Noch überragt die Kirche den Ort. Viele Leute aber sind schon weg. Das höchste deutsche Gericht entschied im Dezember 2013, dass der Tagebau Garzweiler weiter Kohle fördern darf. Immerath wird es bald nicht mehr geben.
Das Tagebaugebiet Garzweiler liegt ganz im Westen von Deutschland. Seit vielen Jahren wird hier Braunkohle abgebaut. Dafür müssen immer wieder Dörfer weichen. Garzweiler, nach dem der Tagebau benannt ist, und 13 weitere Orte sind schon von der Landkarte verschwunden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Erweiterung des Tagebaus zu billigen, ist jetzt auch Immerath nicht mehr zu retten.
Früher lebten rund 1500 Menschen hier. Heute sind es noch knapp 100. Die meisten arbeiten im Bergbau. Auch die Bauern sind noch hier. Sophie Häcker ist eine von ihnen: „Man weiß nicht, was man zurückkriegt. Das Schlimmste ist die Ungewissheit“, sagt sie. Zwar hat das Gericht auch entschieden, dass betroffene Bürger bei derartigen Großprojekten in Zukunft früher klagen dürfen. Aber das hilft den Bauern aus Immerath nicht mehr.
Der Pfarrer Günter Salentin hat lange um den Erhalt von Immerath gekämpft. Doch gegen die Übermacht von Politik und Wirtschaft kam er nicht an. Beim letzten Gottesdienst im „Immerather Dom“, wie die Bewohner ihre Kirche nennen, kritisierte er: „ Nicht die hier lebenden Menschen waren im Blick, sondern die Energiegewinnung hatte politischen und wirtschaftlichen Vorrang.“
Die Umsiedlung der Immerather ist fast abgeschlossen. Die Menschen wohnen heute in Erkelenz, Aachen oder in Neu-Immerath, einem eilig aus dem Boden gestampften Ersatzdorf aus Neubauhäusern. Dazu soll auch eine kleine Kapelle gehören. Aber den „Dom“ mit den beiden Türmen kann sie nicht ersetzen.Glossar
etwas überragen – viel größer als etwas sein
Tagebau, -e (m.) – eine Anlage, in der mit großen Maschinen (z. B. Kohle oder Metalle) von der Oberfläche der Erde geholt wird, um es weiterzuverarbeiten
etwas fördern – hier: etwas aus dem Boden herausholen, um es weiterzuverarbeiten (z. B. Kohle, Erz, Silber); → etwas abbauen
etwas ab|bauen – hier: etwas aus dem Boden herausholen, um es weiterzuverarbeiten (z.B. Kohle, Erz, Silber); → etwas fördern
weichen – Platz machen für etwas/jemanden
von der Landkarte verschwinden – nicht mehr existieren (geographisch: bei Orten und Ländern)
Bundesverfassungsgericht (n., nur Singular) – das höchste Gericht in Deutschland für Fragen, die die Verfassung betreffen
Erweiterung, -en (f.) – der Ausbau; die Vergrößerung; die Ausweitung
etwas billigen – etwas erlauben; etwas dulden
Ungewissheit, -en (f.) – die Unklarheit/Unkenntnis über etwas
klagen – hier: vor einem Gericht gegen etwas kämpfen
Übermacht, -mächte (f.) – eine sehr starke Kraft, die viel stärker ist als eine andere
gegen etwas nicht an|kommen – etwas nicht besiegen können; schwächer sein als etwas
Dom, -e (m.) – eine besonders große, kunstvolle/prächtige Kirche
im Blick sein – umgangssprachlich für: beachtet werden
Vorrang haben – wichtiger sein
Umsiedlung, -en (f.) – hier: die Aktion, bei der die Bewohner eines ganzen Dorfes in andere Orte umziehen müssen
etwas ab|schließen – hier: etwas beenden
etwas aus dem Boden stampfen – etwas ganz neu bauen
Kapelle, -n (f.) – eine kleine Kirche