Das erste was Betty sah, als sie aus ihrem tiefen Schlaf erwachte, war das Gesicht ihrer Mutter. Sie war noch zu schwach, um zu reden, doch ihr glückliches Lächeln sagte mehr als alle Worte. Mrs March beugte sich über ihre Tochter, küsste sie und streichelte ihre Hand. Mit einem zufriedenen Gesicht schlief Betty gleich wieder ein.
Hanna brachte ein Frühstück nach oben und Mrs March aß und erzählte von den vergangenen Wochen. Vater war nun wirklich auf dem Weg der Besserung und Mr Brooke war bei ihm geblieben.
Draußen hatten sich die Wolken verzogen und die helle Morgensonne ließ den frischen Schnee wie Diamanten funkeln. Alle wankten ins Bett und schliefen so gut und tief wie lange nicht mehr.
Laurie gönnte sich nur zwei Stunden Schlaf und war bereits wieder auf den Beinen, um Amy die guten Nachrichten zu überbringen. Amy benahm sich vorbildlich und vergoss nur ein paar Freudentränen. Ihre Ungeduld, die Mutter endlich wieder zu sehen, unterdrückte sie.
Nach einer Weile klingelte es an der Tür. Mrs March war gekommen, um nach ihrer Jüngsten zu sehen. Die Wiedersehensfreude war riesig und Tante March ließ die beiden nach ein paar kurzen Fragen alleine.
Amy saß auf dem Schoß ihrer Mutter und strahlte bis über beide Ohren. "Inzwischen komme ich ganz gut mit Tante March klar. Sieh mal, diesen Ring hat sie mir vorhin für mein gutes Benehmen geschenkt."
Mrs March war der wertvolle Türkisring natürlich längst aufgefallen und bemerkte, dass der Ring etwas zu groß für ein so junges Mädchen wäre.
"Ich versuche auch, gar nicht eingebildet zu sein. Ich würde ihn so gerne als Erinnerung tragen, an die Zeit, als ich hier alleine war und mir solche Sorgen um Vater und Betty gemacht habe. Er soll mich immer daran erinnern, wie wichtig Gesundheit und eine glückliche Familie sind. Und dass ich nicht mehr so egoistisch sein will."
"Wenn das so ist, erlaube ich es dir, mein Schatz. Aber jetzt muss ich wieder zurück. Sei tapfer, es dauert gewiss nicht mehr lange, bis du wieder nach Hause kannst!"
Am Abend schlich Jo zu ihrer Mutter, die bei der schlafenden Betty saß. Mrs March bemerkte sofort, dass ihre Tochter etwas auf dem Herzen hatte.
"Was ist los, Liebes?"
"Ich muss dir etwas erzählen, über Meg."
"Psst. Erzähl es mir leise, damit Betty nicht aufwacht."
"Kannst du dich erinnern, als Meg im Sommer ihre Handschuhe im Haus von Mr Laurence vergessen hat? Und wir nur einen im Briefkasten gefunden haben?" Mutter nickte. "Laurie hat herausgefunden, wo der zweite abgeblieben ist. Mr Brooke trägt ihn tagtäglich in seiner Westentasche spazieren. Er hat Laurie gestanden, dass er Meg sehr gerne hat, aber niemandem etwas sagen wolle, da sie noch so jung und er so arm ist. Ist das nicht entsetzlich?"
"Glaubst du, Meg mag ihn?", wollte Mrs March wissen, ohne auf Jos Entrüstung einzugehen.
"Keine Ahnung. Was weiß ich schon von diesem romantischen Quatsch. In meinen Büchern benehmen sich verliebte Damen immer sehr komisch. Solche Anzeichen konnte ich bei Meg noch nicht erkennen. Sie wird nur rot, wenn Laurie Witze über angebliche Verehrer macht."
"Dann glaubst du, Meg interessiert sich nicht für John?"
"John?!!", schnappte Jo entsetzt nach Luft.
"Ja, Mr Brooke. Er wollte, dass Vater und ich ihn so nennen, nachdem er täglich im Hospital war."
"Oje, so weit ist es also schon. Er hat sich mit seiner Hilfsbereitschaft bei euch eingeschlichen, damit er Meg bekommt."
"Reg dich nicht so auf, Jo. John war uns wirklich eine große Hilfe. Er ist ein ehrlicher junger Mann und hat uns erzählt, dass er Meg liebt, aber erst noch genug Geld für ein anständiges Zuhause verdienen möchte, bevor er um ihre Hand anhalten wird. Wir konnten ihm seine Bitte nicht abschlagen, aber ich will auf keinen Fall, dass Meg so jung heiratet. Jo, du musst mir versprechen, Meg nichts zu sagen. Lass John erstmal zurückkommen und uns sehen, wie sich die Dinge entwickeln."
"Es wird grauenhaft und es wird mir das Herz brechen. Das weiß ich jetzt schon. Warum sind wir keine Jungs geworden. Dann hätten wir jetzt nicht solche Probleme!" Jo sah so verzweifelt aus, dass Mrs March seufzen musste.
"Nein, Jo. Es ist ganz normal und richtig, dass ihr alle irgendwann unser Haus verlasst und eure eigenen Wege geht. Ich hoffe nur, dass ihr alle glücklich werdet."
"Wünscht ihr euch nicht lieber einen reichen Mann für Meg? Sie könnte doch einfach Laurie heiraten. Er ist nur ein Jahr jünger als sie, hat gute Manieren, ist reich und sehr großzügig. Das wäre ein guter Plan!"
"Die Liebe kann man nicht planen Jo, wie deine Geschichten. Jetzt hast du diesen romantischen Quatsch im Kopf", zog Mrs March ihre Tochter auf.