Ein Pferd entdeckt den Erzgang. Blei, Zink, Kupfer… Schön: führt zur Gründung der Pfalz Goslar. Weniger schön: schädigt die Umwelt. Schließlich wird der Rammelsberg Weltkulturerbe - aber natürlich erst als das Erz erschöpft ist. Autorin: Leo Hoffmann
Rammelsberg! Welch hochtrabender Name für diesen Hügel am Nordrand des Harzes. Gerade mal 635 Meter ist er hoch, kaum baumbestanden, bewachsen mit Flechten und Strauchwerk. Unscheinbar!? Nur von außen!
1654 hält Matthäus Merian in seiner “Topographia Germaniae“ fest, dass der Rammelsberg an “Höhe vnd Weitläufftigkeit“ so groß nicht sei, dass aber darin „mannicherley Bergarten“ gefunden würden.
Waidmannsheil
Diese „Bergarten“ machen den Rammelsberg aus! Bereits im 3. Jahrhundert, so lassen Funde von Schlacken und unverhütteten Erzbrocken vermuten, fördern Knappen seine Reichtümer zu Tage. Doch scheint der Abbau nach einiger Zeit eingestellt worden zu sein, denn laut der “Topographia Germaniae“ wird das Bergwerk erst “Anno Christi 972“ unter Kaiser Otto I. “erfunden“. Von einem Jäger nämlich, “welcher mit seinem Zunahmen Ramme geheissen“. Dieser Jäger habe, auf dem namenlosen Hügel, sein Pferd angebunden. Während er ein Wild verfolgte, habe „interim das Pferd mit den Füssen gescharret vnd den Ertzgang entblösset“. Eine äußerst ergiebige Jagd für Ramme!
Bald erkennen “die alten Bergverständigen“, dass das Erz im Rammelsberg nicht in Adern abgelagert ist, sondern “es sey ein gantzer Stock, damit Gott der Allmächtige diesen Ort Landes gesegnet“. Dieser Segen erweist sie sich als zu fest für Schlägel und Eisen. Auch Schwarzpulver hilft nichts. Die Bergmänner müssen Feuer setzen: Sie entzünden Holzstöße am Abbauort. Die Hitze dehnt das Gestein, verursacht Risse.
Ist das Feuer verglüht, bespritzen die Hauer das Gestein mit Wasser. Der thermische Schock macht es so mürbe, dass sie es in Platten loshauen können. Und was sich da nicht alles findet: Blei-Zink-Erz, Kupfererz, Schwefelerz, Braun-, Grau- und Banderz mit Mineralien wie Bleiglanz, Kupferkies, Zinkblende und Baryt. Der waldreiche Harz jedoch trägt den Schaden: Er verödet. Flüsse und Bäche sterben, weil Vitriole aus dem Rammelsberg sie verätzen.
Pfalz und Weltkulturerbe
Das aus dem Rammelsberger Erz gewonnene Silber führt zur Gründung der Pfalz Goslar durch Kaiser Heinrich II. Der Rammelsberg macht Reichsgeschichte: Goslar wird die Residenzstadt deutscher Könige und Kaiser. Es dominiert die Hanse mit seinem metallhandel.
Doch nach über 1000 Jahren Abbau, nach der Förderung von fast 30 Millionen Tonnen an Erz ist der Rammelsberg erschöpft: Am 30. Juni 1988 werden seine Schächte stillgelegt.
Still jedoch ist es im Berg nicht geworden. Seit 1992 gehört der Rammelsberg zum Weltkulturerbe: Seine mittelalterlichen Holzstollen, sein Grubenraum aus dem
13. und seine Übertagesanlagen aus dem 14. Jahrhundert halten die Frühzeit des Bergbaus lebendig. Auf seinen Abraumhalden tummeln sich Archäologen und Flechtenforscher. Und so leistet dieser kahle Hügel für die Kulturlandschaft in Deutschland Höheres als die Zugspitze.