Der Bürgermeister von Schilda hatte nicht nur eine Frau, sondern auch einen erwachsenen Sohn, der nun bald heiraten sollte. So hatten es die Eltern beschlossen.
„Geh in die Spinnstube und suche dir dort ein nettes Mädchen aus“, hatte ihm die Mutter mit auf den Weg gegeben.
In der Spinnstube gab es viele nette Mädchen und bald hatte sich der Sohn des Bürgermeisters eine junge Frau ausgesucht, die er ehelichen wollte. Er sprach kurz mit ihr, verlangte aber, damit der Handel perfekt würde, dass sie drei Tage lang niemandem etwas über die Hochzeit verraten dürfe. Sie versprach es, und schon trennten sich die Wege der beiden jungen Leute.
Doch der Sohn des Bürgermeisters war misstrauisch und schnüffelte hinter seiner Braut her. Schon am nächsten Morgen erzählte sie beim Melken der Mutter von der bevorstehenden Hochzeit. Und hatte damit ihr Versprechen gebrochen.
Der Bürgermeistersohn sah sich sogleich nach einer anderen jungen Frau um und hatte sie alsbald auch gefunden. Mit der ging er nun zum Traualtar.
Zum Hochzeitszug durch Schilda kamen viele Menschen, und auch die junge Frau, die zuerst seine Ehefrau hätte werden sollen. Sie fragte: „Warum hast du mich nicht geheiratet?“ Und er antwortete: „Weil du dich nicht an dein Versprechen gehalten hast, drei Tage lang Stillschweigen zu bewahren.“
Nach diesem kleinen Zwischenfall wurde die Hochzeit ausgelassen gefeiert. Die Mutter der Braut hatte ihrer Tochter einige Benimmregeln mit auf den Weg gegeben. So solle sie beispielsweise nur mit halbem Munde reden. Was so viel heißen soll, dass sie nicht so viel reden solle.
Doch die junge Frau wäre keine echte Schildbürgerin gewesen, wenn sie die Sache nicht anders verstanden hätte. So hielt sie sich beim Reden nun immer den halben Mund mit der Hand zu, redete aber kein bisschen weniger deswegen.
Auch aß sie nur mit zwei Fingern, so wie es die Mutter der Tochter aufgetragen hatte. Als das üppige Hochzeitsmahl beendet war, da rief die Tochter laut über den Tisch hinweg: „Und wer leckt mir nun die Finger ab?“
Und die Mutter antwortete: „Putz sie dir am Tischtuch ab!“ Das tat die junge Braut auch, erinnerte sich dabei an eine andere Regel, die die Mutter mit auf den Weg gegeben hatte und die sie nun anzuwenden glauben musste.
Sie ließ den Tisch ein wenig zur Seite schieben. Dann legte sie ihre stattlichen Beine fein säuberlich neben dem Teller ab, das eine links, das andere rechts, und ließ es sich fortan in dieser Haltung so gut ergehen.
Als die Gäste gegangen waren, fragte sie ihren frisch gebackenen Ehemann, was denn vorhin die junge Dame von ihm gewollt habe. Und der berichtete, dass er eigentlich diese Frau habe heiraten wollen, sie aber nicht einmal drei Tage lang über die Hochzeit hätte schweigen können.
Da lachte die junge Ehefrau und sagte, dass er nun eine viel bessere Wahl getroffen habe. Sie sei verschwiegen und habe es zwei Jahre lang geschafft, niemandem von ihrem Verhältnis zum Stallknecht zu berichten.
Da sah auch der Sohn des Bürgermeisters ein, dass er die richtige Frau geheiratet hatte.