Die kleine, dicke Hummel kam noch etwas verschlafen aus ihrer Erdhöhle gekrochen. Beim ersten Blick nach draußen, musste sie wieder ihre schmalen Augenschlitze schließen, denn die Frühlingssonne strahlte ungehindert herab. Es waren nämlich keine Wolken am Himmel zu sehen.
»Verdammt!«, ärgerte sich die Hummel. Hätte sie doch nur an ihre Sonnenbrille gedacht. Doch dann musste sie lachen. Sie besaß nämlich keine Sonnenbrille. Bei so vielen tausend Augen, aus denen ihre Facetten bestanden, wäre eine Sonnenbrille unbezahlbar gewesen.
Die Hummel zwinkerte noch ein paar Mal, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte und flog los. Es ging quer über die sattgrüne Wiese, vorbei an süß duftenden Blüten des Löwenzahns und der Gänseblümchen, deren Pollen zum Verweilen und Naschen einluden. Immer wieder hörte sie auf, mit den Flügeln zu schlagen und ließ sich aus der Luft in die Blüten fallen, dass die Pollen nur so davon flogen. »Arschbombe!«, rief dabei und lachte laut.
Während sie sich austobte, bemerkte sie nicht, dass nach und nach graue Wolken aufzogen. Erst als aus den einzeln vorüberziehenden Schatten am Boden ein bedrohliches Dunkelgrau wurde, sah die kleine Hummel nach oben.
»O nein. Was soll denn das jetzt schon wieder? Haben wir etwa Aprilwetter oder was?«
Sie warf ihren dicken Po herum und gab Gas. Sie musste unbedingt ihr sicheres Erdloch erreichen, bevor die Regentropfen fielen. Doch dann zog ein kräftiger Wind auf.
Die Hummel wurde kräftig herum gewirbelt. Sie wusste nicht mehr, wo sich Oben und wo Unten befanden. Mit ihren kleinen Flügeln kam sie nicht dagegen an. Hilflos musste sie sich den Naturgewalten geschlagen geben.
Auf einmal tauchte über ihr etwas Blaues auf. Hoffnung keimte in ihr, dass die Wolkendecke schon wieder aufgerissen und das Wetter jeden Moment besser werden würde. Doch das war ein Fehler.
»Das ist ja gar nicht der Himmel. Das ist ein Fluss.«
Die Hummel gab noch einmal alles. Verzweifelt versuchte sie, dem Wasser zu entkommen. Sie wollte auf keinen Fall als Fischfutter enden. Doch sie schaffte es nicht. Der Wind drückte sie erbarmungslos tiefer und tiefer, bis sie die Oberfläche erreichte und auf dem Trockenen landete.
Die Hummel sah sich verwirrt um. Sie hatte so unverschämtes Glück gehabt, dass sie in einer kleinen Walnussschale gelandet war, die mit ihr munter auf den Wellen schaukelte.
»Puh! Glück gehabt.«, sagte sie, schnaufte erleichtert und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. »Hm. Das bringt mich auf eine Idee.«
Sie wischte einen Zweig aus dem Wasser, band einen geangelten Stofffetzen daran und stellte Beides als Segelmasten auf. Sie hatte ihr eigenes, kleines Schiffchen gebaut.
»Jetzt fehlt nur noch eins!« Sie riss ein Stück Rinde vom Zweig ab und legte es auf eines ihrer Facettenaugen.
»Kapitänin Hummel hat ihr Piratenschiff bestiegen. Wieder einmal macht sie die Weltmeere unsicher. Niemand wird ihr entkommen. Sie fürchtet weder Tod noch Teufel, sondern Tod und Teufel fürchten sie und ihren spitzen Stachel, mit dem sie schon so manches Duell ausgefochten hat. Ho, Ho und eine Buddel voll Rum.«
Während die Hummel über den Fluss fuhr, den Wellen trotzte und sich die wildesten Piratengeschichten überlegte, riss die Wolkendecke auf. Die Piratennuss segelte langsam dem dem Sonnenuntergang entgegen.