Hallo und guten Tag. Heute ist der 9. April. Herzlich willkommen zur ersten Sendung von " Zu Gast bei Dagmar". Ich bin die Dagmar, und ich wohne in Neuchâtel oder, wie man auf Deutsch sagt, in Neuenburg - in der französischen Schweiz.
Freuen Sie sich auf die Oster-Feiertage [1]? Haben Sie Pläne und wollen verreisen? Ich auch. Davon erzähle ich Ihnen im ersten Teil. Im zweiten Teil stelle ich Ihnen Neuenburg etwas näher vor. Danach erzähle ich Ihnen, wie es sich als Hochdeutsch Sprechende "Ausländerin", in der Schweiz lebt. In der Schweiz, genauer gesagt, in der welschen Schweiz [2]. Danach geht's um das Problem mit fremd klingenden Vornamen, und zum Schluss erzähle ich Ihnen von meinem Frust mit Werbemails.
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Ostern steht vor der Tür. Haben Sie eine Reise geplant oder sind vielleicht bereits mit dem Auto unterwegs? Oje, dann wünsche ich Ihnen gute Fahrt, denn das Radio hat - wie immer - Stau vor dem Gotthard gemeldet. Ich selber fahre nach Salzburg an die Osterfestspiele. Dieses Jahr werden die Festspiele von Simon Rattle dirigiert. Ich liebe Simon Rattle. Und zwar so sehr, dass ich im Juli auch zu den Festspielen in Aix-en-Provence, in Frankreich, fahre. Da dirigiert er nämlich auch und dann im September nach Luzern ins KKL (Kultur- und Kongresszentrum Luzern). Auch da dirigiert er. Sie haben noch nichts von Sir Simon Rattle gehört? Er ist der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Er ist Engländer und hat einen weissen Wuschelkopf [3]. Bei ihm wird klassische Musik zum göttlichen Erlebnis. Simon Rattle hat die Gabe, dem Publikum zu vermitteln, wie fantastisch die Musik ist, die es soeben hört. Manchmal zieht er nur die Augenbrauen hoch, um mit seinen Musikern zu sprechen, manchmal wirft er sich förmlich in das Orchester hinein. Es sind magische Momente voller Genuss. So einfach ist das und doch so schwer. Genug der Schwärmerei [4]. Für alle, die denken, ich sei nur der Klassik verfallen - das ist ein Irrtum. Ich liebe auch Beat und Poprock.
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Kommen wir zum zweiten Thema für heute, zu Neuenburg, der Stadt, wo ich lebe. Neuenburg liegt am grössten - und für mich schönsten - See der Schweiz. Ich liebe das Wasser im Sommer wie auch im Winter. Die Farben wechseln mit dem Wetter und mit der Jahreszeit.
Wussten Sie, dass der Kanton und die Republik Neuenburg in zwei Jahren ihren tausendsten Geburtstag feiern? Und wussten Sie, dass die berühmte Suchard Schokolade aus Neuenburg kommt? Neuenburg ist nicht nur eine bekannte Universitätsstadt, sondern auch eine Stadt der fröhlichen Feste. Ein Beispiel ist das Festi Neuch im Juni am See oder dann natürlich auch das Winzerfest am letzten Wochenende im September. Wenn Sie können, müssen Sie da unbedingt mal hinfahren.
Die Verständigung in Neuenburg ist nicht ganz einfach. Die Neuenburger sprechen bekanntlich Französisch, und sie lernen Deutsch in der Schule. Aber sie wenden die deutsche Sprache nicht an. Warum nicht? Sie lernen eben Hochdeutsch und nicht Dialekt. Welchen auch? Und damit sind sie in Bern oder Basel oder St. Gallen dann doch wieder fremd. Genauso als ob sie Französisch sprechen. Wieso also sollten sie Deutsch lernen?
Ach ja, auch Dürrenmatt, der bekannte Schweizer Schriftsteller, hat hier gelebt. Er hat aber weiterhin auf Deutsch geschrieben. Ich bin ihm einige Male im Wald oberhalb des alten Spitals [5] Cadolles begegnet. Unsere Hunde haben sich ganz gut vertragen. Herr Dürrenmatt selbst blieb aber wortkarg, das heisst, er hat wenig gesprochen. Um ganz ehrlich zu sein, er hat nicht einmal "grüezi" oder "guten Tag" oder "bonjour" gesagt.
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Haben Sie auch, wie ich, einen relativ [6] fremden Vornamen? Und schauen die Leute Sie fragend an, wenn Sie Ihren Namen nennen? Das ist nicht so schlimm, wenn Sie persönlich in einem Geschäft oder bei einer Behörde sind. Da steht ja schon mal fest, dass Sie ein Mann oder eine Frau sind. Schon ein Hindernis überwunden. Bravo! Wenn Sie aber schriftlich mit einer Behörde Kontakt haben, dann ist es schon schwieriger. Nehmen Sie zum Beispiel meinen Vornamen: "Dagmar". Das ist ein Frauenname, natürlich, und er stammt aus Dänemark oder Schweden und bedeutet übersetzt "Tagtraum". Nicht schlecht, oder? Die Steuerbehörden haben sich offenbar vom Namen zum Träumen verleiten lassen, denn sie haben mich jahrelang als "Herrn" bezeichnet. Erbost [7] habe ich die Post jeweils zurückgeschickt und darauf bestanden, dass ich eine Frau sei. Das führte aber zu vielen Verzögerungen. Leider musste ich die Steuern dann trotzdem bezahlen.
Falls Sie auch noch einen fremdtönenden Nachnamen haben, ist die Gefahr gross, dass Ihr Nachname [8] in einer Kundenkartei [9] als Vorname geführt wird. Dann brauchen Sie wieder Geduld und Nerven. Also, wenn es Ihnen ähnlich ergeht wie mir und Sie verunsichert sind mit Ihrem Namen, dann habe ich einen Tipp für Sie. Schauen Sie im Internet nach. Dort sind mehr als 22'000 Vornamen registriert. Meiner steht im Gebrauch an Stelle 464. Seitdem ich das weiss, geht es mir besser.
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Heute Morgen habe ich meinen Laptop geöffnet um zu schauen, wer mir geschrieben hat. Ich habe vier private Mails bekommen, 25 Werbemails und 81 Spam-Meldungen. Seit gestern! Manchmal werde ich verrückt wegen der vielen Mails.
Aber daran bin ich selbst schuld. Geht es Ihnen auch so? Ich sehe Sie bereits mit dem Kopf nicken. Ich bin fast sicher, dass Sie, genau wie ich, einmal auf eine Internet-Annonce [10] geantwortet haben. Ich fülle praktisch alle Wettbewerbe und Rätsel aus. Dabei hoffe ich natürlich immer, etwas zu gewinnen. Mein Objekt der Begierde [11] war im letzten Jahr das neue iPhone. Dieses Wunderwerk der Technik. Damit hatte Apple wieder einen Hit gelandet. Ein befreundeter Kollege kam aus den USA mit einem iPhone nach Hause und demonstrierte [12] es mir ganz stolz. Ich war total begeistert. So schön von der Optik her und so leicht zu bedienen! Per [13] Fingerdruck die Inhalte verschieben, Fotos im Querformat anschauen können. So eins musste ich haben. Sie auch? Dann habe ich Sie ja voll erwischt [14]. Denn dann haben Sie auch Ihre Mailadresse bei dem Wettbewerb für ein iPhone mitgeteilt und werden seitdem sicher mit Werbung bombardiert. Die Werbung kommt aus Deutschland. Für Elektrogeräte, für Sparverträge, für Computer und für Flugreisen. Die Werbung macht auch nicht Halt vor Waschmaschinen, vor Kosmetik und vor Bettwäsche. Sie hört einfach nicht auf. Und das geht seit Monaten so. Manchmal kann man diese Newsletter oder Werbebriefe abbestellen. Aber nicht immer. Und was nützt mir Werbung aus Deutschland in der Schweiz? Ich kann ja dort doch nichts bestellen. In den meisten Fällen heisst es "nicht lieferbar in die Schweiz". Bei Amazon und auf Ebay geht das zwar, sonst sieht es aber düster aus.
Bis heute habe ich übrigens kein iPhone gewonnen. Sie bestimmt auch nicht, oder?
Nun, genug für heute. Ich freue mich auf Ihre Anregungen, Ideen aber auch auf Ihre Kommentare zu diesem Podcast auf www.podclub.ch. Das nächste Mal hören wir uns am 24. April. Dann dreht sich fast alles um das Essen. Wir sprechen über Kochsendungen im Fernsehen, den Einkauf im benachbarten Ausland sowie über Lebensmittel und Getränke. Und wenn die Zeit reicht, werde ich Ihnen über Pannen in meinem Alltag berichten.
Geniessen Sie Ihr verlängertes Wochenende und bleiben Sie gesund. Bis zum nächsten Mal grüsst Sie, wo immer Sie auch sind, Ihre Dagmar.
[1] der Feiertag: gesetzlicher oder kirchlicher freier Tag
[2] die welsche Schweiz: germanische Bezeichnung für die Kelten; heute für romanische Völker; Romandie
[3] der Wuschelkopf: viele gelockte Haare
[4] die Schwärmerei: Vorliebe, Neigung
[5] das Spital: das Krankenhaus
[6] relativ: ziemlich
[7] erbost: ärgerlich, empört
[8] der Nachname: der Familienname
[9] die Kundenkartei: einen Namen in einer Kartei führen
[10] die Annonce: die Anzeige
[11] die Begierde: die Lust, die Gier
[12] demonstrierte: zeigte
[13] per: mittels
[14] erwischt: ertappt