Hanns Bötticher, alias Ringelnatz, dichtete über das Liebesleben von Seepferdchen, Blindschleichen oder Hunden. Sein eigner Hund, Frau Werner, starb am 22.6.1931 - und bekam natürlich auch 'n Gedicht. Autor: Michael Skasa
Der Typ war umtriebig und nicht besonders gutbürgerlich. Schwänzte den Unterricht und ließ sich derweil tätowieren; also flog er raus in seiner Heimatstadt Wurzen an der Mulde, tief im Sachsenland. Das Abitur machte er dann auf einer Privatschule, dampfte ab zur See, vier Jahre immerhin als Matrose; schlug sich danach in drei Dutzend Berufen durchs mehr und mehr versoffne Leben, war Bibliothekar und Fremdenführer, Buchhalter und Schaufensterdekorateur, Schausteller, Werbetexter, Besitzer eines Tabakladens und - Verseklöppler.
Kabarettfähige Flöhe
Er machte sich Reime auf die kleine Welt um ihn her, auf Flöhe, auf spielende Kinder und schwankende Seemänner. Die Verse waren wie aus der Hosentasche gebröckelt, skurril, bisweilen absurd, oft derb wie die Reime aus Straßenkindermund. Das war ihr Reiz, das machte sie - wenn schon nicht gesellschafts- so doch kabarettfähig.
Meine Stellung habe ich verloren, / Weil ich meinem Chef zu hässlich bin.
Und nun habe ich ein Mädchen geboren, / Wo keinen Vater hat und kein Kinn...
So konnten seine Gedichte beginnen - und dann noch krasser weitergehn. Und die weintrinkenden Bürger hauten sich feixend auf die Schenkel dabei und sagten, das sei schon ’ne Type, dieser Ringelnatz, geborner Hanns Bötticher, all die kleinen Frechheiten und Ferkeleien: einfach eine Wucht.
Was ihm übern Weg lief, wurde bedichtet:
Als ich noch ein Seepferdchen war, / im vorigen Leben
da war “die zierlichste aller Seestuten“ seine Geliebte -
die wieherte nicht und äpfelte nicht -
er aber fing eine “Liebschaft mit einer Blindschleiche“ an:
Allmittags haben gemeinsam wir / Am gleichen Tisch gesessen,
Sie Regenwürmer mit zwei Tropfen Bier / Ich totere Delikatessen.
Sie war so appetitlich und nett, / Sie schlief Nacht über in meinem Bett
Als wie ein kühlender Schmuckreif am Hals...
Von da zur Verehrung der Hochseekuh war’s nur ein Rösselsprung:
Die Kuh hat einen Sonnenstich / Und riecht nach Zimt und Nelken / Ohei! - Uha!
Und unter Wasser kann sie sich / Mit ihren Hufen melken. / Ohei - Uha!
Die echten Wiesenkühe aber beneidete er um ihre „rührenden Rotzmäuler“ und die “warmen Mastbäuche“, woran “ihre Euter schwappeln und schlenkern / so hunds-glücklich gemein“, und dann träumte er von einem am ganzen Körper rasierten Igel und von einem kecken Kater, der sich mühte, rücklings die ballistische Kurve einer Rakete nachzupinkeln, und von einem Hund, dem übel wird:
Wenn ein Hündchen kotzt - / Öffentlich genau so wie zu Hause -
Sollst du mit ihm leiden, / Maulkorb ihm durchschneiden;
Denn sonst wirkt der Korb wie eine Brause.
Und dann mochte er natürlich Hunde, so nebenher, weil sie so drollig waren:
Wolleball hieß ein kleiner Hund, / Über den ein jeder lachte,
Weil er keine Beine hatte und / So viel süße Schweinereien machte.
Und sein Wolleball war gut. Er grollte / Nie. Ein einzig Mal nur biss
Er nach mir, als ich verhindern wollte, / Dass er wieder in die Hausschuh schiss.
Frau Werner hieß das Tier
Noch einen Hund hatte Ringelnatz, eine Hündin, aber allzu viel Zeit zum Treusein und Gassigehen brachte unser lungenkrank trinkfroher Dichter nicht für sie auf. Immerhin schrieb er ihr ein Toten-Gedicht für den Hundehimmel.
Frau Werner hieß das Tier (22. Juni 1931)
Mein Hund, den ich einmal an Oertners gab,
Weil sie ihn überlieb gewonnen hatten,
Den mussten sie heute bestatten. / Betteten ihn in ein Hundegrab.
Eine Terrierhündin, die vierzehn Jahr
Alt wurde und Kriegskameradin war,
Ist sanft und rührend entschlafen. / Nun weinen die Oertners, die braven.
Mich tröstet traurig: So ging’s, so geht’s.
Hat Bug wie Heck seine Wellen. -