freilich vor allem ein taktischer: Der politische Gegner rechnet nicht
damit und ist vollkommen überrumpelt. Er setzt ein anderes Aussehen
voraus oder eine andere körperliche Verfassung, im Allgemeinen wird
die Realität komplett geleugnet, weil nicht sein kann, was nicht sein
darf. Das führt zu sehr »unangenehmen« Folgen: So hat man
beispielsweise kurz nach dem Kriege alle Taten der
nationalsozialistischen Regierung zu Verbrechen erklärt, völlig abstrus,
letztlich war das ja eine gewählte Regierung. Und man hat festgelegt,
dass diese »Verbrechen« niemals verjähren würden, was immer gut
klingt in den Ohren jener gefühlsduseligen Parlamentswanzen,
wenngleich ich in dreihundert Jahren denjenigen einmal sehen
möchte, der sich überhaupt noch an diese heutigen
Regierungslumpen erinnert. Tatsächlich bekam die Firma Flashlight
auch prompt eine offizielle Mitteilung von der Staatsanwaltschaft, dass
diese von irgendwelchen Dummköpfen angerufen worden sei und
auch diverse Anzeigen wegen solcher Verbrechen eingegangen
wären. Doch die Ermittlungen seien natürlich sofort eingestellt worden,
weil ich ja nicht sein könne, wer ich bin, und als Künstler sei da
natürlich eine ganz andere Freiheit gegeben und so weiter und so fort.
Da sieht man einmal wieder, dass sogar die einfachen Menschen in
der Staatsanwaltschaft viel mehr von Kunst verstehen als diese
Professoren an der Wiener Akademie. Staatsanwälte sind zwar heute
wie damals juristische Fachidioten, aber sie erkennen wenigstens
einen Künstler, wenn sie ihn sehen.
Als ich des späteren Vormittags in mein Büro kam, unterrichtete
mich Fräulein Krömeier davon, und ich nahm es als guten Beginn
eines Tages, an dem ich die Auseinandersetzung mit jener »Bild«-
Zeitung ein für allemal zu beenden gedachte.
Ärgerlicherweise hatte ich die Rede vorher mit der Dame Bellini
absprechen müssen, eine Sache, die mir außerordentlich zuwider war,
zumal die Dame Bellini auch noch mit dem Hausjuristen anrückte, und
man weiß ja, was von Juristen zu halten ist. Zu meiner großen
Überraschung hatte der Paragraphenreiter keine oder doch nur
kleinere Bedenken, die die Dame Bellini mit einem energischen »Das
machen wir trotzdem!« vom Tisch wischte.
Ich hatte noch etwas Zeit, also ging ich hernach in mein Büro, aus
dem mir Sawatzki entgegenkam und sagte, er hätte mich gesucht und
mir einige erste Muster aus der Produktionslinie hinterlassen, und er
freue sich schon auf den Tag der Abrechnung und derlei mehr, was
mir irritierend belanglos schien. Zumal ich die Muster schon am
Vortage gesehen hatte, Kaffeetassen, Aufkleber, Sportleibchen, die
nach amerikanischem Brauch inzwischen T-Shirt genannt wurden.
Dennoch war Sawatzkis Begeisterung nach wie vor hundertprozentig
vertrauenswürdig.
»Ab 22.57 Uhr wird zurückgeschossen«, sagte er aufgekratzt.
Ich sagte nichts, neugierig.
Und tatsächlich fügte er hinzu: »Von jetzt ab wird Silbe mit Silbe
vergolten!«