Andererseits hatte sich womöglich auch die Art, Filme zu machen,
geändert. Ich kam auf meiner Suche jedenfalls an einigen Kanälen
vorbei, die etwas ausstrahlten, was mich oberflächlich an Trickfilme
von einst erinnerte. Die heiteren Abenteuer der Mickey Mouse etwa
waren mir noch in bester Erinnerung. Doch was sich hier abspielte,
war nurmehr geeignet, sofortige Blindheit hervorzurufen. Eine ständige
Abfolge wirrster Gesprächsfetzen wurde durch eine noch häufigere
Einblendung gewaltiger Explosionen unterbrochen.
Tatsächlich wurden nun die weiteren Kanäle immer merkwürdiger.
Es gab welche, die nur Explosionen ohne Trickfilm sendeten, es stieg
in mir sogar für eine kurze Zeit der Verdacht auf, es könne sich dabei
um etwas wie Musik handeln, bevor ich zu dem Schluss kam, im
Grunde sei Ziel des Ganzen nur der Verkauf eines vollkommen
entgeistigten Produkts namens Klingelton. Wozu man ein bestimmtes
Läuten brauchen sollte, war mir nicht nachvollziehbar. Arbeiteten die
Leute denn alle als Requisiteure beim Tonfilm?
Andererseits war der Verkauf durch den Fernsehapparat
anscheinend nicht ungewöhnlich. Zwei oder drei weitere Kanäle
sendeten ununterbrochen die Vorträge fliegender Händler, wie man
sie von jedem Jahrmarkt kennt. Entsprechend leichtfertig wurde auch
hier das Geschwätz von geschriebenen Texten in jeder Ecke des
Apparates überdeckt. Die Verkäufer selbst verletzten fortwährend
jegliche Grundregel seriösen Auftretens, ja sie bemühten sich nicht
einmal mehr um ein vertrauenswürdiges Äußeres und trugen selbst in
fortgeschrittenem Alter grauenhafte Ohrringe wie die letzten Zigeuner.
Die Rollenverteilung folgte dabei erkenntlich den Traditionen übelster
Bauernfängerei: Stets war einer dabei, der das Allerblaueste vom
Himmel zusammenlog. Der andere hingegen hatte danebenzustehen
und den Mund vor Staunen nicht mehr zuzubekommen, hatte »hei«
und »Nein!« auszustoßen oder auch »Das ist ja unglaublich!«. Es war
insgesamt eine vollendete Schmierenkomödie, und man bekam
unablässig große Lust, einmal mit einer 8,8-Flak ordentlich in das
versammelte Gesindel hineinzuhalten, dass diesen Erzgaunern ihre
Lügen nur so aus den Eingeweiden spritzen mussten.
Letztlich wurzelte mein Zorn allerdings auch darin, dass ich
angesichts dieses versammelten Wahnsinns zunehmend irre zu
werden befürchtete. Es glich somit fast schon einer Flucht, als ich
versuchte, mich zu der dicken Frau zurückzuschalten. Ich blieb jedoch
unterwegs bei dem Kanal hängen, auf dem der Winkeladvokat Buffalo
Bill sein gräuliches Unwesen getrieben hatte. Inzwischen wurde von
dort ein Gerichtsdrama gesendet, dessen Hauptdarstellerin ich zuerst
für die Kanzlerin aus den Nachrichten hielt, die sich jedoch nach
kurzer Dauer nur als eine jener Kanzlerin sehr ähnelnde
Gerichtsmatrone entpuppte. Verhandelt wurde gerade der Fall einer
gewissen Senndi, die offenbar wegen diverser Unregelmäßigkeiten an
ihrer Ausbildungsstätte angeklagt war.
Diese Vergehen hatte das 16-jährige Fräulein jedoch nur aufgrund
seiner Zuneigung zu einem Jungen namens Enndi begangen, der zur
gleichen Zeit Beziehungen zu drei weiteren auszubildenden Damen
unterhielt, von denen eine offenbar eine Schauspielerin war oder
werden wollte. Verursacht durch nicht nachvollziehbare Umstände
hatte sie diesen Karriereweg allerdings zugunsten einer
Nebenbeschäftigung im kriminellen Milieu zurückgestellt und war
nunmehr Teilhaberin eines Wettbüros. Ähnlicher himmelschreiender
Blödsinn mehr wurde verkündet, währenddessen die Gerichtsmatrone
dazu mit einem vollkommen ernsthaften Gesicht eifrig nickte, als
wären diese völlig abwegigen Erzählungen das Normalste der Welt
und kämen eigentlich tagtäglich vor. Ich konnte es schlichtweg nicht
begreifen.