Manch neue technische Errungenschaft ist, kaum auf dem Markt, schon wieder veraltet. Damit verworfen, vergessen. Das ist nicht fair, denn manches Produkt ebnet durch sein Dasein erst den Weg für Nie-Dagewesenes! Autor: Thomas Grasberger
Archäologen sind gescheite Menschen. Monatelang wühlen sie in feuchten Böden herum, um ein paar Knochen oder Haferl zu finden. Oder wenigstens ein paar kreisrunde dunkle Verfärbungen im Erdreich. Denn aus solchen Pfostenlöchern rekonstruieren sie ganze Häuser und Siedlungen, um uns staunenden Laien dann spannende Geschichten zu erzählen über unsere Vorfahren, die zum Beispiel vor 7.500 Jahren in linienband-keramischen Langhäusern gelebt und ihre Köpfe mit lustigen kleinen Donauschnecken-Ketten geschmückt haben.
Löcher lesen
Freilich, ein wenig Fantasie braucht man manchmal schon für die Interpretation solcher Funde. Nicht zuletzt als Laie, der sich ja oft nur wundert darüber, was man alles herauslesen kann, aus ein paar Drecklöchern. Aber dafür ist er ja Fachmann, unser Archäologe. Und zwar einer mit krisensicherem Job, darf man vermuten, denn eine Vergangenheit wird es wohl auch in der Zukunft noch geben. Nur, wie wird sie aussehen? Wie wird sich die Befundlage in - sagen wir einmal - zweitausend Jahren darstellen? Wird der Archäologe der Zukunft erkennen, welche Schätze wir ihm hinterlassen haben, wenn er zum Beispiel ein Gewerbegebiet des Jahres 2015 ausgräbt? Oder einen Wertstoffhof? Was wird er denken, wenn er auf Hunderte, ja Tausende von ausrangierten Fernsehgeräten und Computerbildschirmen stößt? Wird er die Errungenschaften unserer Zivilisation richtig deuten? Wird er die großen Revolutionen unserer Zeit verstehen? Digitalisierung! Vernetzung! Interaktivität! Trimedialität!
Zeitgeistliches deuten
Hoffentlich erkennt er überhaupt den Unterschied zwischen einem Fernseher und einem Computer. Und erst die feinen Übergangsphasen! Man denke nur an die bahnbrechende Neuerung des Bildschirmtextes, auch Btx genannt. Jener richtungweisenden Technologie, die Anfang der 1980er-Jahre von der damaligen Deutschen Bundespost eingeführt und auf der Internationalen Funkausstellung am 11. September 1983 stolz präsentiert wurde. Was für eine Revolution war diese Weiterentwicklung des Videotextes! Was für eine endsgeile Grafik! Kantige, weiße Buchstaben auf roten Balken vor dunkelblauem Hintergund! Und dazu ein grob gepixeltes Telefon als Logo! Das Ganze lief schließlich nicht mehr über Fernsehsignal, sondern über eine Telefonverbindung. Jeder Btx-Teilnehmer konnte - gebührenpflichtig! - mit einem Btx-Set an seinem Fernseher auf eine riesige Datenbank zugreifen, auf der Seiten gespeichert waren. Versandhausbestellungen vom Fernsehsessel aus waren nun möglich. Oder auch Kontoführung. Man konnte sogar mit anderen Rechnern in Dialog treten. Lange vor E-Mail und Internet!
Die waren es dann auch, die ihn bald verdrängen sollten. Denn, ehrlich gesagt, so richtig hat er sich nie durchsetzen können, der Bildschirmtext. Trotzdem war Btx ein kleiner Meilenstein in unserer technikverliebten Zivilisation. Hoffentlich weiß das unser Archäologe des Jahres 4000 dereinst auch zu würdigen!