Europa wächst zusammen - das sieht man auch an der deutsch-polnischen Grenze. Immer mehr Polen in der Grenzregion zieht es aus verschiedenen Gründen auf die deutsche Seite. Polen und Deutsche profitieren gleichermaßen.
Zwischen dem polnischen Stettin und dem deutschen Pasewalk liegen nur 20 Kilometer - aber auch eine Staatsgrenze. Doch die hat für viele in der Region nur noch einen symbolischen Charakter. "Wir feiern zusammen, putzen zusammen und leben mittlerweile wie richtige Nachbarn", beschreibt eine Polin ihren deutsch-polnischen Alltag in Pasewalk, wohin sie vor einem Jahr umgesiedelt ist.
Seit der EU-Osterweiterung haben sich im deutschen Grenzgebiet mehrere hundert Polen angesiedelt. Jeder vierte von ihnen ist selbstständig - einige als Ich-AG im Krankenpflegebereich, andere haben kleine Handelsunternehmen gegründet. Auch Industriebetriebe entdecken die Vorteile einer Ansiedlung in Deutschland. Jaroslaw Wieczorek ist ein Zulieferer der deutschen Autobranche. In Posen beschäftigt er 60 Leute. Doch vor ein paar Wochen gründete er ein zweites Unternehmen in Pasewalk und stellte auf Anhieb sieben Leute ein. In einigen Bereichen fehlen jedoch die Arbeiter. Denn nach der Wende haben vor allem viele junge Menschen mit Ausbildung die Region verlassen und sind in die alten Bundesländer gegangen. Diesen Mangel an Arbeitern hofft man mit der Zusammenarbeit mit Polen zu beheben.
Vor allem Stettiner zieht es ins deutsche Umland, denn die Grundstückspreise sind hier niedriger als in Polen. Alicja Spicak-Brezinska berät polnische Umsiedler bei der Suche nach einem passenden Zuhause. In Pasewalk, sagt sie, ständen viele Häuser leer, die die Einheimischen nach der Wende verlassen hätten. "Diese Häuser sind sehr günstig zu haben, deshalb interessieren sich viele Polen aus Stettin dafür. Vor allem junge Leute mit Familien, die in Stettin arbeiten, sich dort aber kein eigenes Haus leisten können."
Und was halten die deutschen Nachbarn davon? In der Innenstadt von Pasewalk weckt das Thema weder Begeisterung noch andere Emotionen. "Sollen die doch machen, was sie wollen, solange sie mich in Ruhe lassen" sagen einige, andere sprechen von einem "guten Miteinander". "Man fährt auch selber nach Polen zum Einkaufen", fügt ein Passant hinzu.
GLOSSAR
von etwas profitieren – einen Vorteil von etwas haben
gleichermaßen – zu gleichen Teilen
umsiedeln – in eine andere Region ziehen
EU-Osterweiterung, die – die Ausweitung des Europäischen Union auf östliche Länder
Handelsunternehmen, das – eine kleine Firma oder ein Geschäft
Zulieferer, der – jemand, der eine Ware produziert und diese an andere Firmen liefert
auf Anhieb – sofort
Wende, die – hier: die friedliche Revolution in der DDR, die von 1989 bis 1990 stattfand und dadurch die DDR wieder mit der BRD vereinigt wurde
alten Bundesländer, die – die einzelnen Gebiete der ehemaligen BRD; z.B. Hessen, Bayern; die einzelnen Gebiete der ehemaligen DDR heißen neue Bundesländer
etwas beheben – ein Problem lösen
Umland, das – eine Region, die zu einer Stadt gehört
Grundstückspreis, der – den Preis, den man für ein Stück Land bezahlt
niedrig – hier: etwas ist billig
Einheimische, der – jemand, der an einem Ort geboren wurde und dort auch lebt
etwas von jemandem halten – eine Meinung über jemandem haben
Passant, der – der Fußgänger