Die „Spiegel-Affäre“ gehört zu den großen Skandalen Nachkriegsdeutschlands. Erstmals nach 1945 wurde ein Verlag aus politischen Gründen durchsucht – mit dem Ziel, Journalisten mundtot zu machen.
Am 10. Oktober 1962 verursachte ein Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ einen der größten Skandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Redakteur Conrad Ahlers hatte geschrieben, dass die Bundesregierung nicht gut auf einen atomaren Angriff vorbereitet ist. Die Schuld daran gab er vor allem dem damaligen Verteidigungsminister und CSU-Politiker Franz Josef Strauß.
Das Verteidigungsministerium reagierte sofort und wertete den Artikel als Landesverrat. Denn der Bericht, der auch genaue Informationen über die Truppenstärke der Nato und ihre Ausrüstung beinhaltete, soll angeblich Staatsgeheimnisse öffentlich gemacht haben. „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein, Conrad Ahlers und zwei weitere Chefredakteure wurden deshalb festgenommen. Das Gebäude des Magazins wurde durchsucht und wochenlang besetzt.
Schnell wurde die „Spiegel-Affäre“ zur Regierungskrise. Denn es wurde bekannt, dass Franz Josef Strauß persönlich für die Verhaftung von Ahlers verantwortlich gewesen war. Und das ist gesetzeswidrig. An vielen Orten in Deutschland kam es deshalb zu Demonstrationen für die Pressefreiheit. Am 14. Dezember 1962 musste Bundeskanzler Konrad Adenauer schließlich die Regierung umbilden – ohne Strauß. Adenauer selbst kündigte seinen Rücktritt für den Herbst 1963 an.
Obwohl Augstein und Ahlers mehrere Wochen im Gefängnis bleiben mussten, profitierte „Der Spiegel“ von der Geschichte: Heute ist das Hamburger Nachrichtenmagazin nicht nur wirtschaftlich erfolgreich. Das Pressehaus wird seit der Affäre auch als Zentrum des investigativen Journalismus in der Bundesrepublik gesehen.
Glossar
Affäre, -n (f.) – hier ein Skandal
Nachkriegsdeutschland (n.) – Deutschland zwischen 1945 und etwa 1955
Verlag, -e (m.) – ein Unternehmen, das Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher veröffentlicht
jemanden mundtot machen – jemanden daran hindern, über etwas zu sprechen
Nachrichtenmagazin, -e (f.) – eine Zeitschrift, die über aktuelle politische Themen berichtet
Redakteur, -e/Redakteurin, -nen – ein Journalist/eine Journalistin
atomar – hier: mit Atomwaffen
CSU (f.) – Abkürzung für: Christlich Soziale Union; eine konservative politische Partei in Bayern
etwas als etwas werten – etwas als etwas beurteilen
Landesverrat (m.) – die Weitergabe/Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen
Truppenstärke, -n (f.) – die Anzahl von Soldaten
Nato (f.) – Abkürzung für: North Atlantic Treaty Organization; ein militärisches Bündni
Ausrüstung, -en (f.) – hier: Waffen und Gegenstände, die für den Krieg benötigt werden
Herausgeber, - /Herausgeberin, -nen – jemand, der verantwortlich für eine Zeitung/Zeitschrift ist
etwas besetzen – hier: ein Gebäude so absperren, dass niemand hineingehen kann
gesetzeswidrig – gegen das Gesetz; illegal
Pressefreiheit (f.) – ein Grundrecht, das besagt, dass die Presse frei berichten darf
die Regierung um|bilden – einige Minister einer Regierung entlassen und neue einsetzen
etwas an|kündigen – auf etwas hinweisen, das bald passieren wird
Rücktritt, -e (m.) – die Tatsache, dass man ein Amt nicht weiter ausübt
von etwas profitieren – durch etwas einen Vorteil haben
investigativer Journalismus (m.) – der Journalismus, der geheime Hintergründe aufdeckt