Spitzenkleidchen, Krönchen und einem adäquaten Prinzgemahl später viele vor allem Söhnchen - so stellt man sich gemeinhin das Leben einer Prinzessin vor. Manch blaublütige Frau hat da andere Ansichten. Autor: Christian Feldmann
“Viel Zeit verlangte das am Rio Lebrija erlegte Krokodil (…). Obwohl das Tier ausgeweidet war, hatte es doch noch ein solches Gewicht, dass wir es zu zweit kaum tragen konnten“ - Diese südamerikanischen Reisenotizen aus dem Jahr 1898 stammen von keinem raubeinigen Abenteurer und Schatzsucher, sondern von einer zartgebauten, aber unwahrscheinlich zähen Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach. Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern, zweifellos das Enfant terrible des Königshauses, hat schon als Kind Märchen, Puppen und hübsche Kleider gehasst.
Statt Ponyhof: Chemielabor
Stattdessen setzt sie durch, dass sie von Professoren des Polytechnikums Privatunterricht in Chemie, Experimentalphysik und Mineralogie erhält, und so nebenher lernt sie auch elf Sprachen, von Russisch und Dänisch bis zu Holländisch, Neugriechisch und Tschechisch. Weitgehend im Selbststudium bildet sie sich zu einer hervorragenden Ethnologin, Zoologin und Botanikerin heran.
Die von der Familie für sie ausgesuchten Heiratskandidaten behandelt sie so unhöflich, dass die bald wieder abziehen. Am Ende verfällt sie auf den Trick, sich mit 29 Jahren zur Vorsteherin des “Königlichen Damenstifts zur heiligen Anna“ machen zu lassen, ein klassisches Amt für alte Jungfern.
Tintenfass-Ehe
Zwar stellt sie nicht ohne Selbstironie fest: “Es kömmt mir vor, als wäre ich mit meinem Tintenfass verheiratet.“ Aber das Studieren und Lesen und Exzerpieren genügt ihr längst nicht mehr. Bereits als Zwanzigjährige hat sie ihre erste Bildungsreise nach Griechenland unternommen. Es folgen perfekt vorbereitete Fahrten durch Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Skandinavien, Russland
und England.
1888 wagt sie sich zum ersten Mal in die Tropen. In Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile ist sie mit dem Schiff oder Kanu, mit Pferd oder Maulesel unterwegs, begleitet von einer robusten Hofdame und einem Diener, dem sie einmal kurzerhand ihr Feldbett überlässt, als er krank wird; die Prinzessin schläft auf dem Steinboden.
Ausgerüstet ist die Reisegesellschaft mit Zelten, Moskitonetzen, Flinten, Kochtöpfen, Wasserfiltriermaschinen, Fotoapparaten, Messinstrumenten und Behältnissen für die Ausbeute aus der exotischen Tier- und Pflanzenwelt, denn die ist gewaltig: Therese bringt im Lauf der Jahre über 2500 Objekte aus nord- und südamerikanischen Indianerkulturen heim nach Bayern - einschließlich einer Mumie samt Grabbeigaben -, mehr als 400 Pflanzengattungen, seltene Tiere, die von Wissenschaftlerkollegen teils als unentdeckte Arten klassifiziert werden, unter anderem eine Singzirpe aus Trinidad und einen Harnischwels aus Kolumbien.
In mehr als 30 Büchern dokumentiert sie ihre Reisen und Funde. Und am 1. Juli 1892 kann sie endlich, endlich den Lohn eines strapaziösen Forscherlebens einheimsen: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften macht Prinzessin Therese zu ihrem ersten - und bis heute einzigen - weiblichen Ehrenmitglied. Die Entscheidung erfolgt nicht ohne Kontroversen; schließlich haben sich prominente Gelehrte wie der Münchner Anatomieprofessor Theodor von Bischoff in jenen Jahren mit dem unterschiedlichen Gewicht weiblicher und männlicher Gehirne beschäftigt und daraus den Schluss gezogen - Zitat Bischoff -, “dass dem weiblichen Geschlechte nach göttlicher und natürlicher Anordnung die Befähigung zur Ausübung der Wissenschaften und vor allem der Naturwissenschaften fehle“.