Auch aus einer eigentlich missglückten Erfindung kann man was machen. Etwa aus schlecht klebendem Klebstoff und Papier. Unsinn? Das kommt sehr darauf an. Nämlich auf das, was man auf das Post-it draufschreibt! Autorin: Yvonne Maier
Da will man nur im Kirchenchor mitsingen und schon hat man eine Menge Ärger am Hals: Man besorgt sich ein Gesangbuch und bereitet sich akribisch vor, indem man mit kleinen Zettelchen die wichtigen Seiten markiert, damit man im Gottesdienst nicht so lang nach den richtigen Liedern kramen muss. Das raschelt ja immer so laut.
Auch Arthur Fry, geboren am 19. August 1931 in Minnesota, hatte dieses Problem. Doch es wurde noch schlimmer: Denn wenn er die Buchseiten mit zu viel Schwung öffnete, flatterten die improvisierten Lesezeichen heraus und sanken sanft auf den Boden hinab. Mitten im Gottesdienst! Wie unangenehm.
Die Nutzung missglückter Erfindungen
Doch Arthur Fry wäre kein berühmter Erfinder, wenn er aus dieser Not keine Tugend gemacht hätte. Er sammelte seine Lesezeichen diskret wieder auf und machte sich den Rest des Gottesdienstes darüber Gedanken, wie er dieses Problem lösen könnte. Er wäre damit wohl nicht weit gekommen, wenn nicht ein paar Jahre vorher sein Kollege Spencer Silver einen Klebstoff erfunden hätte, der irgendwie nicht richtig funktionierte. Anstatt einen schönen, durchgehenden Klebefilm zu bilden, verklumpte er in mikroskopisch kleine Kügelchen. Ein Kleber, der zwar klebte, aber so schlecht, dass man die Oberflächen wieder auseinanderziehen konnte. Das wusste Arthur Fry - und hatte einen Einfall:
Was wäre, wenn man den Kleber auf kleine Papierstreifen auftragen würde und die als Lesezeichen einkleben könnte, zum Beispiel in ein Gesangbuch? Wenn man sie abziehen würde, gingen die Papierseiten im Buch nicht kaputt. Kaum war das Wochenende vorbei, machte sich Arthur Fry ans Werk. Er hatte chemische Technik studiert und wusste, was zu tun war. Er besorgte Papierstreifen und Proben von Spencer Silvers Klebstoff. Den schmierte er auf eine Seite und fertig war das erste selbstklebende Lesezeichen, also genauer gesagt, 18 Monate Entwicklungszeit später.
Als er anfing, auf die Klebezettel kurze Nachrichten an seinen Chef zu schreiben, wurde ihm klar, dass er eigentlich gar keine Lesezeichen erfunden hatte, sondern selbstklebende Notizzettel. Eine geniale Idee, fand Arthur Fry. Unsinnig und nutzlos, fand die Geschäftsleitung. So etwas braucht doch keiner!
Ab in die Tonne damit.
Klebender Unsinn?
Die Legende besagt nun, dass Arthur Fry die übrigen Prototypen seiner Sekretärin überlies, die sie wegwerfen sollte. Was sie zum Glück nicht getan hat, sondern sie hat sie beschriftet und auf allerlei Schriftsätze und Gegenstände aufgeklebt. Arthur Fry war begeistert - und wies sie an, in einer Art Guerilla-Aktion noch mehr davon in der Verwaltung der Firma 3M zu verteilen. Die Sekretärinnen rissen ihr die Post-its förmlich aus den Händen. Und dann war endlich auch die Geschäftsleitung überzeugt, nach einem weiteren, sehr erfolgreichen Testlauf in der kleinen Stadt Boise in Idaho, gingen die Post-its im Jahr 1980 in Serienproduktion.
Heute macht die Firma mit der unsinnigen Idee von Arthur Fry übrigens rund
300 Millionen Dollar Umsatz im Jahr. Für den Erfinder hat es sich gelohnt, obwohl das Post-it nur eines von dutzenden Patenten ist, die er über die Jahre angemeldet hat.