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Das Chagrinleder 驴皮记:Der Todeskampf-17

时间:2019-02-01来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Der Todeskampf
»Oh, kein Zweifel! Donnerwetter!« rief Monsieur Lavrille bei seinem Versuch, den Talisman zu strecken: »Nun Monsieur, vielleicht suchen Sie einmal Planchette auf, den berühmten Professor der Mechanik, er wird sicher ein Mittel finden, auf dieses Leder zu wirken, es geschmeidig zu machen und zu dehnen.«
»Ich danke Ihnen, Monsieur, Sie retten mir das Leben!«
Raphael verabschiedete sich von dem gelehrten Naturforscher, eilte zu Planchette und ließ den guten Lavrille in seinem Arbeitskabinett zurück, inmitten all der Glasflaschen und getrockneten Pflanzen. Ohne es zu wissen, hatte er bei seinem Besuch die ganze menschliche Wissenschaft mit auf den Weg bekommen: ein Namenverzeichnis! Der wackere Lavrille ähnelte Sancho Pansa, wie er Don Quijote die Geschichte der Ziegen erzählte; er fand Vergnügen daran, Tiere zu zählen und zu numerieren. Er stand nun am Rande des Grabes und kannte kaum einen kleinen Teil aus der unermeßlichen Zahl der großen Herde, die Gott, wir wissen nicht wozu, über den Ozean der Welten verteilt hat. Raphael war zufrieden. »Ich werde meinen Esel im Zaume halten!« rief er. Sterne hatte vor ihm gesagt: »Wer alt werden will, muß seinen Esel schonen«. Aber das Vieh ist so störrisch.
Planchette war groß und hager, ein richtiger Dichter, der immer in Betrachtung eines unermeßlichen Abgrundes, der BEWEGUNG nämlich, versunken war. Gewöhnliche Menschen halten diese erhabenen Geister, diese Unverstandenen, die bewundernswert unbekümmert um Luxus und weltliches Treiben leben, die ganze Tage lang an einem ausgegangenen Zigarrenstummel kauen und einen Salon betreten, ohne die Knöpfe ihres Anzugs in die geziemende Verbindung mit den Knopflöchern gebracht zu haben, für eine Art Verrückte. Eines Tages haben sie, nachdem sie lange die Leere gemessen oder Reihen von X unter Aa-gG gesetzt haben, irgendein Naturgesetz analysiert und ein simples Prinzip zerlegt; auf einmal staunt die Menge über eine neue Maschine oder irgendeinen Karren, dessen einfache Konstruktion uns erstaunt und verblüfft. Der bescheidene Gelehrte lächelt und sagt zu seinen Bewunderern: »Was habe ich denn Neues hervorgebracht? Nichts. Der Mensch kann keine Kraft erfinden, er lenkt sie, und die Wissenschaft besteht darin, die Natur nachzuahmen.«
Raphael fand den Mechaniker so starr und steif dastehend, daß er einem Gehenkten glich, der geradewegs vom Galgen gefallen ist. Planchette beobachtete eine Achatmurmel, die auf einer Sonnenuhr rollte und wartete darauf, daß sie stehenbliebe. Der Ärmste hatte weder einen Orden noch ein Ehrengehalt; er verstand es nicht, seine Berechnungen effektvoll publik zu machen. Er war glücklich zu leben, einer Entdeckung auf der Spur zu sein, und dachte dabei weder an den Ruhm noch an die Welt, noch an sich selbst. Er lebte in der Wissenschaft und für die Wissenschaft.
»Das ist unerklärlich!« rief er. »Ah, Monsieur«, unterbrach er sich, als er Raphael bemerkte, »Ihr ergebener Diener. Wie geht's der Mama? Treten Sie nur bei meiner Frau ein.«
»So hätte ich auch leben können!« dachte Raphael. Er entriß den Gelehrten seinen Träumen, indem er ihm den Talisman zeigte und ihm die Frage vorlegte, wie man auf ihn einwirken könnte. »Sie mögen über meine Leichtgläubigkeit lachen, Monsieur«, sprach der Marquis abschließend, »ich will Ihnen nichts verhehlen. Dieses Stück Leder scheint mir eine Widerstandskraft zu besitzen, die nichts zu zwingen vermag.«
»Verehrter«, antwortete nun Planchette, »die Menschen der Gesellschaft pflegen die Wissenschaft gemeinhin recht von obenherab zu behandeln, und ungefähr sagen sie uns alle das, was ein Stutzer, der nach der Sonnenfinsternis mit ein paar Damen zu Lalande [Fußnote] kam, zu ihm sagte: »Wollen Sie so freundlich sein, die Sache zu wiederholen.« Welche Wirkung wollen Sie erzielen? Die Mechanik hat die Aufgabe, die Gesetze der Bewegung entweder anzuwenden oder sie unwirksam zu machen. Was die Bewegung an sich angeht, so erkläre ich Ihnen in aller Bescheidenheit, daß wir nicht imstande sind, sie zu definieren. Das dahingestellt, haben wir einige gleichbleibende Erscheinungen beobachtet, welche die Bewegung der festen und flüssigen Körper fortsetzen, ihnen eine Antriebskraft im Verhältnis zu einer bestimmten Geschwindigkeit verleihen, sie fortschleudern, sie einfach oder ins Unendliche teilen, dadurch daß wir sie zerbrechen oder pulverisieren; wir können sie ferner drehen, sie rotieren lassen, sie verändern, zusammendrücken, dehnen, strecken. Diese ganze Wissenschaft beruht auf einer einzigen Tatsache. Sie sehen diese Kugel. Sie befindet sich auf diesem Stein. Jetzt ist sie hier. Wie nennen wir diesen Akt, der physisch so natürlich und geistig so außergewöhnlich ist? Bewegung, Ortswechsel, Ortsveränderung? Welch ungeheurer Dünkel steckt in den Worten! Ist ein Name denn eine Lösung? Und trotzdem beruht darauf die ganze Wissenschaft. Unsere Maschinen wenden diesen Vorgang, diese Tatsache an oder neutralisieren sie. Wird dieses unscheinbare Phänomen auf große Massen übertragen, kann ganz Paris in die Luft fliegen. Wir können die Geschwindigkeit auf Kosten der Kraft oder die Kraft auf Kosten der Geschwindigkeit vermehren. Was ist Kraft, und was ist Geschwindigkeit? Unsere Wissenschaft ist unfähig, das zu sagen, so wie sie unfähig ist, eine Bewegung hervorzubringen. Eine Bewegung, wie sie auch beschaffen sein mag, ist eine ungeheure Kraft, und der Mensch erfindet keine Kraft. Die Kraft ist ein Ganzes wie die Bewegung; sie ist das Wesen der Kraft. Alles ist Bewegung. Der Tod ist eine Bewegung, deren Grenzen uns wenig bekannt sind. Wenn Gott ewig ist, dann ist er, das dürfen Sie glauben, immer in Bewegung. Vielleicht ist Gott die Bewegung. Darum ist die Bewegung wie er unerklärlich, wie er unergründlich, grenzenlos, unfaßbar und ungreifbar. Wer hat je die Bewegung berührt, erfaßt, gemessen? Wir spüren ihre Wirkung, ohne sie zu sehen. Wir können sie sogar leugnen, wie wir Gott leugnen. Wo ist sie? Wo ist sie nicht? Wo beginnt sie? Wo ist ihr Ursprung? Wo ist ihr Ende? Sie umgibt uns, drängt uns und entweicht uns. Sie ist klar wie eine Tatsache, dunkel wie eine Abstraktion, ist Ursache und Wirkung in einem. Sie braucht wie wir den Raum, und was ist der Raum? Die Bewegung allein erklärt ihn uns; ohne die Bewegung ist er nichts mehr als ein leeres Wort ohne Sinn. Die Bewegung ist wie der leere Raum, wie die Schöpfung, wie das Unendliche ein unlösbares Problem, sie verwirrt das menschliche Denken, und alles, was der Mensch zu begreifen vermag, ist, daß er sie niemals begreifen wird. Zwischen jedem der Punkte, die diese Kugel nacheinander im Raum einnimmt, klafft für die menschliche Vernunft ein Abgrund, der Abgrund, in den Pascal gestürzt ist. Um nun auf den unbekannten Stoff, den Sie einer unbekannten Kraft unterwerfen wollen, einzuwirken, müssen wir zuerst diesen Stoff untersuchen; nach seiner Natur wird er entweder unter einem Stoß zerbrechen oder wird ihm widerstehen; wenn er in Stücke bricht und es nicht in Ihrer Absicht liegt, ihn zu teilen, so können wir das gesetzte Ziel nicht erreichen. Wollen Sie ihn komprimieren, so muß auf alle Teile des Stoffes eine gleiche Bewegung derart übertragen werden, daß der Raum zwischen den Teilen gleichmäßig vermindert wird. Wollen Sie ihn ausdehnen, so müssen wir versuchen, auf jedes Molekül eine gleiche exzentrische Kraft auszuüben; denn ohne genaue Anwendung dieses Gesetzes würden wir den Zusammenhang des Stoffes vernichten. Sie müssen bedenken, die Bewegung kennt unendliche Modalitäten, zahllose Kombinationen. Zu welcher Wirkung wollen Sie sich entschließen?« 
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