106.
Wer trug die Ersten nicht von Zeit zu Zeit!
Sie sind der Schatten in dem Bild des Lebens!
Warst andern sie zu mildern du bereit,
So sei getrost, du lebtest nicht vergebens.
Die Dritte treibt oft Blatt und Blut empor,
Auch trägst du es von Meister Schusters Händen;
Es ist das Ruder an dem Feuerrohr,
Den raschen Tod, wohin du willst, zu senden.
Das Ganze wütet in des Menschen Brust.
Oft unterliegt er ihm im heißen Ringen.
Nicht selten wird’s des Lebens höchste Lust,
Doch öfter noch dir die Verzweiflung bringen.
[23]107.
Schon sank auf Wald und Eins hernieder
Der Dämmrung Schleier leis’ und sacht,
Und ihre traumumfang’nen Glieder
Begann zu regen nun die Nacht.
Am Fuße einer Drei – Vier saß ich,
Vor mir die frisch begrünte Flur;
Des heißen Tages Müh’n vergaß ich
Im holden Frieden der Natur.
Wie war erquickend diese Kühle!
Sie machte Herz und Sinne klar. –
Wie labte nach des Tags Gewühle
Sich lechzend nun mein erstes Paar
Und von den Letzten kehrte wieder
Die Herde mit melod’schem Klang,
Wobei ihr Hirte treu und bieder
Ein Lied mit frommem Sinne sang.
Leis tönten aus dem nahen Orte
Die Abendglocken übers Feld. –
So ward mir zu dem ganzen Worte
Auch noch ein Ohrenschmaus bestellt.
108.
Der ersten Silb’ entströmen Wein und Lieder,
Und was du einsam denkst, macht sie bekannt,
Oft geht sie mit dem Zwang auch Hand in Hand,
Schlägt selbst in Fesseln deine freien Glieder!
Doch gibt das zweite Paar dir Hoffnung wieder,
Sein Feueratem weht von Land zu Land,
Sprengt deines Kerkers festgetürmte Wand,
Wirft deine Häscher, deine Fesseln nieder.
Scheint zwei mit eins sich nimmer zu vertragen,
So ist das Ganze doch ein hohes Wort,
Woran man nur den Widerspruch getadelt;
Doch hat sein Widerspruch manch großen Geist geadelt!
Fürwahr! es starb des letzten letzter Hort,
Wär’ es gestorben jüngst in unsern Tagen.
(Hauff.)
109.
Liebliche Erste, du warst gepriesen von tausend Poeten
Und in Begeist’rung für dich singen unzählige noch.
Einmal nur mit all’ deiner Pracht erscheinst du des Jahres,
Und wie im Jahre, so blühst einmal im Leben du nur.[24]
Liebe beut dir die Zweite, du kennst sie in vielerlei Arten –
Was ihm am meisten behagt, wähle ein Jeder sich aus.
So zu der Zweiten gehört auch das Ganze, das köstliche Ganze
Schenkt dir die Erste. Da ist Keiner, der es je verschmäht.
110.
Die beiden Ersten geh’n
Hervor aus Schmerz und Leid.
Die Dritte sich vollzieht
In Lust und Heiterkeit.
Durch’s Ganze stellt man uns
Handgreiflich, wunderbar,
Im Schmuck der Poesie
Den Ernst des Lebens dar.
106. Leidenschaft.
107. Augenweide.
108. Preßfreiheit.
109. Maitrank.
110. Trauerspiel.