Scrooge hielt den Geist immer noch am Gewand, als sie auf der Schwelle zu Bob Cratchits Wohnung standen. Das Gespenst lächelte und segnete Bobs Wohnung mit dem Tau seiner Fackel. Man denke nur! Obwohl Bob nur fünfzehn Schilling wöchentlich verdiente, segnete der Geist der gegenwärtigen Weihnacht das Haus mit den vier Zimmern.
Bobs Frau, Mrs. Cratchit, stand da, in dem armseligen, zweimal gewendeten Kleid, das von seidenen Bändern überladen war. So war es den Aufwand von sechs Pence doch noch wert. Ihre ebenfalls mit Bändern geschmückte Tochter Belinda half Mrs. Cratchit dabei, das Tischtuch aufzulegen. Master Peter Cratchit langte gerade mit der Gabel in die Kartoffelpfanne, als die Spitzen seines vom Vater geliehenen Hemdkragens - den Peter für diesen Festtag ausnahmsweise tragen durfte - zum Mundwinkel spitzten. Sie erinnerten ihn an die feine Kleidung und in ihm kam der Wunsch zutage, sein feines Weißzeug in den vornehmen Parkanlagen zur Schau tragen zu können.
Dann stürmten die beiden kleinsten Cratchits, ein Junge und ein Mädchen herein. Sie riefen, sie hätten bereits vor dem Bäckerladen die Gans gerochen und sofort erkannt, dass es die Ihrige sei. In genüsslichen Gedanken an Zwiebeln und Salbei tanzten sie um den Tisch, während Master Peter in das Feuer blies, bis es in der Kartoffelpfanne so laut zischte, dass jeder im Raum erkannte, dass es an der Zeit war, die Kartoffeln zu schälen.
"Wo bleiben nur Vater und Tiny Tim?", fragte Mrs. Cratchit. "Und Martha war im letzten Jahr auch früher hier."
"Hurra, hier ist Martha", riefen die beiden Jüngsten.
"Gott sei Dank", rief Mrs. Cratchit und küsste ihre Tochter liebevoll auf die Wangen, während sie ihr geschäftig Hut und Halstuch abnahm. "Wie spät du kommst."
"Wir mussten bis in die Nacht hinein arbeiten", erklärte das Mädchen, "und dann noch bis zum Morgen aufräumen, Mutter!"
"Wärme dich am Feuer", forderte Mrs. Cratchit ihre Tochter auf.
"Nein", riefen da die Jüngsten wieder, "Vater kommt! Schnell, versteck dich, Martha!"
Martha versteckte sich, bevor der Vater eintrat. Sein Schal hing lang um seinen Hals und der Anzug war ausgebessert und gebürstet, damit er zum Festtag noch ein wenig feierlicher aussah. Auf seinen Schultern saß Tiny Tim. Der arme Tiny Tim! Er ging an einer kleinen Krücke und sein zarter Körper war von einem Metallgestell umgeben. "Wo ist meine Martha", rief Bob Cratchit.
"Sie kommt nicht", versetzte Mrs. Cratchit.
"Was?", rief Bob Cratchit entsetzt, "unsere Martha kommt am Weihnachtsfest nicht nach Hause?"
Martha, die es nicht fertig brachte, ihren Vater so zu enttäuschen, erhob sich und eilte in seine Arme. Mrs. Cratchit neckte ihren Mann, während er seine Tochter herzlich umarmte. "Und, wie hat Tiny Tim sich aufgeführt?", fragte sie.
"Er ist ein Goldkind", erzählte Bob, "fast noch besser. Er denkt über die seltsamsten Dinge nach, wahrscheinlich, weil er so oft alleine ist. Auf dem Heimweg sagte er, es sei vermutlich gut, dass die Leute in der Kirche ihn gesehen hätten, weil er ein Krüppel wäre … Immerhin sei es wichtig, sie an Weihnachten daran zu erinnern, dass Gott Lahme gehen und Blinde sehen machte."
Bobs Stimme bebte, als er das erzählte und sie erzitterte noch mehr, als er bekräftigte, dass Tiny Tim bestimmt bald stärker und kräftiger werde. Bevor er weiter reden konnte, hörten sie draußen im Flur das Klacken der Krücke und schon stand Tiny Tim im Raum und setzte sich auf einen Schemel, nahe am Feuer.
Bob krempelte die Ärmel hoch und mischte den heißen Punsch mit Gin und Orangensaft in einen Krug, rührte gut um und stellte ihn auf den Kamin, um ihn brodeln zu lassen. Währenddessen holte Master Peter die Gans aus der Küche und kam, ähnlich einer Festtagsprozession, gefolgt von den kleinen Cratchits, ins Wohnzimmer zurück.
Mrs. Cratchit ließ die Soße sprudelnd aufkochen, Master Peter zerstampfte die dampfenden Kartoffeln, Miss Belinda zuckerte die Apfelsoße, Martha wischte die vorgewärmten Teller ab, Bob setzte Tiny Tim an den Tisch, neben ihn stellten die beiden jüngsten Cratchits für jedermann Stühle auf; dann gingen Sie auf Wachposten, schoben sich Löffel in den Mund, um nicht schon vorab nach der Gans zu rufen. Endlich trug man die Schüsseln auf den Tisch und sprach das Tischgebet.
Nach einer atemlosen Pause schickte sich Mrs. Cratchit an, das Vorlegemesser der Gans in die Brust zu stoßen. Mit dem Hervorquellen der Füllung brach entzücktes Gemurmel rund um den Tisch aus. Sogar Tiny Tim rief matt: "Hurra!"
Noch nie zuvor hatte es eine solch köstliche Gans gegeben. Bob lobte die Zartheit und den Wohlgeschmack, die Größe und den vorteilhaften Preis - alle waren voll Bewunderung. Zusammen mit der Apfelsoße und den Kartoffeln gab die Gans ein vorzügliches Festmahl für die gesamte Familie ab. Und am Ende, als noch ein Knochen in der Schüssel war, freute sich Mrs. Cratchit darüber, dass jeder satt geworden war und das, obwohl der Braten noch nicht einmal ganz verzehrt war. Die Gesichter der beiden jüngsten Cratchits waren voll von Apfelsoße, Zwiebelbrühe und Salbei.
Miss Belinda wechselte die Teller und Mrs. Cratchit verließ sichtlich nervös den Raum, um den Pudding zu holen. Wenn er nicht gar wäre, oder auseinanderfiele - wie schrecklich! Womöglich hat ihn jemand gestohlen; wobei bei diesen ängstlichen Gedanken die beiden jüngsten Cratchits totenbleich wurden! Kurz und gut - jeder hatte schreckliche Furcht, dem edlen Pudding könnte etwas passiert sein.
Aber nein! Mit einer heftigen Dampfwolke nahm Mrs. Cratchit den Pudding aus dem Kessel. Es roch wie am Waschtag. Ein Geruch wie in einem Hotel, dessen Nachbarn ein Konditor und eine Wäscherin sind. Hier war der Pudding.
Kurz darauf servierte die stolze Mrs. Cratchit ihren Pudding, der wie eine marmorierte Kanonenkugel aussah, herein. Er war umgeben von entflammtem Brandy und geschmückt mit einem Stechpalmenzweig. Oh welch wunderbarer Pudding! Bob Cratchit lobte, dass seiner Frau seit der Hochzeit nichts mehr so gut geraten war. Mrs. Cratchit erklärte, wie froh sie sei, denn sie war in großen Zweifeln wegen der Mehlmenge gewesen. Jeder brachte etwas zum Pudding ein, doch niemand erwähnte mit einem Wort, wie klein der Pudding doch für so eine große Familie sei.
Nach dem Essen nahm man das Tischtuch ab, fegte den Herd und legte Feuer nach. Das Punschgemisch wurde für außergewöhnlich gut befunden. Auf dem Tisch lagen Äpfel, Orangen und geröstete Kastanien. So scharte sich die gesamte Cratchit-Familie um den Herd und neben Bob Cratchit stand der gesamte gläserne Hausstand der Familie - zwei Trinkgläser und ein Senfglas.
Doch der heiße Punsch schmeckte daraus ebenso gut, als hätte man ihn aus goldenen Bechern gekostet. Während noch Kastanien auf dem Rost über dem Feuer zischten, brachte Bob einen Trinkspruch aus: "Frohe Weihnachten, meine Lieben! Gott segne uns!" Und die ganze Familie stimmte ein. Auch Tiny Tim, der neben seinem Vater saß. Bob hielt dessen zarte Hand und wünschte, er könnte sie ewig halten.
"Geist", fragte Scrooge ergriffen, "sag, bleibt Tiny Tim am Leben?"
Der Geist richtete seinen leeren Blick in die Ferne und schüttelte den Kopf. "Wenn sich die Schatten der Zukunft nicht ändern, wird das Kind nicht leben können."
Scrooge blickte betroffen zu Boden. Er erhob aber erschrocken seinen Blick, als er seinen Namen hörte.
"Auf Mr. Scrooge", sagte Bob gerade. "Wir wollen auf ihn trinken - den Urheber dieses Festmahls."
Seine Frau hob ihm empört das Glas entgegen und rief: "Der soll nur kommen, dann spreche ich einen Toast auf ihn, den er nie mehr vergessen wird!"
"Liebe Frau!", besänftigte Bob, "es ist Weihnachten … denkt an die Kinder!"
"Da muss schon Weihnachten sein, um auf einen Mann wie Scrooge anzustoßen, diesen widerwärtigen alten Geizhals. Du weißt, dass ich recht habe, Robert - gerade du weißt es."
"Meine Liebe, es ist doch Weihnachten!"
"Na gut, dann trinke ich halt. Auf ein langes Leben, eine fröhliche Weihnacht und ein glückliches neues Jahr für ihn! Bestimmt ist er glücklich und froh!"
Die Kinder taten es ihr nach. Doch es war nicht zu übersehen, dass zum ersten Mal an diesem Abend etwas nicht von Herzen kam. Allein die Erwähnung seines Namens verdüsterte die Stimmung.
Aber nachdem der dunkle Schatten Scrooges endlich verschwunden war, wirkte die gesamte Familie fröhlicher als zu vor. Bob erzählte, er habe Arbeit für Master Peter in Aussicht, dazu noch eine gut bezahlte. Die beiden Jüngsten lachten bei dem Gedanken, dass aus Peter ein Geschäftsmann werden sollte. Peter selbst lugte aus seinem Hemdkragen hervor und überlegte, wie er seinen ersten Lohn anlegen sollte - diese ungeheure Summe von fünf Schilling und sechs Pence.
Martha, die eine Ausbildungsstelle bei einer Putzmacherin hatte, erzählte von ihrer Arbeit und dass sie am folgenden Tag erst einmal ausschlafen wolle. Sie hatte nämlich frei. Am Vortag hätte sie eine Gräfin und einen Lord gesehen und dass der Lord ungefähr so groß wie Peter gewesen sei; da reckte sich Peter und zupfte die Ecken seines Kragens.
Während sie miteinander sprachen, aßen sie die gerösteten Kastanien und Tiny Tim sang mit seiner feinen Stimme ein wehmütiges Lied von einem Kind, das sich im Schnee verlaufen hatte.
Die Familie sah keineswegs fein aus, ihr Schuhwerk war durchnässt, die Kleider ärmlich und Peter kannte den Laden des Pfandleihers auch von innen. Dennoch saßen sie glücklich und zufrieden in ihrer kleinen Runde, als das Licht der Geisterfackel das Haus von Scrooges Gehilfen verließ.