»Sie möchten sicher gern wissen, wer ich bin, was ich früher gemacht habe und was ich heute treibe«, fuhr Vautrin fort. »Sie sind gar zu neugierig, mein Junge. Also, nur Ruhe! Sie werden jetzt allerhand zu hören bekommen. Ich habe manches Unglück durchgemacht. Hören Sie mich erst an, später können Sie mir antworten. Mein Vorleben läßt sich in drei Worten erzählen. Wer ich bin? Vautrin. Was ich treibe? Was mir beliebt. Damit Schluß. Wollen Sie etwas über meinen Charakter wissen? Ich bin gut zu denen, die mir Gutes tun oder deren Wesen mir gefällt. Denen ist alles erlaubt, sie können mir Fußtritte ans Schienbein geben, ohne daß ich sage: Nimm dich in acht! Aber, verflucht noch einmal! Ich bin böse wie der Teufel zu denen, die mir nachstellen, und zu denen, die mir nicht liegen. Es ist gut, wenn Sie sich folgendes merken: Ich mache mir nicht so viel daraus, einen Menschen umzubringen«, sagte er, indem er ausspuckte. »Nur bemühe ich mich, ihn sauber zu erledigen, wenn es unbedingt nötig ist. Man könnte mich einen Künstler nennen. Ja, so wie Sie mich hier sehen, habe ich die Memoiren von Benvenuto Cellini gelesen, und noch dazu auf italienisch! Von diesem prächtigen Kerl habe ich gelernt, daß man die Vorsehung kopieren muß, die uns tötet, wie es ihr paßt, und daß man das Schöne lieben muß, wo man es findet. Übrigens, das ist kein schlechtes Spiel, allein gegen alle zu stehen und dabei Glück zu haben! Ich habe lange über die soziale Unordnung, so wie wir sie heute erleben, nachgedacht. Mein Junge, das Duell ist ein Spiel für Kinder, eine Dummheit. Wenn von zwei Menschen einer verschwinden muß, so wäre es dumm, sich auf den Zufall zu verlassen. Das Duell? Kopf oder Schrift, das ist die ganze Sache! Ich treffe fünfmal hintereinander das Pik As, eine Kugel auf der anderen, und das auf 35 Schritt! Wenn man solch ein kleines Talent sein eigen nennt, so kann man wohl sicher sein, seinen Mann niederzuknallen. Nun ja, ich habe einmal auf 20 Schritt auf einen Menschen geschossen, ohne zu treffen! Dabei hatte der Bursche nie in seinem Leben eine Pistole in der Hand gehabt. Da, sehen Sie!« Der seltsame Mensch knöpfte seine Weste auf und entblößte seine Brust, die zottig war wie ein Bärenfell, bedeckt mit einer roten Mähne, die Entsetzen und Ekel erregte. »Dieser Gelbschnabel hat mir das Fell verbrannt«, fügte er hinzu und legte Rastignacs Finger auf eine Narbe in der Brust. »Aber damals war ich noch ein Kind, ich war in Ihrem Alter, einundzwanzig. Ich glaubte noch an etwas, an Frauenliebe, an den ganzen Unsinn, mit dem Sie sich jetzt abgeben wollen. Wir hätten uns beinahe geschlagen, nicht wahr? Sie hätten mich töten können. Stellen Sie sich vor, ich läge unter dem Rasen – wo wären Sie? Sie müßten fliehen, nach der Schweiz, das Geld des Papas aufessen, der selbst nichts hat. Und nun werde ich, Vautrin, Ihnen die Lage erklären, in der Sie sich befinden, aber ich werde es mit der Überlegenheit eines Mannes tun, der die Dinge hienieden genügend geprüft und eingesehen hat, daß man nur zwischen zwei Wegen zu wählen hat: zwischen stumpfem Gehorsam und der Revolte. Ich kenne keinen Gehorsam, verstehen Sie das? Wissen Sie, was Sie brauchen auf dem Weg, den Sie gehen? Eine Million, und zwar schnell. Sonst können wir eines Tages, Köpfchen voran, in die Seine hopsen, nur um herauszukriegen, ob es ein höchstes Wesen gibt. Diese Million – ich werde sie Ihnen verschaffen.«