»Vater!«
»Ja, dein Vater! Ah! Ich bin ein wirklicher Vater. Dieser Bursche von einem Grafen soll mir nicht meine Tochter mißhandeln. Zum Donner! Ich weiß nicht, was ich in den Adern habe. Es muß Tigerblut sein, ich könnte diese beiden Menschen verschlingen. Oh, meine Kinder, das ist also euer Leben! Aber das ist mein Tod . . . Was soll aus euch werden, wenn ich nicht mehr da bin? Die Väter müßten so lange leben wie ihre Kinder. Mein Gott, wie ist die Welt schlecht eingerichtet! Aber du hast doch einen Sohn, wie man uns gelehrt hat. Du dürftest nicht zulassen, daß wir in unseren Kindern leiden. Nur euren Schmerzen verdanke ich es, daß ihr hier seid, meine Engel. Nur eure Tränen lerne ich kennen. Aber doch, ihr liebt mich, ich sehe es. Kommt nur her, um euch bei mir auszuweinen! In meinem Herzen ist viel Raum . . . Ja, ihr könnt es ruhig zerreißen, aus den Stücken kann man noch Vaterherzen machen. Ich möchte eure Sorgen auf mich nehmen, für euch leiden . . . Ach, als ihr klein wart, wart ihr wirklich glücklich . . .«
»Ja, das war die einzige Zeit, wo es uns gut ging«, sagte Delphine. »Wo sind die Zeiten, als wir im großen Speicher die Säcke hinabrutschten?«
»Mein Vater, ich habe dir noch nicht alles gesagt«, sagte Anastasie leise zu Goriot, der zusammenzuckte. »Für die Diamanten haben wir keine hunderttausend Francs bekommen. Maxime wird gerichtlich verfolgt. Wir haben nur noch zwölftausend Francs zu zahlen. Er hat mir versprochen, vernünftig zu werden und nicht mehr zu spielen. Auf Erden bleibt mir nur noch seine Liebe, und ich habe sie so teuer bezahlt, daß ich sterben würde, wenn man mir sie raubte. Ich habe ihr alles geopfert, mein Vermögen, meine Ehre, meine Ruhe und meine Kinder. Oh, dafür, daß Maxime wenigstens frei und in Ehren bleibt, daß er weiter in der Gesellschaft verkehren kann, in der er sich schon eine Stellung erringen wird! Ich kann nur noch von ihm ein wenig Glück erhoffen; unsere Kinder werden eines Tages ohne Vermögen sein. Alles ist verloren, wenn man ihn ins Ste-Pélagie-Gefängnis wirft.«
»Ich habe kein Geld, Nasie! Nichts mehr, nichts! Das ist das Ende der Welt. Ja, die Welt muß zugrunde gehen, das ist sicher. Eilt, rettet euch vorher! Oh, ich habe noch meine Silberschnallen und sechs Bestecke, die ersten Silbersachen, die ich in meinem Leben hatte! Sonst bleiben mir nur noch 1200 Francs Leibrente.«
»Was hast du denn mit deiner Staatsrente gemacht?«
»Ich habe sie verkauft und nur noch die kleine Summe für meine eigenen Bedürfnisse zurückbehalten. Ich hatte 12 000 Francs nötig, um Fifine ein Appartement einzurichten.«
»In deinem Hause, Delphine?« fragte die Gräfin ihre Schwester.
»Oh, was macht das«, fuhr Vater Goriot fort. »Jedenfalls sind die 12 000 Francs verbraucht.«