»Geben Sie’s ihnen«, sagte sie fest.
»Werden Sie es sich ansehen?«
»Ick bin gleich hinter der Kulisse«, sagte sie stolz. »Ick hab ooch
schon eins von den T-Shirts, meen Führa.« Und noch bevor ich etwas
sagen konnte, öffnete sie schwungvoll den Reißverschluss ihres
schwarzen Jäckchens und zeigte mir stolz das Hemd.
»Ich muss doch sehr bitten!«, sagte ich scharf, und als sie rasch
wieder die Jacke schloss, fügte ich noch etwas milder hinzu: »Dass
Sie mal was tragen, das nicht schwarz ist …«
»Allet nur für Sie, meen Führa!«
Ich machte mich auf den Weg, ließ mich mit dem Fahrdienst zum
Studio bringen, wo schon Jenny wartete und mich mit einem lauten
»Hallo, onkel Ralf!« begrüßte. Ich hatte es inzwischen aufgegeben,
sie zu korrigieren, auch weil ich wohl mit ziemlicher Sicherheit
annehmen konnte, dass sie sich einen kleinen Dauerscherz daraus
machte. Ich war in den letzten Wochen schon onkel Ulf gewesen,
dazu noch onkel Golf, onkel Schilf und onkel Torf. Ich war nicht
sicher, ob ich auf ihre Zuverlässigkeit zählen konnte, wenn es hart auf
hart kam, langfristig allerdings würde ihre Leichtfertigkeit mit Sicherheit
die Moral untergraben – insofern hatte ich sie intern schon einmal
vorgemerkt. Wenn derlei nach der ersten Verhaftungswelle nicht
aufhören würde, sah ich sie bislang direkt für die zweite Welle vor.
Einstweilen ließ ich mir natürlich nichts anmerken, als sie mich zu
meiner Garderobe geleitete, wo bereits Frau Elke wartete.
»Räumt den Puder weg, Herr Hitler kommt«, lachte sie. »Heute ist
der große Tag, wie ich höre?«
»Es kommt darauf an, für wen«, sagte ich und setzte mich.
»Wir vertrauen auf Sie.«
»›Unsere letzte Hoffnung – Hitler‹«, sagte ich versonnen. »Wie
früher auf den Plakaten …«
»Das ist jetzt aber ein bisschen sehr dick aufgetragen«, meinte sie.
»Dann nehmen Sie wieder was weg«, mahnte ich besorgt, »ich will
doch nicht aussehen wie ein Kasperl.«
»Ich meinte – ach, vergessen Sie’s. Bei Ihnen braucht’s ja nicht viel.
Der Mann mit der Traumhaut. Gehen Sie raus und zeigen Sie denen,
wo der Hammer hängt.«
Ich begab mich hinter die Kulissen, um abzuwarten, bis Wizgür mich
ankündigte. Er tat es mit immer größerem Widerwillen, aber man
musste anerkennen, dass man diesen Widerwillen als
Außenstehender nicht erkennen konnte.
»Meine Damen und Herren: Zum multikulturellen Ausgleich sehen
Sie jetzt Deutschland aus Sicht eines Deutschen – Adolf Hitler.«
Begeisternder Applaus begrüßte mich. Die Auftritte waren mit jeder
Sendung einfacher geworden. Es hatte sich eine Art Ritual entwickelt,
wie früher im Sportpalast. Grenzenloser Jubel, den ich mit tödlichem
Ernst in minutenlangem Schweigen zu absoluter Stille niederrang. Erst
dann, in diesem Spannungsfeld zwischen Erwartung der Menge und
eisernem Willen des Einzelnen, erhob ich das Wort.