Ich fühlte mich glücklich, in Birtwick eine solche Stellung zu haben. Meine Besitzer waren aufgrund ihrer Freundlichkeit und Offenheit von jedermann geachtet; nicht nur den Menschen gegenüber, nein, auch gegenüber Pferden, Eseln, Hunden, Katzen, Vögeln und Vieh. Sie öffneten ihr Herz für alle Hilfsbedürftigen. So zogen sie die Dorfkinder stets zur Rechenschaft, wenn sie ein Tier schlecht behandelten.
Seit mehr als zwanzig Jahren arbeiteten Farmer Grey und Mr. Gordon daran, die Aufsatzzügel abzuschaffen. Obwohl sie in unserer Gegend nur selten benutzt wurden, sah unsere Herrin gelegentlich ein so geplagtes Pferd. Dann hielt sie sofort an und stellte den Kutscher freundlich aber bestimmt zur Rede.
Unser Herr war nicht so freundlich zu solchen Pferdeschändern. Einmal ritten wir an einem Ponywagen vorbei, dessen Pony schlank gebaut war und auch sonst edel aussah. Als das Pony abbiegen wollte, riss der Kutscher mit Gewalt die Zügel zurück, dass das Pferd beinahe den Halt verlor. Da brach das Pony nach vorne aus, aber der Mann riss es mit aller Kraft zurück, dass sich das Pferd fast den Unterkiefer brach. Nun schlug er mit der Peitsche auf das arme Tier ein. Mir war klar, wie schmerzhaft dies für das Pony sein musste. Mein Herr trieb mich an und wir waren schnell auf gleicher Höhe. Da war mein Herr gar nicht mehr freundlich. "Sawyer! Dies ist ein Pony aus Fleisch und Blut."
"Ja!", rief der Mann genervt, "und aus Eigensinn!" Er war ein Maurer, der öfters geschäftlich mit uns zu tun hatte.
"Ja meinen Sie, eine solche Behandlung macht ihn folgsamer?"
"Wieso läuft er dann hier hinein? Wir müssen geradeaus", erwiderte der Mann mürrisch.
"Sie waren schon so oft mit ihm hier. Das Pony ist intelligent. Woher sollte es denn wissen, dass es diesmal geradeaus fahren soll?", fragte mein Herr aufgebracht. "Noch nie im Leben musste ich mit ansehen, dass ein Pferd so brutal behandelt wurde. Reagieren Sie Ihre Wut doch auf eine andere Art und Weise ab. Auf diesem Weg schaden Sie Ihrem Charakter fast mehr als Ihrem Pferd. Eines Tages werden wir vor dem großen Richter stehen und werden nach unseren Taten gegenüber Menschen und Tieren beurteilt. Bedenken Sie dies!"
Als wir langsam in den Hof fuhren bemerkte ich immer noch, wie aufgebracht und erbost mein Herr über diese Angelegenheit war. Dennoch sprach er offen seine Meinung aus - mit jedem, egal welchen Standes.
Einmal trafen wir unterwegs einen Freund unseres Herrn. Sie hielten kurz an und der Captain fragte unseren Herrn, was er von seinem neuen Gespann hielt. "Sie sind der beste Pferdekenner in der Gegend. Ihre Meinung interessiert mich."
Da nahm unser Herr kein Blatt vor den Mund. Die beiden Grauschimmel mussten ihre Arbeit mit Aufsatzzügeln verrichten und er sagte: "Schade, dass die schöne Kopfhaltung lediglich auf Kosten der Kraft und Gesundheit Ihrer Pferde geht."
Der Freund wusste sofort, auf was unser Herr anspielte und verteidigte diese Modeerscheinung. Doch unser Herr erklärte ihm, dass es einen Unterschied mache, ob die Pferde den Kopf freiwillig hochhalten oder nicht. Zum besseren Verständnis bot er seinem Freund, der Soldat war, ein Beispiel an. "Stellen Sie sich mal vor, Ihre Soldaten trügen beim Parademarsch den Kopf so hoch, dass Sie stolz auf Sie wären. Wären Sie auch so erfreut, wenn sie das nur könnten, wenn der Kopf an einer Latte festgezurrt wäre? Wohl nicht, oder? Außerdem, was wäre dann im Kriegsfall? Deshalb kann ich Ihnen nur raten, ein bisschen weniger mit der Mode zu gehen und etwas mehr Ihren gesunden Menschenverstand zu gebrauchen. Da wäre so manches einfacher. Außerdem will ich noch betonen, dass die Pferde, dürften sie frei laufen, weniger stolpern, wenn Kopf und Nacken frei sind. So, nun habe ich Sie aber völlig überrollt. Hoffentlich war meine Rede nicht ganz umsonst."
"Tja, eigentlich haben Sie recht", meinte der Captain. "Und über den anschaulichen Vergleich mit den Soldaten werde ich nachdenken." So trennten sich ihre Wege.