»Det – det können Se doch nicht so sagen! Det war doch nicht der
Wille der Leute, det die Familie meener Oma stirbt! Det war doch die
Idee von den Leuten, die da angeklagt worden sind. In Dings, in …
Nürnberg!«
»Fräulein Krömeier, ich bitte Sie! Diese Nürnberger Veranstaltung ist
doch nichts gewesen als die reine Volkstäuschung. Wenn Sie
Verantwortliche suchen, haben Sie letztlich nur zwei Möglichkeiten.
Entweder Sie folgen der Linie der NSDAP, und das heißt, die
Verantwortung trägt, wer im Führerstaat nun einmal die
Verantwortung trägt – das ist der Führer und niemand sonst. Oder Sie
müssen diejenigen verurteilen, die diesen Führer gewählt oder aber
nicht abgesetzt haben. Und das waren ganz gewöhnliche Menschen,
die entschieden haben, einen außergewöhnlichen Mann zu wählen
und ihm das Schicksal ihres Landes anzuvertrauen. Wollen Sie
Wahlen verbieten, Fräulein Krömeier?«
Sie blickte mich verunsichert an. »Ick versteh davon vielleicht nicht
so viel wie Sie, Sie haben det sicher allet studiert und jelesen. Aber –
aber Sie finden det doch ooch schlimm, oder? Det, wat da passiert ist!
Sie wollen det doch ooch verhindern, det noch mal …«
»Sie sind eine Frau«, sagte ich nachsichtig, »und Frauen sind in
Gefühlsdingen immer sehr impulsiv. Das ist der Wunsch der Natur.
Männer sind sachlicher, wir denken nicht in Kategorien von schlimm,
nicht schlimm und dergleichen. Es geht uns darum, Aufgaben zu
bewältigen, Ziele zu erkennen, zu setzen und zu verfolgen. Diese
Fragen erlauben jedoch keine Sentimentalität! Es sind die wichtigsten
Fragen unserer Zukunft. Es mag hart klingen, doch wir dürfen nicht
jammernd in die Vergangenheit blicken, sondern müssen es lernend
tun. Was geschehen ist, ist geschehen. Fehler sind nicht dazu da, um
bedauert zu werden, sondern um nicht erneut gemacht zu werden.
Nach einem Brande werde ich niemals derjenige sein, der Wochen,
Monate um das alte Haus weint! Ich bin derjenige, der das neue Haus
errichtet. Ein besseres, ein festeres, ein schöneres Haus. Doch ich
kann dabei nur die kleine Rolle spielen, die mir die Vorsehung
zuschreibt. Ich kann für dieses Haus nur ein kleiner bescheidener
Architekt sein. Der Bauherr, Fräulein Krömeier, der Bauherr ist das
deutsche Volk und muss immer das deutsche Volk bleiben.«
»Und et darf nie verjessen …«, sagte Fräulein Krömeier mit einem
mahnenden Gesichtsausdruck.
»Ganz genau! Es darf niemals vergessen, welche Kraft in ihm
schlummert. Welche Möglichkeiten es hat! Das deutsche Volk kann
die Welt verändern!«
»Ja«, warf sie ein, »aber doch nur zum Juten! Et darf nie wieder
sein, det det deutsche Volk wat Schlimmet macht!«
Es war dieser Moment, in dem mir klar wurde, wie sehr ich Fräulein
Krömeier doch schätzte. Denn es ist schon erstaunlich, wie manche
Frauen auf ihren verschlungenen Wegen dann aber dennoch bei den
richtigen Zielorten eintreffen. Fräulein Krömeier hatte es erkannt:
Geschichte wird von Siegern geschrieben. Und eine positive
Beurteilung deutscher Taten setzt selbstverständlich deutsche Siege
voraus.