Nach meiner Genesung brachte man mich auf eine kleine Koppel. Dort sollte ich einige Monate verweilen. Bei aller Freude, die ich über meine neu gewonnene Freiheit verspürte, machte mir die Einsamkeit im Grünen sehr zu schaffen. Ich war Gesellschaft gewöhnt und vermisste vor allem meine Freundin Ginger.
Nach einigen Wochen gab es eine Überraschung. Man brachte Ginger zu mir auf die Koppel. Ich begrüßte sie fröhlich wiehernd. Doch bald erfuhr ich den wahren Grund unseres Wiedersehens. Um Gingers Gesundheit stand es nicht zum Besten und die Herrschaften erhofften sich von der Ruhepause eine Besserung ihres Zustandes.
George war jung und ungestüm. Er liebte die Jagd und ritt mit, wo es sich anbot, ohne Rücksicht auf Ginger. Obwohl er vor dem letzten großen Rennen vom Stallknecht auf Gingers schlechte Gesundheit aufmerksam gemacht wurde, kam ein Wechsel oder gar Verzicht für Lord George nicht in Frage. Ginger erreichte zwar das Ziel unter den drei Ersten, jedoch hatte ihre Lunge heftigen Schaden genommen. Außerdem sorgte Georges Gewicht noch dafür, dass ihr Rücken gezerrt war.
Ginger sah mich an und sagte: "Nun stehen wir hier auf dieser Koppel, ich - zugrunde gerichtet durch einen Dummkopf und du - am Ende wegen eines Alkoholikers. Dabei sind wir eigentlich noch jung." Froh, dass wir wenigstens uns hatten, genossen wir die gegenseitige Gesellschaft. Stundenlang standen wir Kopf an Kopf unter dem Schatten der Linden. Einige Wochen später kehrte der Graf und seine Familie aus London zurück.
Als er mit York zu uns kam, untersuchten sie uns sorgfältig. Unser Herr war empört, dass man uns derart zugerichtet hatte. Vor allem ärgerte ihn, dass wir an ihn verkauft wurden, in dem Glauben, es wäre ein guter Platz auf dem Gut. Und nun …
Der Graf entschied, dass er Ginger noch ein Jahr behalten würde, um zu sehen, wie sie sich erholte. Mich würde er verkaufen. Er bedaure dies zwar sehr, aber mit den zahlreichen Narben, die die schrecklichen Verletzungen hinterlassen hatten, sah er auf dem edlen Gut keine Zukunft für mich.
York stimmte ihm zu und erzählte unserem Herrn, dass er einen Mann in Bath kenne, der Mietställe führe. Den könne er ja mal fragen, ob er mit mir was anfangen könne. Da würde doch das Äußere bestimmt keine Rolle spielen. Und York war sich sicher, dass dieser Mann gut für seine Pferde sorge. Abschließend bat er den Grafen um eine Bestätigung, dass die gerichtliche Untersuchung bestätigt hätte, dass ich an dem Unglück keine Schuld trüge. Dies wäre Empfehlung genug, meinte er.
"Leiten Sie das in die Wege, York. Es kommt mir nicht auf den Preis an. Ich möchte Black Auster gut versorgt wissen", bat der Herr.
Als sie fortgegangen waren, seufzte Ginger: "Sie verkaufen dich. Dann habe ich meinen einzigen Freund verloren."
Schon eine Woche später holte mich Robert, der Stallknecht. Ginger und ich hatten nicht mal Zeit, uns ordentlich voneinander zu verabschieden. Ich hörte ein letztes Wiehern und sie trabte entlang der anderen Heckenseite, solange es ging und sprach mit mir. Doch bald verklangen die Schritte und wir sahen uns nie wieder.
Der Pferdevermieter hatte mich gekauft. Man brachte mich mit der Eisenbahn nach Bath, was mich am Anfang ängstigte, weil das Rasseln und Holpern ungewohnt war. Doch mit der Zeit beruhigte ich mich, weil mir klar wurde, dass es völlig ungefährlich war, so zu reisen.
Mein Ziel war ein kleiner Stall, in dem ich gut versorgt wurde. Er war nicht mehr so angenehm wie die früheren Behausungen. Hier stand ich auf schiefem Boden und wurde mit dem Kopf an der Krippe festgebunden, was sehr ermüdend war. Schade, dass die Menschen nicht wissen, dass Pferde viel leistungsfähiger sind, wenn man sie frei stehen lässt, damit sie sich in der Box umdrehen und bequemer stehen können.
Der Pferdeverleiher war ein guter Mann, der Kutschen und Pferde unterschiedlichster Art vermietete. Er wollte uns sicher nichts Böses. Zuweilen lenkten seine eigenen Kutscher die Wagen, manchmal übernahmen die Mieter selbst die Zügel.