Einst stand im Siebengebirge, nicht weit vom Drachenfels, eine riesige Tanne. Stolz breitete sie ihre immergrünen Zweige aus. Unter ihr floss ruhig der alte Vater Rhein. "Ach, " seufzte die Tanne, "ach, könnte ich doch einmal nur zu Weihnachten in einer Kirche stehen, damit mich alle Kinder bewundern können!" So stand die Tanne Tag für Tag, Woche für Woche und seufzte und jammerte, dass sie doch einmal nur in ihrem Leben in einer Kirche stehen wolle.
Das hörte ein alter Forstarbeiter. "Du dumme Tanne", brummte er, "einmal nur willst Du in einer Kirche stehen? Du weißt wohl nicht, was dass bedeutet! Sei froh, dass Du hier im grünen Wald bist!" Doch die Tanne seufzte weiter. Die Vögel mochten nicht mehr in ihren Zweigen sitzen, weil sie so viel seufzte. "Es ist nicht zum aushalten mit ihr;" schimpfen sie und flogen zu den anderen Bäumen.
Der Herbst nahe. Die Stürme brausten über den Wald und schüttelten kräftig die Zweige der Bäume. Die kleinen Tiere im Wald verkrochen sich, so schrecklich brauste es. Dann kam der Regen. Wie aus Kübeln schüttelte es über den Wald. Doch die Tanne seufzte nur: "Einmal nur möchte ich zu Weihnachten in einer Kirche sehen und die Glöckchen hören!"
Es würde kälter, die ersten Schneeflocken fielen. Die Tiere verkrochen sich mit ihren Wintervorräten unter dichte Reisighaufen und in warme Höhlen. Es wurde kälter und kälter.
Tiefer Frost herrschte jetzt im Wald. Doch unsere Tanne träumte von Weihnachten. Alle Kinder würden sie bestaunen, ihr goldene und silberne Kugeln an die Zweige hängen.
Von ihrem vielen Geseufze waren die Zapfen abgefallen und lagen nun auf der Erde.
Die im Sommer frischen grünen Zweige, von ihrem Klagen unansehnlich geworden, hingen schlaff auf den Boden.
Da kam kurz vor Weihnachten der alte Forstarbeiter wieder vorbei. Er sah die große Tanne lange an und nahm dann seine große Säge. Die Tanne schüttelte vor Freude ihre Zweige. Endlich würde sie nun in einer Kirche stehen und die Kinder würden sie bewundern. Der Forstarbeiter sägte und sägte, bis ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Endlich fiel die große Tanne, doch es machte ihr nichts aus. Denn nun würde sie sicher zu einer Kirche gebracht werden.
Am nächsten Tag wurden ihre die Zweige abgehackt, erst die großen, dann die kleinen. Die Tanne wimmerte vor Schmerzen. "Was machst Du mit mir?", rief sie dem Forstarbeiter zu, doch der hörte ihr nicht zu. "Du wolltest doch zu Weihnachten in eine Kirche, oder nicht?" Jetzt kommst du in eine Kirche!" Stück für Stück zersägte er den Baum, lud das Holz auf einen Wagen und brachte ihn zu einem kleinen Kirchlein. Es war kalt in dieser kleinen Kirche, die Menschen saßen dicht gedrängt, die Kinder hatten sie unter ihre Mäntel genommen. So kalt war es. Der Forstarbeiter lud das Holz ab und zündete den Kamin an. Bald prasselte ein lustiges Feuer. Die Kinder krochen unter den Mänteln hervor und lobten die Tanne, die ihnen soviel Wärme spendete. Die säuselte noch im Verglühen: "Einmal nur zu Weihnachten in einer Kirche sein, einmal nur!" Dann verbrannte auch das letzte Stückchen Holz.