessel wieder auf und räumen Sie das Geschirr da aus dem Weg.“ So ging das zu, bis nach einiger Zeit Franziska herein kam und sagte: „Nun fehlt nur noch ein Paar, dann wird zu Tisch gegangen.“
„Als erster Gang kommen die Pasteten mit der Sardellensauce,“ sagte die Kochfrau, „die Pasteten können Sie einstweilen auf die Platte hinrichten.“ Ganz hinten am Herd war eine Wärmeeinrichtung, dort waren die Pasteten heiß gestellt. Franziska beugte sich über den Herd, um sie vorzuholen. In dem Augenblick, wo sie das Blech mit den Pasteten über den Herd hob, hatte Frau Batz den Deckel von dem großen Kessel abgehoben, in dem eine Zunge kochte, der heiße Dampf fuhr Franziska an den Arm, sie machte eine rasche Bewegung, hielt das Blech schief und in einem Nu rutschten die sämtlichen Pastetchen herunter, geradenwegs in den Kessel, wie wenn es ihre Bestimmung gewesen wäre, in der Zungenbrühe aufgekocht zu werden. Franziska tat einen einzigen Schrei, dann lehnte sie sprachlos und wie vernichtet an der Wand.
Frau Batz war nicht sprachlos. Das ganze Tierreich, vom Kamel bis herunter zur Gans mußte herhalten, um Benennungen für die arme Franziska zu liefern.
Eine solche Szene hatte Gretchen noch nie im Hause erlebt. „Ich will die Mutter herausrufen,“ sagte sie. „Hat Ihre Mutter vielleicht Pasteten? Kann sie welche aus den Ärmeln schütteln?“ rief die verzweifelte Köchin, „wo die Batz kocht, da wird die Frau nicht herausgerufen.“
„Dann könnte man vielleicht die Pasteten ganz weglassen,“ schlug Gretchen vor, „es gibt ja heute abend so viele gute Sachen.“
„Den ersten Gang weglassen? Das gibt’s nicht, ich wäre blamiert für alle Zeiten. Ich muß etwas haben zu meiner Sardellensauce, aber es ist nichts im Haus und zu allem zu spät!“
„Kann man keine Pasteten mehr bekommen beim Pastetenbäcker?“ fragte Gretchen, „hat er keine? soll ich hinrennen?“
„Es ist spät und käme erst noch recht teuer.“
„Ich will alles zahlen,“ stöhnte Franziska.