Oben bei Berenbach, ein bißchen weiter in den Wald hinauf, stand, wie ihr wißt, vor Zeiten eine Burg. Jetzt ist nur noch ein kümmerliches Mauerrestchen davon da, früher aber war es eine stattliche Burg. Sie gehörte einem reichen Grafen, der rings im Lande noch viele Schlösser besaß. Auf der Burg wohnte er nur selten; sein Vogt, ein braver, schlichter Mann, bewohnte mit den Seinen darin etliche Zimmer. Des Vogtes einziger Bube hieß Kaspar. Das war ein Bube, der immer zu hundert Dingen Lust hatte, aber nie zur Arbeit, wie das ja manchmal bei Buben vorkommen soll. Seite 212Am liebsten trieb er sich im Walde herum, immer mit dem heimlichen Wunsch, einmal ein Abenteuer zu erleben. Damals gab es noch Zwerge, Wichtlein, Waldweiblein und Nixen, und der Kaspar hätte zu gern mal so ein kleines, seltsames Männlein oder Weiblein gefangen. Und einmal, es war gerade am Johannistag, lief dem Buben wirklich so ein kleiner Wichtel in den Weg, und Kaspar ergriff ihn flink und hielt ihn fest, so sehr das Männlein auch zappelte und schrie. „Was willst du denn von mir?“ rief der Wichtelmann böse, „laß mich doch gehen! Dummer Bube du, mit deinen groben Tatzen zerdrückst du mich ja!“
„Nä,“ sagte Kaspar, „los lasse ich dich nicht, erst mußt du mir was schenken. Meine Großmutter hat erzählt, die Wichtelleute wüßten Farnsamen zu finden, der unsichtbar machen soll; gib mir etwas davon.“
„Meinetwegen,“ sagte der Wichtelmann, „den sollst du haben. Heute ist Johannisnacht, da werde ich welchen für dich suchen, morgen um diese Zeit kannst du ihn dir holen. Hier auf diesem Baumstumpf wird ein silbernes Döschen liegen, darin ist Farnsamen. Aber merke wohl, wenn du einem Menschen davon erzählst, verliert der Samen seine Kraft; solange du schweigst, kannst du dich immer unsichtbar machen, wenn du das Döschen bei dir trägst. So, nun laß mich los!“