Die Wände hier waren papierdünn, wahrscheinlich geschuldet einem
Rohstoffmangel. Ich hatte einen Schreibtisch, offensichtlich aus
zweiter Hand, und musste den Raum mit einem zweiten Schreibtisch
teilen, der wohl für die zugesagte Schreibkraft vorgesehen war. Ich
seufzte tief und blickte aus dem Fenster. Das Fenster ging auf einen
Parkplatz mit vielfarbigen Aschentonnen, die ihre Ursache darin
hatten, dass man den Müll sorgsam trennte, wohl ebenfalls aus
Gründen des Rohstoffmangels. Ich mochte mir nicht überlegen, aus
dem Inhalt welcher dieser Tonnen letzten Endes der armselige
Bodenbelag gefertigt war. Dann lachte ich lautlos auf angesichts der
bitteren Ironie des Schicksals. Wenn dieses Volk sich damals im
rechten Augenblicke nur etwas mehr Mühe gegeben hätte, so hätte
sich heute angesichts der Rohstoffe des gesamten Ostens derartige
Sammeltätigkeit erübrigt. Abfälle aller Art hätte man achtlos in nur
zwei Tonnen werfen können oder sogar in nur eine einzige. Ich
schüttelte den Kopf, verständnislos.
Vereinzelt trieben sich Ratten dort in dem Hofe herum, abwechselnd
mit Gruppen von Rauchern. Ratten, Raucher, Ratten, Raucher, so
ging das in einem fort. Ich blickte wieder auf meinen bescheidenen, ja
armseligen Schreibtisch und die billige, relativ weiße Wand dahinter.
Da konnte man draufhängen, was man wollte, selbst einen bronzenen
Reichsadler, es wurde nicht besser. Man konnte schon froh sein,
wenn die Wand nicht unter der Last zusammenfiel. 400 Quadratmeter
Büro hatte ich einst, jetzt saß der Führer des Großdeutschen Reiches
in einer Schuhschachtel. Was war nur aus der Welt geworden?
Und was aus meiner Schreibkraft?
Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach halb eins.
Ich öffnete die Tür und sah hinaus. Es war niemand zu sehen bis
auf eine Dame mittleren Alters in einem Kostüm. Sie lachte, als sie
meiner ansichtig wurde.
»Ach, Sie sind das! Proben Sie schon? Wir sind ja alle so
gespannt!«
»Wo ist meine Sekretärin!«
Sie blieb kurz stehen, um nachzudenken. Dann sagte sie: »Das ist
eine 400-Euro-Kraft, oder? Dann kommt die vermutlich nur
nachmittags. Etwa gegen zwei.«
»Ach was«, sagte ich verdutzt, »und was mache ich bis dahin?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie und wandte sich lachend zum
Weitergehen, »vielleicht einen kleinen Blitzkrieg?«
»Das werde ich mir merken!«, sagte ich recht frostig.
»Wirklich?« Sie blieb stehen und drehte sich noch einmal kurz um.
»Das ist ja super. Ich freue mich, wenn Sie’s für Ihr Programm
brauchen können! Wir sind ja hier alle in einer Firma!«
Ich ging wieder in mein Büro und schloss die Tür. Auf beiden
Schreibtischen stand eine Schreibmaschine ohne Walze vor einem
vermutlich irrtümlich dort angebrachten Fernsehapparat. Ich
beschloss, meine Fortbildung im Rundfunkwesen fortzusetzen, fand
aber keinen kleinen Bedienungskasten. Es war unerfreulich. Ich griff
zornig zum Telefon – dann ließ ich den Hörer wieder auf die Gabel
sinken. Ich wusste ja gar nicht, mit wem mich die Zentrale hätte
verbinden sollen. In diesem Umfelde brachte mir die ganze moderne
technische Infrastruktur überhaupt nichts. Ich seufzte, und an mein
Herz pochte ein Moment des bangen Verzagens. Jedoch nur kurz: Ich
schob die Anfechtungen der Schwäche entschlossen zur Seite. Ein
Politiker macht aus dem Vorhandenen das Beste. Beziehungsweise
aus dem nicht Vorhandenen, wie in diesem Fall. Nun, dann konnte ich
ja genauso gut einmal hinausgehen und zwischenzeitlich das neue
deutsche Volk betrachten.